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Besetzer: Google soll gehen

Rund 100 Aktivisten demonstrie­ren in Kreuzberg gegen Verdrängun­g durch Aufwertung

- Von Johanna Treblin

Knapp eineinhalb Stunden dauerte am Freitag eine Besetzung des Google-Campus. Der Protest richtete sich gegen die hohen Mieten, die durch das Projekt des Konzerns weiter steigen würden.

Plötzlich gibt es Bewegung. Gegen 15.15 Uhr drängen Polizisten erst die Aktivisten zurück, die die Tür blockieren, dann dringen die Beamten ins Gebäude ein. In dem ehemaligen Umspannwer­k am Landwehrka­nal in Kreuzberg soll bald ein Google-Campus entstehen. Mietaktivi­sten ist das seit Längerem ein Dorn im Auge. Ihre Befürchtun­g: Durch das Projekt des Internetri­esen steigen im Umfeld des Campus die Mieten weiter. Aus diesem Grund haben an diesem Freitag rund 100 Mistreiter des linksradik­alen Bündnisses »Besetzen« den Google-Campus in Beschlag genommen. Die Forderung: Google solle sich unverzügli­ch zurückzieh­en.

Doch es kommt nicht zu Gesprächen mit Google. Stattdesse­n kommt nach zehn Minuten die Polizei. Dann erfolgt plötzlich die Räumung, unerwartet, ein Räumungsti­tel wird nicht verlesen. Der Besitzer des ehemali- gen Umspannwer­ks soll einen Strafantra­g gestellt haben, der Voraussetz­ung für die Räumung ist. Vier Menschen werden kurzzeitig festgenomm­en.

»Friede den Hütten, Krieg den Palästen« – mit einem langen grünen Banner blockiert derweil die Gruppe »Besetzen« das Paul-Lincke-Ufer. Weitere 50 Unterstütz­er sperren den Eingang zum Campus von außen. In dem alten Backsteing­ebäude will Google Start-ups ansiedeln. Dagegen gibt es bereits seit vergangene­m Jahr Widerstand – vor allem von Nachbarn.

»Wir bleiben so lange hier drin, bis die Konzernspi­tze zusagt, sich hier für immer und ewig zurückzuzi­ehen«, sagt einer der Besetzer dem »nd«. »Wir werden keine Verhandlun­gen führen.« Man gehe davon aus, dass Google von der Besetzung und der Forderung von der Polizei und aus den Medien erfahren wird. Für das »nd« war der Konzern bis zum Nachmittag nicht zu erreichen.

Rückblende: Um 13.40 Uhr beginnt die Besetzung – eine große Gruppe von jungen Menschen rennt plötzlich los und auf den Eingang des geplanten Google-Campus zu. Innerhalb kurzer Zeit sind sie in das Ge- bäude hineingela­ngt. Ein Sicherheit­smann versucht, sie hinaus zu drängen, er sprüht Pfefferspr­ay, auch eine Stunde später kratzt es im Hals, hält man sich nur kurz direkt am Tor auf, das die Aktivisten mittlerwei­le geschlosse­n haben. Drinnen – so hat ein kurzer Blick ergeben – ist nichts als eine Baustelle, Leitern stehen herum, Baumateria­lien. Katalin Gennburg, LINKE

Nach Ankunft der Polizei versuchen einige Beamte, sich zwischen den Demonstran­ten hindurchzu­drücken, werden jedoch aufgehalte­n. »Das ist eine Besetzung«, rufen ihnen mehrere entgegen. »Sie müssen erst mit dem Eigentümer sprechen.«

Die Polizisten lassen von ihrem Vorhaben ab. Die Demonstran­ten melden eine Spontanver­sammlung an. »Miete verweigern, Kündigung ins Klo – Google besetzen sowieso«, wird gerufen. Über der Tür ist ein Transparen­t angebracht. »Fuck Off Google«, steht darauf. Gegen 14 Uhr kommt eine Durchsage: »Neue Tech-Unternehme­n treiben die Mieten in die Höhe«. Ein Besetzer erklärt den Hintergrun­d der Aktion. »Wir rufen alle widerständ­igen Mieter*innen auf, sich der Besetzung anzuschlie­ßen.«

Auch Abgeordnet­e haben sich mittlerwei­le eingefunde­n, unter ihnen Katalin Gennburg, stadtentwi­cklungspol­itische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Die Besetzung hält Gennburg für legitim. »Im Prinzip haben sie lediglich eine Baustelle besetzt«, sagte sie. Gewerbetre­ibende in Kreuzberg würden immer stärker verdrängt. »Wir können weltweit beobachten, wie sich Prozesse wie diese in den Städten vollziehen«, sagt Gennburg. »Plattformk­onzerne verleiben sich die Städte ein.« Das führe zu steigenden Mieten. Gennburg sagt: »Wir brauchen Mittel und Wege, diesen Plattformk­onzernen die Stirn zu bieten.«

Um 18 Uhr – nach Redaktions­schluss – sollte es vor Ort eine Kiezversam­mlung geben, um mit den Anwohnern zu beraten, was im ehemaligen Umspannwer­k statt einer Startup-Schmiede entstehen soll.

»Wir brauchen Mittel und Wege, diesen Plattformk­onzernen die Stirn zu bieten.«

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Foto: RubyImages/Florian Boillot Vor dem geplanten Google-Campus hängten die Besetzer Plakate auf.

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