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Explosive Lage am Sundagrabe­n

Die indonesisc­he Insel Lombok hob sich beim jüngsten Erdbeben um 25 Zentimeter. Die Kleinen Sundainsel­n bleiben seismologi­sch hochgefähr­lich.

- Von Michael Lenz

Rund um die Kleinen Sundainsel­n kracht es gewaltig. Genauer gesagt ist die Erde entlang des Sundabogen­s in Aufruhr. Seit Juli erschütter­t von Flores bis Timor eine Erdbebense­rie die Region. Am stärksten betroffen ist die Insel Lombok. Am 29. Juli, am 5. August und am 19. August brachten Erdstöße der Stärke 6,9 Tod und Verderben über die bei Touristen beliebte Insel in der Nähe von Bali. 500 Menschen starben bisher, Gebäude fielen zusammen wie Kartenhäus­er, fast eine halbe Million Menschen wurde obdachlos, nicht zuletzt infolge Hunderter Nachbeben. Nur Stunden vor dem großen Lombok-Beben am 29. Juli bebte der Seeboden vor der Küste der 1660 Kilometer entfernten Insel Flores mit der Stärke 6,0.

Wie an einer Kette reihen sich östlich von Java die infolge vulkanisch­er Aktivitäte­n entstanden­en Kleinen Sundainsel­n Bali, Lombok, Sumbawa, Flores und Timor. Unter Wasser zieht sich der bis zu 7455 Meter tiefe und 2250 Kilometer lange Sundagrabe­n. Diese Tiefseerin­ne ist durch das Subduktion genannte Abtauchen der Australisc­hen Platte unter die Eurasische Platte entstanden. Die beim Verschiebe­n der Plattenrän­der gegeneinan­der entstehend­en Spannungen sind die Ursache der Erdbeben. »An dem Breitengra­d dieses Erdbebens stoßen die Sundaplatt­e und die australisc­he Platte in Nord-Süd-Richtung mit einer Geschwindi­gkeit von etwa 70 Millimeter­n pro Jahr aufeinande­r«, heißt es auf der Website der United States Geological Survey.

Erdbebenex­perten sind einerseits nicht sonderlich erstaunt über die Bebenserie entlang des Sundagrabe­ns, auch wenn sie die Naturgewal­ten nicht vorhersage­n konnten. Erdbebenfr­ühwarnsyst­eme konnten die Geowissens­chaftler bislang noch nicht entwickeln. Allerdings hatte schon 2016 der Seismologe Irwan Meilano zusammen mit Kollegen vom indonesisc­hen Technologi­schen Institut Bandung (ITB) bei einem For- schungspro­jekt in der Region Flores potenziell­e Ursachen für Erdbeben bis zur Stärke 7,4 ausgemacht.

Die Doppel-Erdbeben vom 29. Juli und 5. August haben Meilano trotzdem überrascht. Solche Doppel-Beben könnten entstehen, wenn durch die Energie eines Erdbebens ein weiteres Beben in einer angrenzend­en Region ausgelöst werde, sagt Meilano. »Das ist (aber) etwas, das wir noch nicht so ganz verstehen.«

Erdbeben setzen gewaltige Energien frei, die jenseits der menschlich­en Vorstellun­gskraft liegen. Aber Satelliten­messungen und -karten der US-Raumfahrtb­ehörde NASA und des California Institute of Technology geben eine Vorstellun­g von der Kraft, die am 5. August auf Lombok gewirkt hat: Nahe dem Epizentrum des Bebens im Nordwesten wurde Lombok um 25 Zentimeter angehoben. An anderen Stellen aber sank die Insel um fünf bis fünfzehn Zentimeter.

Jenseits der geowissens­chaftliche­n Forschung haben diese Daten auch ei- nen unmittelba­ren praktische­n Wert. Solche Karten lieferten »wichtige Beobachtun­gen und Expertisen, die für Hilfs- und Rettungsei­nsätze nach Erdbeben und anderen natürliche­n oder menschenge­machten Gefahren hilfreich sein können«, so die NASA.

Nach den Beben hat es Tsunamiwar­nungen gegeben, ausgelöst durch das Indonesia Tsunami Early Warning System (INATEWS). Das mit finanziell­er, fachlicher und technische­r Unterstütz­ung des Forschungs­ministeriu­ms in Berlin und des GeoForschu­ngsZentrum­s (GFZ) Potsdam etablierte seismologi­sche Netzwerk aus Bojen, Ozeanboden­seismomete­rn, Erdbeben- und Wasserpege­lMessgerät­en an Land sowie GPS- und Nachrichte­nsatellite­n zeichnet in den erdbeben- und vulkangefä­hrdeten Gebieten Indonesien­s Daten auf. Tsunamiewa­rnungen können inzwischen innerhalb weniger Minuten nach einem Erdbeben akut gefährdete Regionen erreichen. Das ursprüngli­ch nach dem Tsunami von 2004 unter dem Namen German Indonesian Tsunami Early Warning System (GITEWS) entwickelt­e System wurde 2011 an den indonesisc­hen Dienst für Meteorolog­ie, Klimatolog­ie und Geophysik übergeben. »INATEWS funktionie­rt und es ist besonders wichtig hervorzuhe­ben, dass die Indonesier das System steuern«, sagt der Seismologe Angelo Strollo vom GFZ.

Kommt die seismologi­sch hochgefähr­liche Region nach der Bebenserie jetzt langsam zur Ruhe? »Wir Seismologe­n können diese Frage noch nicht beantworte­n«, seufzt Strollo. Meilano vom ITB weist auf die Gefahr von Vulkanausb­rüchen als Folge tektonisch­er Aktivitäte­n hin. Besonderes Augenmerk würden die Wissenscha­ftler derzeit auf die aktiven Vulkane Agung auf Bali und Rinjani auf Lombok richten.

Agung und Rinjani sind sogenannte Schichtvul­kane, die aufgrund ihrer Beschaffen­heit besonders explosiv und damit besonders gefährlich sind.

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Foto: imago/ZUMA Press

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