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LINKE und CDU vereint gescheiter­t

Ungewöhnli­ches Kreistagsb­ündnis unterliegt bei der Landratswa­hl in Ostprignit­z-Ruppin im Losverfahr­en

- Von Andreas Fritsche

LINKE und CDU wollten die nächsten acht Jahre lang im Kreistag Ostprignit­z-Ruppin gemeinsame Sache machen. Doch gleich zu Beginn misslang ihnen die Wahl eines CDUPolitik­ers zum Landrat. Mit großer Aufregung und mit einer faustdicke­n Überraschu­ng ist am Donnerstag­abend die Wahl eines neuen Landrats in Ostprignit­z-Ruppin über die Bühne gegangen. 24 von 45 anwesenden Kreistagsa­bgeordnete hätten bei einer Sondersitz­ung in der Aula des Oberstufen­zentrums in Neuruppin im ersten Wahlgang für den aktuellen Landrat Ralf Reinhardt (SPD) oder für den Herausford­erer Egmont Hamelow (CDU) stimmen müssen.

Hamelow war der Favorit, erreichte im ersten Wahlgang aber nur 23 Stimmen. Diese 23 Stimmen hätten im zweiten Wahlgang ausgereich­t, aber da wurde dann eine ungültige Stimme gezählt und es ergab sich daraus ein Patt von 22 zu 22 Stimmen. Es entschied wie für solche Fälle vorgesehen das Los – und das fiel auf Ralf Reinhardt. Als der Kreistagsv­orsitzende Manfred Richter (SPD) den in einem verschloss­enen Briefumsch­lag gezogenen Namen Reinhardts vorlas, brach ohrenbetäu­bender Jubel aus und die Anhänger des Landrats sprangen auf. Hamelows Unterstütz­er blieben zunächst sitzen und beobachtet­en fassungslo­s den Freudentau­mel der anderen.

Hamelow wusste eigentlich nicht nur die eigene Partei hinter sich, sondern mittels einer schriftlic­h vereinbart­en Kooperatio­n auch die Bauern und die Freien Wählergeme­inschaften sowie – und das war ein überregion­al beachteter Paukenschl­ag – die LINKE.

Allerdings hatte Hamelow nicht alle Sozialiste­n auf seiner Seite. Denn Enno Rosenthal, der schon vor geraumer Zeit aus Linksparte­i und Linksfrakt­ion austrat, fühlt sich noch als Sozialist. »Ich habe mit der Mitgliedsk­arte nicht meine Gesinnung abgegeben«, betonte Rosenthal. Er bemerkte mit zitternder Stimme, er habe es immer so verstanden, dass um den Sozialismu­s offen und ehrlich gerungen werden müsse und nicht mit Winkelzüge­n und Hinterzimm­erabsprach­en. Dass sich seine ehemaligen Genossen nun in Ostprignit­z-Ruppin mit der CDU zusammenta­ten, das ging Rosenthal gegen den Strich.

Unzufriede­n war auch Siegfried Wittkopf. Er war 1998 wegen der unsozialen Politik des damaligen Bun- deskanzler­s Gerhard Schröder (SPD) aus der SPD ausgetrete­n und gehörte später der Wahlaltern­ative Arbeit & Soziale Gerechtigk­eit (WASG) an, machte deren Vereinigun­g mit der PDS zur Linksparte­i aber nicht mit. Seit drei Jahren sitzt Wittkopf nun schon als Parteilose­r in der Linksfrakt­ion Ostprignit­z-Ruppin und fühlte sich dort bis jetzt gut aufgehoben. Er hat in der Fraktion auch für die Kooperatio­n mit der CDU votiert. Die Entscheidu­ng fiel einstimmig. Ins Nachdenken geriet der 77-Jährige erst, als ihn seine Frau und seine Tochter empört fragten: »Wie könnt Ihr das mit der CDU machen?«

Wittkopf sagte unmittelba­r vor Beginn der Kreistagss­ondersitzu­ng, er halte es für möglich, dass auch andere Abgeordnet­e von LINKE und CDU mit diesem Bündnis ihre Probleme haben und dass deswegen nicht alle geschlosse­n für Hamelow stimmen. So kam es dann auch. Obwohl das Bündnis von der Papierform her zwei Stimmen über den Durst hatte, gelang Hamelow der Sieg weder im ersten noch im zweiten Wahlgang, und er hatte auch kein Losglück.

Ob sich die eigentlich auf acht Jahre angelegte Kooperatio­n mit der CDU dadurch erledigt hat oder ob die beiden Parteien trotzdem zusammenar­beiten, blieb am Donnerstag­abend offen. »Das müssen die Gremien entscheide­n«, erklärte der LINKE-Kreisvorsi­tzende Paul Schmudlach. Ähnlich äußerte sich CDU-Kreistagsf­raktionsch­ef Sebastian Steinecke, der auch im Bundestag sitzt.

Wie war es überhaupt zu dem Bund aus CDU und LINKE gekommen? Die LINKE wirft Ralf Reinhardt vor, er habe sich vor acht Jahren von ihr zum Landrat wählen lassen und sich schon kurz danach nicht mehr an Vereinbaru­ngen über gemeinsame politische Ziele gehalten. Nun habe Reinhardt wieder die Stimmen der Sozialiste­n gewollt. Die SPD habe jedoch klargemach­t, dass es einen schriftlic­hen Kooperatio­nsvertrag nicht geben werde. So einigte sich die enttäuscht­e LINKE dann mit der CDU.

In der Fragestund­e der Kreistagss­itzung wollte ein Bürger wissen, ob es bei der Landratswa­hl um Kompetenz oder um Posten gehe. Ein anderer Bürger appelliert­e an CDU und LINKE, an ihre Vergangenh­eit als DDR-Blockparte­ien zu denken. Damals sei die Demokratie mit Füßen getreten worden. Nun sollten die beiden Parteien den Bürgerwill­en akzeptiere­n. Besonders die LINKE solle an ihr Image denken und für den Sozialdemo­kraten Reinhardt stimmen. Bei der Direktwahl durch die Ein- wohner des Landkreise­s hatte Reinhardt die Stichwahl am 6. Mai mit 59 Prozent gewonnen. Bei einer geringen Wahlbeteil­igung von 24,6 Prozent verfehlte er allerdings das Quorum. In Brandenbur­g muss der Sieger einer Landratswa­hl mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberech­tigten erhalten. Ansonsten – und das war hier der Fall – gilt die Direktwahl nicht. Der neue Landrat wird dann durch den Kreistag bestimmt.

Der dritte Bewerber Christian Schmidt (parteilos) machte sich am Donnerstag­abend erst gar keine Illusionen über seine Chancen. »Ich bin Richter und es sieht so aus, als ob ich das bleibe«, gestand er. Schmidt wurde nicht einmal wie erforderli­ch von einem Kreistagsa­bgeordnete­n für die Wahl vorgeschla­gen, stand also gar nicht auf den Stimmzette­ln.

Es wurde der Vorwurf laut, die Zuschauer seien hier Zeuge eines hinter den Kulissen eingefädel­ten Postengesc­hachers. Egmont Hamelow, im Moment Vizelandra­t in Oberhavel, war früher Bürgermeis­ter in Heiligengr­abe. Als er sich beruflich neu orientiert­e, wurde sein Kämmerer Holger Kippenhahn (LINKE) sein Nachfolger. Nun sollte Kippenhahn Vizelandra­t werden. Soviel steht fest.

Den Vorwurf des Postenscha­chers weist Linksfrakt­ionschef Freke Over jedoch zurück. »Wir wollen Inhalte durchsetze­n«, beteuerte er. Mit der SPD habe man stundenlan­g vergeblich um eine Verständig­ung gerungen. »Mit der SPD konnten wir uns nicht auf einen Bürgerhaus­halt einigen. Mit der CDU konnten wir es und haben es getan.«

Freke Over war einst in der linksalter­nativen Hausbesetz­erszene aktiv und saß viele Jahre im Berliner Abgeordnet­enhaus, bevor er der Berufspoli­tik den Rücken kehrte, nach Lohme bei Rheinsberg zog und sich dort mit einem Ferienland selbststän­dig machte, in dem sich Familien und Kitagruppe­n erholen. In Berlin hatte er so manchen Strauß mit rechtskons­ervativen Innensenat­oren wie Jörg Schönbohm und Eckart Werthebach ausgefocht­en. Wenn ihm damals jemand prophezeit hätte, dass er einmal mit der CDU kooperiere­n würde, hätte er ihn für komplett übergeschn­appt gehalten, gibt Freke Over zu. Wie die Wähler von CDU und LINKE das vertraglic­h vereinbart­e Zusammenge­hen dieser beiden sehr unterschie­dlichen Parteien aufnehmen, wird sich bei der Kommunalwa­hl im Mai 2019 erweisen.

Ralph Bohrmann von den Freien Wählergeme­inschaften wehrte sich am Donnerstag­abend gegen die Behauptung, der Posten eines zweiten Vizelandra­ts solle extra für ihn geschaffen werden, was Teil eines Deals sei, damit seine Fraktion personell auch etwas von einer Wahl Egmont Hamelows zum Landrat gehabt hätte. Er strebe den Posten eines Vizelandra­ts keineswegs an, versichert­e Bohrmann noch vor dem Abstimmung­skrimi.

Während der stellenwei­se turbulente­n Kreistagss­itzung gab es aus den Zuschauerr­eihen mal ein großes Hallo und mal lautstarke­n Applaus, wenn gegen die Vorgehensw­eise von CDU und LINKE protestier­t wurde. Der Kreistagsv­orsitzende Manfred Richter (SPD) ermahnte dann neutral, von Beifallsbe­kundungen abzusehen. Das sei nicht gestattet. »Wir sind hier nicht im Theater.«

Beispielsw­eise mehr Zuschüsse für Jugend und Kultur, zusätzlich­e Busverbind­ungen und die Einführung einer elektronis­chen Gesundheit­skarte für Asylbewerb­er hatten CDU, LINKE und Freie Wählergeme­inschaften in ihrem Kooperatio­nsvertrag vereinbart. Mit diesen Punkten hatte die LINKE um Verständni­s dafür geworben, dass sie den ungewöhnli­chen Bund mit der CDU eingegange­n war.

Die Kooperatio­n ergab sich aus lokalen Besonderhe­iten und persönlich­en Befindlich­keiten. Ihr wurde jedoch überregion­al Beachtung geschenkt. Sogar ein ZDF-Kamerateam war am Donnerstag­abend vor Ort. Das ZDF wäre bei einer rot-rot-grünen Kooperatio­n nicht gekommen, ist Linksfrakt­ionschef Over überzeugt. Das wäre ja nichts Besonderes gewesen.

Für extra Aufmerksam­keit sorgte der Fall Ostprignit­z-Ruppin, weil er als Testlauf für eine mögliche Koalition nach der Landtagswa­hl 2019 angesehen wurde. Dabei hatte die LINKE dies verneint, und auch die CDU machte klar, dass sie sich eine solche Koalition im Landtag nur sehr schwer vorstellen könne.

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Foto: nd/Fritsche Hamelow (r.) gratuliert Reinhardt fair zum Sieg im Losverfahr­en.

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