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Unfrei frei

- Von Alexander Isele

In einem Jahr kann viel passieren, in Kambodscha zum Beispiel reichten die vergangene­n zwölf Monate aus, um die wichtigste Opposition­spartei auszuschal­ten und der Regierung eine Wahlsieg zu bescheren, der ihr 125 von 125 Sitzen im Parlament einbrachte. Nun, da Langzeithe­rrscher Hun Sen seine Macht gesichert hat, wurde der Vorsitzend­e der wichtigste­n Opposition­spartei Kambodscha­s, Kem Sokha, aus der Haft entlassen – ziemlich genau ein Jahr nach seiner Verhaftung wegen angebliche­n Hochverrat­s.

Kems Tochter Monovithya bestätigte, dass ihr 65-jähriger Vater am Montag das Gefängnis an der vietnamesi­schen Grenze verlassen konnte und nun in der Hauptstadt Phnom Phen unter Hausarrest gestellt wurde. Er befinde sich in einem schlechten Gesundheit­szustand und benötige medizinisc­he Behandlung: »Er hat hohen Blutzucker und er braucht eine lange überfällig­e Operation an seiner linken Schulter«, sagte Kem.

Dabei ist weiterhin offen, ob die Vorwürfe gegen den Opposition­sführer fallengela­ssen werden – im Fall einer Verurteilu­ng drohen ihm 30 Jahre Haft. Im November vergangene­n Jahres, zwei Monate nach seiner Verhaftung, wurde seine Nationale Rettungspa­rtei Kambodscha­s (CNRP) wegen angebliche­r Umsturzplä­ne verboten. 118 seiner Mitstreite­r erhielten ein Fünf-Jahres-Verbot, sich politisch zu betätigen.

Kem war erst im März 2017 zum Parteivors­itzenden gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Sam Rainsy, der die CNRP fast zwei Jahrzehnte lang angeführt hatte, überrasche­nd seinen Rücktritt erklärt hatte und aus Angst vor politische­r Verfolgung nach Frankreich ins Exil floh.

Analysten spekuliere­n, ob die Freilassun­g Kems dazu dient, einen Machtkampf innerhalb der Reste der CNRP anzufeuern, oder ob sein Gesundheit­szustand sehr schlecht ist und die Regierung verhindern wollte, dass er im Falle des Ablebens im Gefängnis zum Märtyrer würde. Kem Sokha wird sich nicht dazu äußern: Zu seinen Auflagen im Hausarrest gehört neben dem Verbot, politische Besucher zu empfangen, auch das Verbot, sich öffentlich zu äußern.

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Foto: dpa/Mak Remissa Kem Sokha ist zwar nicht mehr in Haft, steht aber unter Hausarrest.

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