Mehr als Grillen und Renovieren
Immer mehr Männer engagieren sich in den Kitas ihrer Kinder. Doch in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern spielt das Thema Väter kaum eine Rolle.
Beim Elternabend spricht die Leiterin der Schmetterlingsgruppe ständig von den »Müttern«, obwohl fast ein Drittel der Anwesenden Väter sind. Für das Gartenfest der Tagesstätte bittet sie um selbst gebackenen Kuchen und selbst gekochte Marmelade, und eine ehrenamtliche »Lesemutter« für den Vormittag könnte sie auch noch gebrauchen. An langen Herbstabenden laden die Erzieherinnen zum Basteln von Laternen ein, kurz vor Weihnachten sind die Adventskränze dran. Dass dazu kaum ein Vater erscheint, überrascht niemanden – und ist eigentlich auch ganz in Ordnung. Denn Männer, die sich tatsächlich einmischen, sind nicht überall ernsthaft erwünscht.
»Wo sind all die Väter hin, wo sind sie geblieben?« fragte kürzlich eine Fachveranstaltung einer Familienbildungsstätte – und brachte damit schon im Seminartitel einen Vorwurf an die Männer unter. Die Zusammenarbeit mit Vätern in frühpädagogischen Einrichtungen ist eine zähe Angelegenheit, viele Angebote sind schlecht besucht oder fallen einfach aus. Hat die Zielgruppe zu wenig Interesse? Das klingt defizitär, lässt sich aber auch umdrehen: Männer scheuen eine so deutlich weiblich geprägte Umgebung. Den Mitarbeiterinnen ist häufig gar nicht bewusst, wie durch ihre gut gemeinten Vorschläge Väter abgeschreckt werden.
Das gilt neben Kitas und Krippen erst recht für die Familienbildungsstätten. Weil immer mehr Kinder unter drei Jahren regelmäßig Tageseinrichtungen besuchen, hat die Bedeutung der dort veranstalteten Kurse ohnehin stark nachgelassen. Familienbildungsstätten sollten einst unsicheren Frauen den richtigen Umgang mit ihrem Kind beibringen, sie trugen deshalb den Namen »Mütterschulen«. Im Kern sind sie das bis heute geblieben, Männer sind hier Exoten: Der Paarkurs für Schwangere, den sie im günstigsten Fall mit ihrer Partnerin besucht haben, war meist ihre erste und letzte Eltern-Bildungsaktivität. Mütter dagegen knüpfen gerade direkt nach der Geburt frauenspezifische Netzwerke: Rückbildungsgymnastik, Babyschwimmen, Spielgruppen, Plauderrunden am Küchentisch. Junge Mütter tauschen sich über die neue Lebenssituation aus, junge Väter gehen derweil Geld verdienen.
Doch so ganz stimmt das nicht mehr. Die Zahl der Männer, die zumindest zwei Monate lang eine Babypause machen, hat sich seit der Einführung des Elterngeldes als Lohnersatzleistung verzehnfacht. Sie
stieg von 3,5 Prozent im Jahr 2007 auf mittlerweile rund 35 Prozent. Auch nach der Säuglingszeit engagieren sich Väter inzwischen stärker in ihren Familien. Zwar arbeiten sie im Beruf viel seltener Teilzeit als die Mütter, doch zumindest an den Eingangstüren der Tagesstätten tauchen sie auf, bringen ihre Kinder morgens hin oder holen sie am Nach-
mittag wieder ab. Und selbstverständlich haben Männer ebenfalls ein Interesse daran mitzubekommen, was in den Kitas und Krippen so läuft.
Doch sogar die »neuen Väter« sind oft isoliert, sie haben es schwerer als Frauen, Gleichgesinnte zu finden. Im Flyer eines Kirchenkreises wird ein Eltern-Kind-Nachmittag so beworben: »Auch Männer sind herzlich eingeladen.« Auch Haustiere sind herzlich willkommen! Die Nachricht zwischen den Zeilen: Väter, ihr seid hoffnungslos in der Minderheit – aber wenn ihr unbedingt wollt! Wer an dieser Atmosphäre etwas ändern will, braucht andere Formen der Ansprache, andere Termine und pädagogische Konzepte, die sich dezidiert an Männer richten.
Schon lange experimentiert damit eine Familienbildungsstätte in der Kölner Südstadt. Dort ist die Zahl der männlichen Besucher im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Die Einrichtung versucht gezielt, Angebote »väterorientiert« auszuschreiben und Männer als Kursleiter zu gewinnen. Väter sind nach den Erfahrungen der pädagogischen Fachkräfte eher »über das Tun, über Bewegung« ansprechbar. »Papa, fang mich auf« hieß zum Beispiel ein Kurs mit dem Sportwissenschaftler und Trainer Siegfried Reisinger: An zwölf Samstagen zogen Väter und Kinder bei Wind und Wetter in den Wald. »Gemeinsam toben, klettern, buddeln, bauen, werfen, kämpfen, lauschen, anpirschen, fangen, weglaufen, ringen, Hindernisse überwinden, Feuer machen«, stand auf dem Programm.
Andere Anbieter offerieren »Massage für Väter und ihre Babys«, einen »Gesprächskreis Erziehung-Beziehung-Beruf« oder einen »FeuerAbend« als »offenen Treff für Männer«. Unter dem Motto »Papa hat Zeit für mich« locken Abenteuer wie Zeltlager, Bogenschießen oder Kanutouren. Beim Herstellen von Winddrachen oder der Feinarbeit am Holzbumerang sollen sich Väter entfalten. »Einfach leben. Wald, Lagerfeuer, weg von der Berieselungskiste«, heißt es in einer Ausschreibung. Solche Vater-Kind-Wochenenden sind seit Jahren ein Renner: Sie verschaffen Männern die Gelegenheit, den engen Kontakt zu ihren Söhnen oder Töchtern mit eigenen Interessen zu verbinden – auch wenn die Aufzählung der Aktivitäten eher wie ein Klischee traditioneller Rollenbilder wirkt.
Wichtiger als gelegentliche Freizeitveranstaltungen ist die Kooperation zwischen Eltern und Fachkräften im Alltag der Tagesstätten. Das dort arbeitende Personal, zu 95 Prozent weiblich, hat die Väter oft gar nicht auf dem Schirm – und ist durch die eigene Ausbildung darauf auch nicht eingestellt. An den Fachschulen gibt es keine speziellen Module, die Erzieherinnen auf den Umgang mit dem männlichen Elternteil vorbereiten. Dabei wären diese dringend nötig. Denn manche Kita-Mitarbeiterin hat regelrecht Angst vor längeren Gesprächen mit selbstbewusst auftretenden Vätern, tut sich schwer mit einem zielorientierten männlichen Kommunikationsstil.
Als Ergebnis werden Kontakte zu aktiven Vätern eher vermieden, die Berührungspunkte durch eine männerferne Elternarbeit unbewusst auf ein Minimum begrenzt. Der väterliche Beitrag besteht dann meist in der gelegentlichen Renovierung von Gruppenräumen oder im Anwerfen des Grills beim Sommerfest. Auch die Formaldemokratie in Kindergartenräten, die Eltern wie in den Schulen vor allem ihre Machtlosigkeit demonstriert und nur eine beratende Rolle zugesteht, schreckt viele Männer ab. Wenn die Sitzungen dann auch noch am Nachmittag, also während der üblichen Arbeitszeiten einberufen werden, bleibt die (Haus)Frauenrunde folgerichtig unter sich: Mit den Müttern fällt die Verständigung offensichtlich leichter.
Mütter knüpfen direkt nach der Geburt frauenspezifische Netzwerke. Für die Männer dagegen war der Paarkurs für Schwangere meist die erste und letzte ElternBildungsaktivität.