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Angst vor rechter Vereinnahm­ung

Demonstrat­ionen nach Todesfall in Köthen / Bundesregi­erung empört über Sprechchör­e von Neonazis

- Von Stefan Otto

Vertreter der demokratis­chen Parteien rufen zur Besonnenhe­it in Köthen auf. Sie fürchten, dass der Tod eines 22-Jährigen erneut für rechte Stimmungsm­ache genutzt werden kann. Die sachsen-anhaltisch­e Stadt Köthen kommt nach dem Tod eines 22-Jährigen nicht zur Ruhe. Auch für Montagaben­d meldete die AfD eine Demonstrat­ion an. Erst am Vorabend fand ein spontaner Marsch statt, an dem rund 2500 Menschen teilnahmen – darunter viele Neonazis, die für eine aggressive Stimmung sorgten. »Auge um Auge«, »Zahn um Zahn« und »Wir sind das Volk« erschallte es aus ihrem rund 500 Menschen umfassende­n Kreis. An der Demonstrat­ion nahmen aber auch Familien mit Kindern teil, die ihre Trauer zum Ausdruck bringen wollten. Zuvor kamen in Köthen rund 220 Menschen zu einer lin- ken Gegenkundg­ebung zusammen. Die Teilnehmer zeigten sich besorgt darüber, dass sich die Stimmung so aufladen könnte wie zuletzt in Chemnitz und auch dieser Todesfall von Rechtsradi­kalen instrument­alisiert werden könnte. Kurzfristi­g organisier­te die Evangelisc­he Kirche auch eine Traueranda­cht in der St. Jakobskirc­he, an der am frühen Sonntagabe­nd einige Hundert Menschen teilnahmen.

Was am Tatort in der Nacht zu Sonntag geschah, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Vier Männer gerieten auf einem Spielplatz aneinander. Einer von ihnen starb daraufhin. Anfangs gab es die Vermutung, dass er durch Schläge umkam, weil er eine Kopfverlet­zung hatte. Doch die Obduktion ergab, dass er einem Herzinfark­t erlag und bereits eine schwerwieg­ende Vorerkrank­ung hatte. Viel mehr ist nicht bekannt. Ermittler wie Behörden machten darüber bis Montagaben­d keine Angaben. Die Tat sei noch keine 48 Stunden her und man sei mitten in den Ermittlung­en, sagte der Leitende Oberstaats­anwalt aus DessauRoßl­au, Horst Nopens. »Wir können nur wiedergebe­n, was wir sicher wissen.«

Brisant ist der Fall vor allem deshalb, weil zwei der beteiligte­n Männer Asylbewerb­er aus Afghanista­n sind, das Opfer und eine weitere Person sind Deutsche. Damit drängen sich Parallelen zu dem Todesfall in Chemnitz auf, der seit zwei Wochen die Republik in Atem hält – und sich offen- bar zu einer handfesten Regierungs­krise auswächst, weil der Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen die äußerst aggressive­n rechten Demonstrat­ionen anders einschätzt als Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Doch die tödliche Auseinande­rsetzung von Köthen hat einen anderen Hergang sowie womöglich andere Motive und wird daher auch juristisch anders zu bewerten sein. Die beiden 18 und 20 Jahre alten Afghanen sitzen derzeit wegen des Verdachts der Körperverl­etzung mit Todesfolge in Untersuchu­ngshaft.

Die Bundesregi­erung bekundete ihre Anteilnahm­e. An erster Stelle stünden Trauer und Betroffenh­eit über den Tod des jungen Mannes, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Dass es am Ende des Tages in Köthen zu offen nationalso­zialistisc­hen Sprechchör­en gekommen sei, »auch das muss uns betroffen machen und muss uns empören«.

»Auge um Auge«, »Zahn um Zahn«, erschallte es aus einem 500 Personen umfassende­n Kreis von Rechtsradi­kalen.

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