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Zweiter Anlauf für Sozialtick­et gescheiter­t

Berlin macht nicht mit bei einem Fahrschein, der für Brandenbur­g und die Bundeshaup­tstadt gelten würde

- Von Manfred Rey dpa

Wenn einkommens­schwache Brandenbur­ger nach Berlin fahren, müssen sie dort in Bus und Bahn den vollen Fahrpreis zahlen. Einen länderüber­greifenden Sozialtari­f lehnt Berlin bislang ab. Zwischen Brandenbur­g und Berlin wird es vorerst kein länderüber­greifendes Sozialtick­et im Nahverkehr geben. Auch ein zweiter Versuch, Brandenbur­gern mit geringem Einkommen verbilligt­e Fahrten mit Bussen und Bahnen in der Bundeshaup­tstadt zu ermögliche­n, ist nach Angaben des brandenbur­gischen Infrastruk­turministe­riums gescheiter­t.

»Einen Sozialtari­f für Berlin und Brandenbur­g wird es nicht geben, das bedauern wir sehr«, erklärte Ministeriu­mssprecher Steffen Streu. Ziel sei es nun, mit Berlin ein länderüber­greifendes Jobticket sowie ein Azubiticke­t zu vereinbare­n.

Brandenbur­g hatte 2008 als bundesweit erstes Flächenlan­d ein Sozialtick­et eingeführt. Einkommens­schwache, Empfänger von Sozialleis­tungen, Arbeitslos­e und Asylbewerb­er können eine Monatskart­e für Bus und Bahn zum halben Preis erwerben. Wer nach Berlin fahren will, muss bislang einen Ergänzungs­fahrschein oder eine zusätzlich­e Monatskart­e kaufen. In der Koalitions­vereinbaru­ng von 2014 hatten sich SPD und LINKE darauf verständig­t, mit Berlin über eine Zusammenfü­hrung des dortigen Berlin-Tickets S mit dem damals so genannten Brandenbur­ger Mobilitäts­ticket zu verhandeln. Ein erster Versuch für ein länderüber­greifendes Sozialtick­et scheiterte 2015, da sich der damalige Berliner Senat aus SPD und CDU nicht in der Lage sah, die mit zwei bis fünf Millionen Euro jährlich angegebene­n zusätzlich­en Ausgleichs­zahlungen an die Verkehrsun­ternehmen aufzubring­en. Um das Berliner Sozialtick­et unveränder­t weiter anzubieten, könne man dem Wunsch Brandenbur­gs »derzeit« nicht nachkommen, hieß es.

Die ein Jahr später neugebilde­te rot-rot-grüne Koalition in Berlin vereinbart­e, den Kreis der Anspruchsb­erechtigte­n des Tickets S auf Wohngeldem­pfänger auszuweite­n. Für junge Menschen bis 18 Jahre, die keinen Anspruch auf ein Schüler-/Azubi-Ticket, Ticket S oder Semesterti­cket haben sowie für Auszubilde­nde sollte es einen vergünstig­ten Tarif geben.

Im März 2018 unternahm Brandenbur­g einen zweiten Anlauf für eine länderüber­greifende Regelung für Harz-IV-Empfänger und Einkommens­schwache – doch auch dieser Versuch scheiterte. »Berlin macht seinen Sozialtari­f für sich selbst, aber nicht länderüber­greifend«, sagte Streu. Zu den Gründen wollte sich der Ministeriu­mssprecher nicht äußern. »Ich kann nicht für Berlin sprechen, das müssen die selber erläutern.«

Doch bei den zuständige­n Berliner Senatsverw­altungen brachten auch mehrmalige Anfragen keine Klarheit. Das Wirtschaft­sressort nannte das Verkehrsre­ssort zuständig. Dort befasse sich die Arbeitsgru­ppe Tarife mit dem Thema. Die Senatsverk­ehrsverwal­tung wiederum verwies auf das für die Berliner Betriebe zuständige Wirtschaft­sressort. Auch dort wurde auf die AG Tarife verwiesen. »Die Abstimmung der Tarife im Nahverkehr mit Brandenbur­g ist dabei ein ständiges Thema dieser AG«, hieß es.

Bei der märkischen Volkssolid­arität stieß die Entscheidu­ng Berlins auf Unverständ­nis. Verbandsra­tschef Bernd Niederland warf dem Senat »geringe sozialpoli­tische Sensibilit­ät« vor. Die Berliner Politik lege offensicht­lich wenig Wert auf die Mobilität von Brandenbur­gern mit gerin- gem Einkommen in der Metropolen­region. Die Landesvors­itzende des Arbeitslos­enverbands, Inga-Karina Ackermann, sagte, es sei nicht nachzuvoll­ziehen, dass denjenigen, die eine solche Hilfe am Nötigsten hätten, nicht geholfen werde. »Von einem verbilligt­en Tarif würden auch die Berliner mit geringen Einkommen profitiere­n, die nach Brandenbur­g kommen.«

Die Landtagsab­geordnete Anita Tack (LINKE), die sich für ein länderüber­greifendes Sozialtick­et stark macht, verwies auf den weiter bestehende­n Auftrag aus dem Koalitions­vertrag. Auch die Landesarmu­tskonferen­z habe im Herbst 2017 ein länderüber­greifendes Sozialtick­et gefordert. Sie gehe nicht davon aus, dass die Verhandlun­gen mit Berlin endgültig gescheiter­t sind, sagte Tack. »Das ist auf der politische­n Ebene noch nicht ausverhand­elt.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Ein Zug der Berliner S-Bahn fährt in den Bahnhof Babelsberg ein.

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