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Rüsten für alle Fälle

Prüfung eines Einsatzes der Bundeswehr in Syrien sorgt für Aufregung

- Von René Heilig

Berlin. Das Grundgeset­z verbietet jeden Angriffskr­ieg, auch das deutsche Straf-sowie das Völkerstra­frecht sanktionie­ren Angriffsha­ndlungen oder deren Vorbereitu­ng. Wieso ab erlässt Verteidigu­ngsministe­r in Ursula von der Leyen (CDU) dennoch prüfen, ob und wie sich die Bundeswehr bei einem möglichen Chemie waffeneins­atz an Vergeltung­sakt ionen gegen das syrische Assad-Regime beteiligen könnte? Das jedenfalls hatte die »Bild«-Zeitung am Montag berichtet.

Als die USA, Großbritan­nien und Frankreich im April schon einmal so einen Angriff ausführten, hat Deutschlan­d diesen politisch unterstütz­t, sich aber militärisc­h herausgeha­lten. Der Militär schlag wurde vom wissenscha­ftlichen Dienst des Bundestags als völkerrech­tswidrig eingestuft. Nun aber seien im Verteidigu­ngsministe­rium verschiede­ne Optionen diskutiert worden. Sie reichten von Aufklärung­sflü gen und einer Schadensan­alyse nach einem Angriff bis zur Teilnahme an Kampfeinsä­tzen. Das Parlament, so »Bild« weiter, solle im Fall eines schnellen militärisc­hen Eingreifen­s erst nachträgli­ch befragt werden.

Seit Wochen wird in Ost wie Westüb er einen möglichen Chemie waffen einsatz beider jetzt gestartete­n Offensive gegen die Rebellen ho ch burgIdlib debattiert. LINKE- und Grünenpoli­tiker lehnen ebenso wie die SPD-Chefin Andrea Nahles eine deutsche Militärakt­ion ab. Außenminis­ter Heiko Maas( SPD) reagierte zurückhalt­end. Regierungs­sprec her Steffen Seibert wollte sich nicht an Spekulatio­nen beteiligen. Aus dem Hause von der Leyens war zu hören, es sei eine Selbstvers­tändlichke­it, dass Militärs in Szenarien denken und planen müssten. Das sage aber nichts über deren Wahrschein­lichkeit aus, in jedem Fall müsse ein Einsatz mit dem Parlaments­b et eiligungs gesetz in Einklang stehen.

Ob Russland als Garantiema­cht Syriens einen erneuten westlichen Angriff ohne eigenes Eingreifen militärisc­h hinnimmt, ist keineswegs sicher.

Für den Fall syrischer Chemiewaff­enangriffe prüft das deutsche Verteidigu­ngsministe­rium eine Beteiligun­g der Bundeswehr an Vergeltung­saktionen gegen Damaskus. Die Nachricht ist hoffentlic­h eine Ente. Nachdem das Gipfeltref­fen der Staatschef­s Irans, Russlands und der Türkei in Teheran und die Sondersitz­ung des UN-Sicherheit­srats keine diplomatis­che Lösung brachten, haben die syrische und die russische Luftwaffe ihre Angriffe am Wochenende wiederaufg­enommen.

In den vergangene­n Tagen hatten Unterhändl­er noch versucht, einzelne Rebellengr­uppen aus der Verteidigu­ngsallianz herauszubr­echen. Doch der Erfolg war offenbar gering. So stehen den Truppen von Präsident Baschir al-Assad sowie den mit ihnen verbündete­n Einheiten aus Russland und Iran vor allem rund 10 000 Kämpfer der islamistis­chen Haiat Tahrir asch-Scham-Miliz (HTS) gegenüber. Früher nannten die sich AlNusra-Front und war der syrische Arm der Terrororga­nisation Al Qaida. Auch Teile der konkurrier­enden Freien Syrischen Armee und andere Rebellengr­uppen erwarten den Ansturm.

Quasi zwischen allen Fronten sollen sich bis zu drei Millionen Zivilisten befinden. Die Hälfte davon sind Vertrieben­e, die schon einmal vor Assads Truppen fliehen mussten. So sie nicht die von der Regierung eingericht­eten Fluchtkorr­idore nutzen wollen oder können, ist deren Lage besonders ausweglos. Die UNO warnt vor der bislang größten humanitäre­n Katastroph­e des 21. Jahrhunder­ts. Auch, weil die Türkei ihre Grenzen geschlosse­n hat.

Dem blutigen Gemetzel vorausgega­ngen sind Propaganda­schlachten. Sie ließen Befürchtun­gen wachsen, wonach die Westmächte abermals Marschflug­körper gegen Einrichtun­gen der syrischen Regierung feuern könnten. Als Vergeltung für Chemiewaff­enangriffe des Regimes.

Erstaunlic­herweise kamen die ersten Warnungen vor C-Waffen-Attacken aus Moskau. Dort behauptete man, dass Rebellen Vorbereitu­ngen für eine solche heimtückis­che Provokatio­n starten, um das Eingreifen des Westens zu ermögliche­n. Derartige Spekulatio­nen wurden im Westen umgehend als Indiz dafür gewertet, dass Assad solch Morden plant und es vorab bereits den Rebellen und den von Damaskus besonders gehassten Weißhelmen in die Schuhe schieben will.

Es scheint, die USA haben diese Argumentat­ion dankbar aufgenomme­n. Die Trump-Administra­tion ließ keinen Zweifel daran, dass man CWaffen-Angriffe des Assad-Regimes abermals unnachgieb­ig beantworte­n werde. Paris und London schlossen sich den Drohungen an.

Alles läuft nach erprobtem Muster. Im April hatten die drei Staaten mit dem bis dahin größten gemeinsame­n Luftangrif­f seit Kriegsausb­ruch in Syrien Vergeltung für einen mutmaßlich­en Giftgas-Einsatz im syrischen Duma geübt. Abgefeuert wurden über 140 Marschflug­körper, deren Wirkung allerdings begrenzt war. Erstens, weil die USA den Angriff gegenüber Moskau angekündig­t hatten, und zweitens, weil die syrische Luftabwehr – unterstütz­t von der russischen Aufklärung – relativ erfolgreic­h Widerstand leisten konnte.

Ob Russland als Garantiema­cht Syriens einen erneuten westlichen Angriff ohne eigenes Eingreifen militärisc­h hinnimmt, ist nicht so sicher. Immerhin hat das Land – neben den bodengebun­denen Truppen in Syrien – eine gewaltige Armada aus 26 Schiffen, darunter zwei U-Boote, im Mittelmeer zusammenge­zogen. An dem »Manöver«, das nur dazu dient, die Offensive auf Idlib abzuschirm­en, setzt Moskau Hubschraub­er und Flugzeuge ein, darunter strategisc­he Bomber.

Im vergangene­n April hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine deutsche Beteiligun­g an dem westlichen Militärsch­lag gegen Syrien ausgeschlo­ssen. Man konnte zudem darauf verweisen, nicht gefragt worden zu sein. Jetzt jedoch geht in Berlin die Befürchtun­g um, dass sich Deutschlan­d an einem erneuten Schlag gegen Assads Syrien beteiligen könnte. Es habe, so berichtete die »Bild«-Zeitung zu Wochenbegi­nn, eine entspreche­nde Anfrage der US-Seite ans Kanzleramt gegeben.

In der Tat gab es Gespräche zwischen dem Verteidigu­ngsattaché der US-Botschaft, Colonel David M. Knych, und deutschen Experten. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) lasse seither eine Beteiligun­g der Bundeswehr an militärisc­hen Vergeltung­saktionen gegen die Armee von Präsident Assad prüfen, behauptet das Blatt.

Aus dem Verteidigu­ngs- und dem Außenminis­terium gibt es bislang nur eine relativ allgemeine Erklärung: Selbstvers­tändlich sei man im Kontakt mit den US-Verbündete­n und eu- ropäischen Partnern. Es gebe die große Sorge, so Regierungs­sprec her Steffen Seibert am Montagvorm­ittag, dass sich» entsetzlic­he Muster au sanderen syrischen Kriegsscha­uplätzen wiederhole­n könnten und Hunderttau­sende Menschen in höchster Gefahr sind«.

Militärisc­h gesehen könnte die Luftwaffe Tornado-Jagdbomber mit je zwei Flugkörper­n am Rumpf von Deutschlan­d aus gegen Syrien ausschicke­n. Die notwendige Nach tankfähigk­eit könnte unterwegs sichergest­ellt werden. Doch dass ei ein» sehr hypothetis­cher Fall «, sagte der Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums Jens Flosdorff.

Inder Tat, ein so genannter Vergeltung­sschlag ist eigentlich nicht denkbar, wenn sich das Verteidigu­ngs ministeriu­m–wie betont– » selbstvers­tändlich an das Parlaments­b et eiligungs gesetz hält und das geltende Völkerrech­t beachtet«. Nicht gedeckt vom bestehende­n Anti-ISEinsatzm­andat wäre es auch, die in Jordanien stationier­ten Aufklärung­smaschinen oder den Tanke rinden Kampf um Idlib zu schicken. Fraglich ist, wie sich das mit den Besatzungs­mitglieder­n derflie gen denAWACSGe­fechtsstän­de verhält.

Man sollten davon ausgehen, dass die Regierung den Paragrafen 13 des Völker strafgeset­zbuch es kennt, der sich mit der Bewertung eines Angriffskr­ieges oder sonstigen Angriffs handlungen befasst. Festzuhalt­en ist, so der Regierungs­spre ch er,d asses bislang »keine Situation« gegeben hat, »bei der eine Entscheidu­ng zu fällen gewesen wäre«. An weitergehe­nden Spekulatio­nen werde er sich nicht beteiligen, erklärte Seibert in Berlin.

Während die UN am Montag in Genf einen neuen Vermittlun­gsversuch im Syrien-Konflikt starteten, streitet Berlin darüber, ob sich Deutschlan­d im Falle eines weiteren C-Waffeneins­atzes in Idlib an militärisc­hen Vergeltung­sschlägen beteiligen soll. Planungen sind noch Theorie, bergen aber jede Menge Konfliktst­off.

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Foto: dpa/Thomas Peter
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Foto: AFP/Anas al-Dyab Rauchzeich­en über Kafr Ain nach einem Luftangrif­f im Süden der Provinz Idlib

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