»Ich werde mich den Behörden stellen«
Panos Moraitis ist Gründer der Flüchtlingshilfsorganisation ERCI, für die die Schwimmerin und Aktivistin Sarah Mardini auf Lesbos war. Am 21. August wurde sie festgenommen. Die Vorwürfe bezeichnet Moraitis als haltlos
Nach den Verhaftungen von Sarah Mardini, Sean Binder sowie zweier Vorstände der von Ihnen gegründeten Organisation Emergency Response Centre International (ERCI) erheben griechische Behörden schwere Vorwürfe. Wie lauten die? Der Organisation wird Schleuserei, Geldwäsche und die Führung eines kriminellen Netzwerkes vorgeworfen sowie dass sie sich unerlaubten Zugang zu Staatsgeheimnissen verschafft hätte.
Was wir tun: Wir führen eine NonProfit-Organisation, wir helfen Menschen, mit Freiwilligen aus aller Welt. Was Geldwäsche angeht: Alle Informationen über unsere Finanzen sind öffentlich und völlig transparent einsehbar auf unserer Webseite. Alles ist nach den griechischen Gesetzen bei den Behörden deklariert und versteuert, deshalb können wir die Anschuldigungen nicht nachvollziehen. Zum Vorwurf des Schleusertums: Es kam kein einziges Mal vor, dass Behörden uns mit Menschen auf dem Boot gestoppt haben. Uns wird vorgeworfen, dass wir Informationen gehabt haben, die wir nicht an die Behörden weitergegeben hätten. Wir können aber beweisen, dass wir jedes Mal die Informationen weitergegeben haben.
Sie überlegen, sich freiwillig zu stellen. Gibt es einen Haftbefehl gegen Sie?
Nein, aber es gibt viele Gerüchte, deshalb werde ich mich den Behörden stellen.
Das heißt also auch, dass Sie sich derzeit nicht verstecken?
Nein.
Glauben Sie, dass Sie es sind, den die Behörden wollen, und nicht Sarah Mardini und Sean Binder? Dafür habe ich keine Hinweise. Nach meinem Verständnis haben wir als Organisation nichts falsch gemacht und innerhalb der europäischen Rechtsstruktur operiert. Wir haben eng mit den griechischen Behörden zusammengearbeitet und sind völlig transparent. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso gegen mich vorgegangen werden sollte. Warum haben Sie ERCI gegründet? Ich wollte helfen. Die Situation im Dezember 2015 war für die vielen ankommenden Flüchtlingen sehr schlimm, viele Menschen ertranken.
Meine Frau war damals schwanger mit unsere Tochter, und als werdender Vater musste ich Bilder sehen, wie tote Babys an die Strände geschwemmt wurden. Da wusste ich, ich muss etwas tun. ERCI startete sehr klein, ein Boot, ein Fahrer, das war es. Wir hatten keinen Drei-Jahresplan, keine Gelder, wir wollten ein paar Monate helfen.
Dann ging es immer weiter, weil immer neue Menschen kamen?
Ja. Es ist dann gewachsen, wir bekamen Schnellboote, immer mehr Freiwillige kamen, um zu helfen. Daraus haben sich nach und nach Strukturen
Panos Moraitis gründete die Nichtregierungsorganisation ERCI, die vor der griechischen Insel Lesbos Flüchtlinge in Seenot rettete und ankommende Flüchtlinge versorgt. Die Organisation wird von griechischen Behörden der Schleuserei verdächtigt, zwei Vorstandsmitglieder sowie die freiwilligen Helfer Sarah Mardini und Sean Binder sind in Haft. Mit Moraitis sprach in Athen Johanna Treblin. entwickelt, ohne dass wir das selbst vorangetrieben hätten. Wir wurden immer effizienter im Helfen, deshalb haben wir immer weitergemacht.
Wie arbeitet ERCI? Geht ihr mit dem Boot aufs Meer und haltet Ausschau nach Ertrinkenden?
Am Anfang war das so, aber irgendwann fingen die Behörden an, uns daran zu hindern, so zu operieren. Also verschob sich unser Fokus darauf, am Strand mit trockener Kleidung, Decken und Ärzten zu warten und auf Booten ankommende Flüchtlinge zu versorgen.
Griechische Sicherheitskreise werfen ERCI aber nicht vor, dass die Organisation auf diese Weise Flüchtlingen hilft, sondern dass die Organisation eine »illegales Netzwerk« gegründet habe.
Davon ist mir nichts bekannt. Ich habe ERCI gegründet, bin aber nicht mehr in leitender Funktion. Ich habe ein Unternehmen, das sich mit der Sicherheit von Migranten beschäftigt. Aber das ist irrelevant, das steht in keiner Verbindung zu ERCI.
ASPIDA, aus dem Sie sich auch zurückgezogen haben.
Das stimmt, die Organisation und vor allem ich wurden in der griechischen Presse angegriffen, weshalb ich mich zum Schutz der Beschäftigten zurückgezogen habe. Das hat aber überhaupt gar nichts mit den Ermittlungen gegen ERCI zu tun, es gibt auch keine Anschuldigungen gegen ASPIDA.
Sie sind nicht mehr der Direktor von ERCI. Warum glauben Sie wird dann gegen Sie ermittelt?
Das wundert mich auch. Ich bin im September 2017 als Direktor zurückgetreten, ich finde es seltsam, dass die Behörden bezüglich eines Zeitraums gegen mich ermitteln, in dem ich gar keine Managementfunktion mehr hatte.
Wieso sind Sie nicht schon früher zu den Behörden gegangen? Erstens, weil ich keine Vorladung bekommen habe. Zweitens, als ich sah, wie Unschuldige ohne Beweise festgehalten werden, wollte ich mich unbedingt erst mit meinem Anwalt beraten, bevor ich mich stelle.
Unterstützt ERCI die mittlerweile vier Verhafteten?
Wir haben keinen direkten Kontakt zu ihnen, wir sind aber in Kontakt mit ihren Eltern und versuchen, ihre Familien so gut es geht zu unterstützen.
Glauben Sie, es steckt etwas anderes hinter den Vorwürfen?
Überall in Europa geht die Tendenz dahin, Seerettungen zu kriminalisieren. Wir sind nicht die erste Organisation, die angeklagt wird, weil sie auf Lesbos Menschen hilft. Wir haben drei Jahre lang sehr eng mit den Behörden zusammengearbeitet, umso mehr waren wir überrascht, als die Anschuldigungen gegen uns erhoben wurden. Ich hoffe, dass dieser Albtraum bald vorbei ist.