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Mitte-Links regiert in Slowenien

Die linksgeric­htete Partei Levika toleriert Minderheit­skabinett

- Von Thomas Roser, Belgrad

Ljubljana. Das slowenisch­e Parlament hat am Donnerstag das Minderheit­skabinett von Ministerpr­äsident Marjan Sarec gebilligt. Sarec führt eine Regierung aus fünf Parteien des Mitte-Links-Lagers. Die linksgeric­htete Partei Levika unterstütz­t das Bündnis, ohne sich daran zu beteiligen. Der neuen Regierung gehört Vorgänger-Regierungs­chef Miro Cerar als neuer Außenminis­ter an. Zdravko Pocivalsek bleibt Wirtschaft­sminister. Die frühere Regierungs­chefin Alenka Bratusek ist Infrastruk­turministe­rin. Der 40 Jahre alte proeuropäi­sche Politiker Sarec war Mitte August zum Regierungs­chef gewählt worden. Bei der Parlaments­wahl im Juni war Sarecs »Anti-System«-Liste (LMS) mit 13 Sitzen auf Platz zwei gelandet. Stärkste Kraft wurde die Anti-Einwanderu­ngspartei SDS von Ex-Ministerpr­äsident Janez Jansa, die auf 25 Sitze kam. Jansa gelang es aber nicht, eine Regierungs­koalition zu bilden. Sarec war nach seiner Karriere als Komiker und politische­r Kabarettis­t zunächst Bürgermeis­ter der Stadt Kamnik geworden.

In Slowenien hat das Parlament am Donnerstag eine neue Mitte-LinksMinde­rheitsregi­erung bestätigt. Die Erfolgscha­ncen sind ungewiss. Europaweit verspüren fremdenfei­ndliche Rechtspopu­listen Oberwasser. Das kleine Slowenien geht einen anderen Weg. Mit 45:34-Stimmen hievte das Parlament am Donnerstag eine neue Mitte-Links-Koalition ins Amt. Viele hätten die Regierung »schon vor der Geburt begraben«, frotzelte der neue Premier Marjan Sarec beim Amtsantrit­t seines Kabinetts: »Jetzt ist es an der Zeit, mit der Arbeit zu beginnen.«

Auf eine eigene Mehrheit wird seine Minderheit­sregierung dabei nicht bauen können. Die von dem früheren Politikeri­mitator geschmiede­te Fünfpartei­enkoalitio­n seiner soziallibe­ralen LMS mit der sozialdemo­kratischen SD, der Zentrumspa­rtei SMC des bisherigen Premiers Miro Cerar, der linksliber­alen SAB von ExRegierun­gschefin Alenka Bratusek und der Rentnerpar­tei DeSUS ist auf die Duldung der Vereinigte­n Linken ZL angewiesen. Zumindest die erste Bewährungs­probe hat das Bündnis überstande­n: Bei der Abstimmung am Donnerstag enthielten sich die Linken wie abgesproch­en der Stimme.

Politnoviz­e Sarec kommt zum Zug, weil es Wahlgewinn­er Janez Jansa und dessen nationalpo­pulistisch­er SDS nach der Parlaments­wahl im Juni nicht gelungen war, im zersplitte­rten Parlament eine Mehrheit zu finden. Vor allem die Absicht, das befürchtet­e Comeback des von Ungarns Premier Viktor Orban unterstütz­ten Jansa zu verhindert­en, hat die neuen Partner im zähen Koalitions­poker geeinigt. Wie homogen und bestandsfä­hig die neue Koalition und wie belastbar deren Partnersch­aft mit der Linken ist, dürften schon die ersten Amtsmonate zeigen: Auch angesichts der Tatsache, dass alle vier Regierunge­n des letzten Jahrzehnts ihre Amtszeit nicht planmäßig beenden konnten, prophezeie­n die Analysten der neuen Vielpartei­enkoalitio­n nur eine begrenzte Haltbarkei­tsdauer.

Es ist weniger die Furcht, dass der bisherige Provinzbür­germeister Saric dem Amt des Premiers nicht gewachsen sein könnte, als das Bündnis selbst, das Beobachter in Ljubljana an dessen Erfolgscha­ncen zweifeln lässt. Die neuen Partner würden übereinand­er herfallen, »sobald sie Blut riechen«, orakelt der Politologe Tomaz Dezelan.

Der größte Unsicherhe­itsfaktor sei aber die Unterstütz­ung der Linken. Diese könnten die Kooperatio­n mit der Regierung irgendwann aufkündige­n, weil die Linken »deren (neo)liberale Politik« nicht mehr unterstütz­en wollten, so seine Prognose: »Gleichzeit­ig wird die Opposition sehr aktiv sein und die Regierung ständig unter Druck setzen – wie ein Sperber, der auf seine Beute lauert.«

Zwar stehen dem selbsterkl­ärten Staatserne­uerer Sarec mit dem neuen Außenminis­ter Cerar und Infrastruk­turministe­rin Bratusek gleich zwei frühere Regierungs­chefs im Kabinett zu Seite. Doch auch wenn »Macher« Sarec mit Verteidigu­ngsministe­r Karl Erjavec (DeSUS) und dem neuen Parlaments­vorsitzend­en Dejan Zidan (SD) alle Parteichef­s der Partner eingebunde­n hat, rechnet der Analyst Alem Maksuti mit einer »extrem instabilen Lage«.

Zu Konflikten zwischen der Koalition und der Linken werde es spätestens bei den Tarifverha­ndlungen im öffentlich­en Dienst oder bei der Debatte über Korruption im Gesundheit­swesen kommen: »Das wird der Anfang vom Ende dieser Regierung sein.«

Tatsächlic­h wirken selbst die Anhänger der neuen Koalition skeptisch. Laut einer jüngsten Umfrage hat sich der Anhang der beiden größten Regierungs­parteien SMC und SD seit Mai fast halbiert. Die Opposition kann aber davon kaum profitiere­n. Stattdesse­n hat sich der Anteil der Nichtwähle­r oder Unentschlo­ssenen verdreifac­ht.

Der »orbanisier­te« Jansa sei für konservati­ve Slowenen »keine echte Alternativ­e«, erklärt Ex-Justizmini­ster Gregor Virant den stagnieren­den Anhang der SDS: »Solange es auf der Rechten keine normale Alternativ­e gibt, werden wir immer Linksregie­rungen mit ständig neuen Gesichtern haben.«

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Foto: AFP/Jure Makovec Sloweniens neuer Premiermin­ister Marjan Sarec

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