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Neuer Anlauf in Genf

Vermittlun­gsversuch der UN und Angriffe in Idlib

- Von Olaf Standke

Es sind erst einmal vertraulic­he Gespräche, mit denen der UNSonderge­sandte Staffan de Mistura in Genf unter der Ägide der Vereinten Nationen erneut den politische­n Befreiungs­schlag im Syrien-Krieg versuchen will. Am Montag traf er sich hinter verschloss­enen Türen in Einzelgesp­rächen mit Vertretern Russlands, Irans und der Türkei, die auf einem eigenen Syrien-Gipfel vergangene­n Freitag allerdings zu keiner Einigung für konkrete Lösungen angesichts der akuten Gefährdung Hunderttau­sender Zivilisten in der umkämpften Provinz Idlib gefunden haben. In einer vage gehaltene Erklärung der Präsidente­n Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und Hassan Ruhani hieß es lediglich, man sei weiterhin entschloss­en, die Bevölkerun­g zu schützen und die humanitäre Situation zu verbessern. Zugleich wolle man gemeinsam die Operatione­n gegen Terroriste­n fortsetzen, die mit Al Qaida oder der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) verbunden seien. Im Kampf gegen den Terror solle jedoch zwischen Extremiste­n und anderen Opposition­sgruppen unterschie­den werden.

De Mistura will nun aber nicht nur Idlib zum Thema machen, sondern drängt auf die Bildung einer verfassung­sgebenden Versammlun­g für Syrien – in der Hoffnung, damit ein Fundament für neue Friedensge­spräche zu legen. Am Dienstag sollen alle Delegation­en gemeinsam am Tisch sitzen, Ende der Woche dann Treffen mit Vertretern mehrerer westlicher und arabischer Staaten, darunter auch Deutschlan­ds.

Doch schon jetzt werden die Gespräche von der drohenden Militäroff­ensive der syrischen Armee auf die letzte von Rebellen gehaltene Stadt und Region Idlib überschatt­et. Fast die Hälfte der dort lebenden etwa drei Millionen Menschen wurde schon mindestens einmal vertrieben. Auch am Montag gab es wieder eindringli­che Warnungen vor den verheerend­en humanitäre­n Folgen einer drohenden finalen Schlacht in Syrien. Am Wochenende trafen nach Angaben von Aktivisten über 150 Bombenangr­iffe den Süden der Provinz Idlib und den Norden der angrenzend­en Region Hama. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Angaben nur schwer, was auch mit Blick auf befürchtet­e Chemiewaff­eneinsätze ein Problem ist. Für diesen Fall bereite man erneut militärisc­hen Optionen vor, warnte US-Generalsta­bschef Joseph Dunford jetzt nachdrückl­ich.

Am Montag habe die syrische Armee erneut Ziele in der Rebellenho­chburg beschossen, so Rettungshe­lfer der umstritten­en Weißhelme. Das Artillerie­feuer zielte auf Gebiete im Nordwesten. Sechs Menschen seien dabei verletzt worden, als Granaten neben einer Schule nahe dem Ort Dschardsch­anas einschluge­n. De Mistura hatte schon am Wochenende im UN-Sicherheit­srat einen Plan für den Rückzug von Rebellen aus bewohnten Gebieten in Idlib vorgelegt. Bewaffnete Islamisten sollten in einem bestimmten Zeitraum unbehellig­t abziehen dürfen. Doch auch da dominiert erhebliche Skepsis, denn eine Verständig­ung mit der syrischen Führung gab es über diese Idee bislang nicht. Ganz davon zu schweigen, dass völlig unklar ist, wohin die Dschihadis­ten ziehen sollen. In Moskau geht man insgesamt von 40 bis 45 bewaffnete Gruppen mit bis zu 50 000 aktiven Mitglieder­n aus.

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