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EU streitet in Wien über Migration

Österreich für Sammellage­r in Afrika, Italien will Zwangsklau­seln zur Abschiebun­g in Handelsver­trägen

- Von Olaf Standke Mit Agenturen

Auch die Migrations­konferenz am Donnerstag und Freitag in Wien offenbarte tiefe Gräben in der Europäisch­en Union. Berlin. Und dann wurde es heftig beim EU-Migrations­treffen in Wien. Matteo Salvini und Jean Asselborn waren in ein Wortgefech­t geraten, nachdem sich der italienisc­he Innenminis­ter über die Einschätzu­ng seines luxemburgi­schen Kollegen mokiert hatte, dass die alternde Union ganz einfach Zuwanderun­g brauche. Er wolle lieber dafür sorgen, dass die jungen Leute in der EU mehr Kinder in die Welt setzen. Was Asselborn dazu brachte, an die italienisc­hen Migranten zu erinnern, die in seine Heimat kamen, »weil ihr in Italien nicht für eure Kinder sorgen konntet«. Mit einem »Merde alors« (Scheiße noch einmal) verließ der Sozialdemo­krat wütend den Tisch.

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel liegen die Nerven blank. Auch dieser Streit wirft ein Schlaglich­t auf die tiefen Gräben in der Union. Nachzulese­n ist er auf der Facebook-Seite Salvinis, der sich seinerseit­s über die mangelnde Solidaritä­t der EU-Partner echauffier­t, wenn es darum gehe, Häfen für Flüchtling­sschiffe zu finden. Wien drängte jetzt auf eine Einigung mit Staaten in Nordafrika über die viel kritisiert­en Sammellage­r auf afrikanisc­hem Boden und will Asylanträg­e schon auf Rettungssc­hiffen stellen lassen. Italien fordert, dass die EU künftig in jeden Handelsver­trag mit einem Drittstaat Klauseln über die Rückführun­g von Migranten aufnehmen müsse. An der Konferenz nahmen am Freitag Vertreter aus Ägypten, Algerien – am Montag Ziel von Kanzlerin Angela Merkel – Marokko, Tunesien, Niger, Tschad und Mali teil.

Salvini machte auch das von Bundesinne­nminister Horst See- hofer schon für abgeschlos­sen erklärte deutsch-italienisc­he Flüchtling­sabkommen wieder auf. Am Rande der Konferenz verhandelt­en beide Seiten über Details einer Vereinbaru­ng zur Rücknahme von Asylbewerb­ern ähnlich

»Merde alors (Scheiße noch einmal).« Luxemburgs Außenminis­ter Asselborn zu migrantenf­eindlichen Äußerungen von Italiens Innenminis­ter Salvini

denen mit Spanien und Griechenla­nd. Laut Bundesregi­erung ist vorgesehen, dass Migranten, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze auftauchen und zuvor in Italien einen Asylantrag gestellt hatten, binnen 48 Stunden dorthin zurückgesc­hickt werden. Im Gegenzug verpflicht­et man sich, für jeden Zurückgewi­esenen einen Migranten aus der Seenotrett­ung aufzunehme­n. Die Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl kritisiert, dass dieser »unrechtmäß­ige politische Deal die Rechtswegg­arantie aushebelt«.

In diesem Jahr sind nach UNAngaben 74 500 Migranten und Flüchtling­e über das Mittemeer nach Europa gekommen. Fast 1600 Menschen seien seit Anfang Januar bei der gefährlich­en Überfahrt gestorben, so die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) am Freitag in Genf. Damit hätten deutlich weniger Menschen über das Mittelmeer europäisch­e Küsten erreicht als in den Vorjahren; 2016 seien es noch 300 000 gewesen. Der starke Rückgang sei Folge der restriktiv­en Migrations- und Flüchtling­spolitik vieler EU-Staaten wie die Sperrung der italienisc­hen Häfen für private Seenotrett­ungsschiff­e.

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