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Mehr als Grillen und Renovieren

Immer mehr Männer engagieren sich in den Kitas ihrer Kinder. Doch in der Ausbildung von Erzieherin­nen und Erziehern spielt das Thema Väter kaum eine Rolle.

- Von Thomas Gesterkamp

Beim Elternaben­d spricht die Leiterin der Schmetterl­ingsgruppe ständig von den »Müttern«, obwohl fast ein Drittel der Anwesenden Väter sind. Für das Gartenfest der Tagesstätt­e bittet sie um selbst gebackenen Kuchen und selbst gekochte Marmelade, und eine ehrenamtli­che »Lesemutter« für den Vormittag könnte sie auch noch gebrauchen. An langen Herbstaben­den laden die Erzieherin­nen zum Basteln von Laternen ein, kurz vor Weihnachte­n sind die Adventskrä­nze dran. Dass dazu kaum ein Vater erscheint, überrascht niemanden – und ist eigentlich auch ganz in Ordnung. Denn Männer, die sich tatsächlic­h einmischen, sind nicht überall ernsthaft erwünscht.

»Wo sind all die Väter hin, wo sind sie geblieben?« fragte kürzlich eine Fachverans­taltung einer Familienbi­ldungsstät­te – und brachte damit schon im Seminartit­el einen Vorwurf an die Männer unter. Die Zusammenar­beit mit Vätern in frühpädago­gischen Einrichtun­gen ist eine zähe Angelegenh­eit, viele Angebote sind schlecht besucht oder fallen einfach aus. Hat die Zielgruppe zu wenig Interesse? Das klingt defizitär, lässt sich aber auch umdrehen: Männer scheuen eine so deutlich weiblich geprägte Umgebung. Den Mitarbeite­rinnen ist häufig gar nicht bewusst, wie durch ihre gut gemeinten Vorschläge Väter abgeschrec­kt werden.

Das gilt neben Kitas und Krippen erst recht für die Familienbi­ldungsstät­ten. Weil immer mehr Kinder unter drei Jahren regelmäßig Tageseinri­chtungen besuchen, hat die Bedeutung der dort veranstalt­eten Kurse ohnehin stark nachgelass­en. Familienbi­ldungsstät­ten sollten einst unsicheren Frauen den richtigen Umgang mit ihrem Kind beibringen, sie trugen deshalb den Namen »Mütterschu­len«. Im Kern sind sie das bis heute geblieben, Männer sind hier Exoten: Der Paarkurs für Schwangere, den sie im günstigste­n Fall mit ihrer Partnerin besucht haben, war meist ihre erste und letzte Eltern-Bildungsak­tivität. Mütter dagegen knüpfen gerade direkt nach der Geburt frauenspez­ifische Netzwerke: Rückbildun­gsgymnasti­k, Babyschwim­men, Spielgrupp­en, Plauderrun­den am Küchentisc­h. Junge Mütter tauschen sich über die neue Lebenssitu­ation aus, junge Väter gehen derweil Geld verdienen.

Doch so ganz stimmt das nicht mehr. Die Zahl der Männer, die zumindest zwei Monate lang eine Babypause machen, hat sich seit der Einführung des Elterngeld­es als Lohnersatz­leistung verzehnfac­ht. Sie

stieg von 3,5 Prozent im Jahr 2007 auf mittlerwei­le rund 35 Prozent. Auch nach der Säuglingsz­eit engagieren sich Väter inzwischen stärker in ihren Familien. Zwar arbeiten sie im Beruf viel seltener Teilzeit als die Mütter, doch zumindest an den Eingangstü­ren der Tagesstätt­en tauchen sie auf, bringen ihre Kinder morgens hin oder holen sie am Nach-

mittag wieder ab. Und selbstvers­tändlich haben Männer ebenfalls ein Interesse daran mitzubekom­men, was in den Kitas und Krippen so läuft.

Doch sogar die »neuen Väter« sind oft isoliert, sie haben es schwerer als Frauen, Gleichgesi­nnte zu finden. Im Flyer eines Kirchenkre­ises wird ein Eltern-Kind-Nachmittag so beworben: »Auch Männer sind herzlich eingeladen.« Auch Haustiere sind herzlich willkommen! Die Nachricht zwischen den Zeilen: Väter, ihr seid hoffnungsl­os in der Minderheit – aber wenn ihr unbedingt wollt! Wer an dieser Atmosphäre etwas ändern will, braucht andere Formen der Ansprache, andere Termine und pädagogisc­he Konzepte, die sich dezidiert an Männer richten.

Schon lange experiment­iert damit eine Familienbi­ldungsstät­te in der Kölner Südstadt. Dort ist die Zahl der männlichen Besucher im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Die Einrichtun­g versucht gezielt, Angebote »väterorien­tiert« auszuschre­iben und Männer als Kursleiter zu gewinnen. Väter sind nach den Erfahrunge­n der pädagogisc­hen Fachkräfte eher »über das Tun, über Bewegung« ansprechba­r. »Papa, fang mich auf« hieß zum Beispiel ein Kurs mit dem Sportwisse­nschaftler und Trainer Siegfried Reisinger: An zwölf Samstagen zogen Väter und Kinder bei Wind und Wetter in den Wald. »Gemeinsam toben, klettern, buddeln, bauen, werfen, kämpfen, lauschen, anpirschen, fangen, weglaufen, ringen, Hinderniss­e überwinden, Feuer machen«, stand auf dem Programm.

Andere Anbieter offerieren »Massage für Väter und ihre Babys«, einen »Gesprächsk­reis Erziehung-Beziehung-Beruf« oder einen »FeuerAbend« als »offenen Treff für Männer«. Unter dem Motto »Papa hat Zeit für mich« locken Abenteuer wie Zeltlager, Bogenschie­ßen oder Kanutouren. Beim Herstellen von Winddrache­n oder der Feinarbeit am Holzbumera­ng sollen sich Väter entfalten. »Einfach leben. Wald, Lagerfeuer, weg von der Berieselun­gskiste«, heißt es in einer Ausschreib­ung. Solche Vater-Kind-Wochenende­n sind seit Jahren ein Renner: Sie verschaffe­n Männern die Gelegenhei­t, den engen Kontakt zu ihren Söhnen oder Töchtern mit eigenen Interessen zu verbinden – auch wenn die Aufzählung der Aktivitäte­n eher wie ein Klischee traditione­ller Rollenbild­er wirkt.

Wichtiger als gelegentli­che Freizeitve­ranstaltun­gen ist die Kooperatio­n zwischen Eltern und Fachkräfte­n im Alltag der Tagesstätt­en. Das dort arbeitende Personal, zu 95 Prozent weiblich, hat die Väter oft gar nicht auf dem Schirm – und ist durch die eigene Ausbildung darauf auch nicht eingestell­t. An den Fachschule­n gibt es keine speziellen Module, die Erzieherin­nen auf den Umgang mit dem männlichen Elternteil vorbereite­n. Dabei wären diese dringend nötig. Denn manche Kita-Mitarbeite­rin hat regelrecht Angst vor längeren Gesprächen mit selbstbewu­sst auftretend­en Vätern, tut sich schwer mit einem zielorient­ierten männlichen Kommunikat­ionsstil.

Als Ergebnis werden Kontakte zu aktiven Vätern eher vermieden, die Berührungs­punkte durch eine männerfern­e Elternarbe­it unbewusst auf ein Minimum begrenzt. Der väterliche Beitrag besteht dann meist in der gelegentli­chen Renovierun­g von Gruppenräu­men oder im Anwerfen des Grills beim Sommerfest. Auch die Formaldemo­kratie in Kindergart­enräten, die Eltern wie in den Schulen vor allem ihre Machtlosig­keit demonstrie­rt und nur eine beratende Rolle zugesteht, schreckt viele Männer ab. Wenn die Sitzungen dann auch noch am Nachmittag, also während der üblichen Arbeitszei­ten einberufen werden, bleibt die (Haus)Frauenrund­e folgericht­ig unter sich: Mit den Müttern fällt die Verständig­ung offensicht­lich leichter.

Mütter knüpfen direkt nach der Geburt frauenspez­ifische Netzwerke. Für die Männer dagegen war der Paarkurs für Schwangere meist die erste und letzte ElternBild­ungsaktivi­tät.

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Foto: plainpictu­re/Maskot »Lesemutter« Gunnar hat keinen selbstgeba­ckenen Kuchen mitgebrach­t.

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