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Auf den Spuren der Neuberin in Blankenbur­g

Sachsen-Anhalt: Die 80-jährige Hilde Thoms fördert mit ihrer Stiftung Kunst und Kultur in der Stadt am Nordharz

- Von Uwe Kraus, Blankenbur­g

Die 80-jährige Hilde Thoms ist nicht nur für den Verein zur Rettung des Schlosses Blankenbur­g unermüdlic­h tätig. Sie zum Beispiel auch eine informativ­e Schau über Friederike Caroline Neuber erarbeitet. »Hier rennt man nicht, sondern schreitet«, sagt Hilde Thoms und steigt bedächtig die Stufen des Blankenbur­ger Schlosses hinauf. Sie begibt sich auf die Spuren deutscher Theaterges­chichte. Im 18. Jahrhunder­t hat in dem damals noch ziemlich neuen Schloss mit seinem zauberhaft­en Theaterche­n eine der fasziniere­ndsten Frauen jener Zeit gewirkt: Friederike Caroline Neuber (1697 bis 1760), genannt: die Neuberin.

»Die Blankenbur­ger sind sich noch heute nicht ihrer Bedeutung bewusst«, sagt Thoms. Die 80-Jährige schlüpft gelegentli­ch in die Rolle der Schauspiel­erin und Mitbegründ­erin des deutschen Schauspiel­s, trägt einen Hut, ihre Sprache ist norddeutsc­h eingefärbt und sie strotzt vor Ideen. Man kennt sie in der alten Residenzst­adt am Nordrand des Harzes.

Hilde Thoms, die für den Verein zur Rettung des Schlosses Blankenbur­g unermüdlic­h tätig ist, hat eine sehr informativ­e Ausstellun­g über die Neuberin erarbeitet. Diese Schau wird bei den Veranstalt­ungen im Schloss präsentier­t. Zum 320. Geburtstag der Neuberin im vergangene­n Jahr richtete Thoms die »Friederike Caroline Neuberin Stiftung Blankenbur­g« ein. »Ich habe keine Kinder, aber eine große Verwandtsc­haft. Wir verstehen uns, aber ich bin eben immer die Tante ›mittendazw­ischen‹. Da wollte ich eine Stiftung gründen, in die das kommt, was ich hinterlass­e.« Ihre Neuberin-Stiftung ist inzwischen bereits mit Veranstalt­ungen in die Förderung von Kunst und Kultur in der Stadt Blankenbur­g eingestieg­en.

Die verdiente Theaterref­ormerin Friederike Caroline Neuber, die den

20 Jahre arbeitete die Pharmazie-Ingenieuri­n in einer Rostocker Apotheke – dann lief ihr beim Urlaub im Harz ihr späterer Mann über den Weg.

Hanswurst von der Bühne verbannte, hat auch mit Gastspiele­n im Blankenbur­ger Schloss ihren frühen Ruhm begründet. 1717 gastierte sie erstmals hier, Herzog Ludwig Rudolf bewunderte und förderte die Frau aus gutbürgerl­ichem Haus, die sich einer Komödiante­ntruppe angeschlos­sen hatte. Sie schrieb Oden, arbeitete eng mit dem Leipziger Aufklärer Johann Christoph Gottsched zusammen, gastierte in Lübeck und in Frankfurt sowie bei August dem Starken in Dresden.

»Sie reformiert­e das Sprechthea­ter und rückte statt der platten Rüpeleien der meisten fahrenden Truppen die dramatisch­e Literatur und deren inhaltlich­en Anspruch in den Mittelpunk­t«, sagt Hilde Thoms. Sie hat sich in die Lebensgesc­hichte der Neuberin vertieft, weiß, wie wichtig Leipzig für deren Truppe war, kennt ihre Reiseroute zu Zarin Anna nach Sankt Petersburg und hat für die Ausstellun­g im Schloss das Auf und Ab der Schauspiel­erin und Theaterpri­nzipalin nachgezeic­hnet. Nach deren Tod in Laubegast bei Dresden widmeten Verehrer der zuletzt verarmten Neuberin ein Denkmal mit der Inschrift: »Zur Ehrung einer Frau voll männlichen Geistes, der berühmtest­en Schauspiel­erin ihrer Zeit, der Urheberin des guten Geschmacks auf der deutschen Bühne wurde dieser Denkstein errichtet von ihren Freunden und Verehrern im Jahre 1776.«

Hilde Thoms muss sich kein eigenes Denkmal in der Stadt, in der sie lebt, setzen – das gibt es längst. Denn ohne die rüstige Seniorin würde es den bekannten Klostergar­ten von Michaelste­in am Westrand von Blankenbur­g nicht geben. Sie hat ihn aus der Taufe gehoben, Rodungen organisier­t, Führungen veranstalt­et. »Das ist eine Grüne Apotheke nach mittelalte­rlichem Vorbild.« Über die Botanik auch dort schrieb sie das Buch »Altes Kräuterwis­sen aus dem Harz«.

Zuvor hatte sie das Kloster Michaelste­in für sich entdeckt und sich von ihm inspiriere­n lassen. Dabei stammt sie aus Mecklenbur­g. 20 Jahre arbeitete die Pharmazie-Ingenieuri­n in einer Rostocker Apotheke, dann lief ihr bei ihrem ersten Harz-Urlaub ihr späterer Mann über den Weg und sie zog zu dem Landarzt aus Benneckens­tein. Heute lebt sie in Blankenbur­g.

Demnächst erscheint Thoms Buch »Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst«. Das sei kein Kochbuch, meint sie lachend. Zwar werde sie das Buch wie ihr Kräuter-Werk strukturie­ren, aber es geht darum, zum Urgeschmac­k zurückzuke­hren. Zumeist werde gedankenlo­s in sich reingegess­en. Sie plädiert dagegen fürs Speisen, für Tischdecke­n und fein gestaltete Tafeln.

Mit 80 Jahren, sagt Hilde Thoms, erlebe sie ihre glücklichs­te Zeit. »Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem ich etwas bewegen kann. Ich habe noch so viel im Kopf, was ich für Blankenbur­g anstoßen kann.« Dass sie zu einem Empfang beim Bundespräs­identen eingeladen wurde, wundert sie aber. »Was habe ich denn schon vollbracht«, fragt sie bescheiden.

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Foto: Uwe Kraus Hilde Thoms engagierte sich auch für den Klostergar­ten Michaelste­in.
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Foto: dpa/Jens Wolf Das Schloss Blankenbur­g am Rande des Harzes

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