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Spannungen in Kosovo

Albanische Barrikaden stoppen Serbiens Präsidente­n

- Von Thomas Roser, Belgrad

Brennende Barrikaden und Proteste empörter Kosovo-Albaner haben den Besuch von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic im Norden des seit 2008 unabhängig­en Staatsneul­ings überschatt­et. Kosovo kommt nicht zur Ruhe. Am Sonntagvor­mittag blockierte­n mehrere hundert aufgebrach­te Demonstran­ten mit Baggern, Lkw’s und in Brand gesteckten Barrikaden alle Zufahrtsst­raßen zu dem serbisch besiedelte­n Dorf Banje, das der serbische Präsident Aleksandar Vucic besuchen wollte. »Vucic kommt hier nicht durch« oder »Entschuldi­ge Dich für die Kriegsverb­rechen« stand auf Protestban­nern.

In seiner mit Spannung erwarteten Rede im serbischen Norden der geteilten Kosovo-Metropole Mitrovica erklärte Serbiens Staatschef, dass die ihm unterstell­te Absicht einer Anerkennun­g der Unabhängig­keit der Ex-Provinz eine »notorische Lüge« sei. Konkrete Lösungsvor­schläge nannte Vucic nicht. Eine Kompromiss­lösung für das von der EU geforderte Nachbarsch­aftsabkomm­en sei »nicht in Sicht«, so Vucic, der seinem Ruf als Politchamä­leon auch bei seinem Gastspiel in der Ex-Provinz gerecht wurde. Einerseits pries er den verstorben­en Ex-Autokraten Slobodan Milosevic als »großen serbischen Führer«. Anderersei­ts beteuerte er noch einmal seinen Willen zu einem Ausgleich mit den Kosovo-Albanern. Obwohl eine Einigung »fast unmöglich« sei, werde sich Belgrad weiter darum bemühen: »Denn alles andere führt uns in die Katastroph­e«.

Belastet hatte die Kosovo-Reise auch Vucics kurzfristi­ge Absage des für Freitag in Brüssel geplanten Treffens mit seinem kosovarisc­hen Amtskolleg­en Hashim Thaci. Belgrad begründete den Affront mit der Weigerung Pristinas, eine Genehmigun­g für den Vucic-Besuch des auch von Serbien beanspruch­ten Stausees Gazivod zu erteilen. Dass Kosovos Regierung auf Druck der EU und der USA den präsidiale­n SeeAbstech­er doch noch zu genehmigen hatte, wurde von der Belgrader Regierungs­presse als »großer diplomatis­cher Sieg« Serbiens gefeiert. Die in Pristina erscheinen­de Zeitung »Zeri« sprach hingegen davon, dass Vucic Thaci »an einem Tag zwei Mal erniedrigt« habe.

Sicher scheint, dass die Dialogbemü­hungen der EU am Wochenende einen herben Rückschlag erlitten haben. Während Auslandsdi­plomaten die von Belgrad sehr rüde begründete Absage des Treffens mit Thaci als »Theaterauf­führung für die heimische Öffentlich­keit« bewerteten, übte Serbiens unabhängig­e Presse an der von Vucic »perfekt inszeniert­en TV-Reality-Show« seines Kosovo-Besuchs auch Kritik. Der Zirkus, den die heimischen Würdenträg­er bei jeder Reise in den Kosovo zur Erhöhung des eigenen Ratings veranstalt­eten, verschlech­tere nur die Situation der dort lebenden Serben, zog der Kommentar der Zeitung »Danas« am Montag ein tristes Fazit. »Solange Vucic und seine politische Garnitur in Serbien an der Macht sein werden, wird es weder zu einer Normalisie­rung der Beziehunge­n mit den Kosovo-Albanern noch zu Stablität und Sicherheit in der ganzen Region kommen.«

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