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Metro will Supermarkt­kette Real verkaufen

Handelskon­zern plant Abtrennung aller 34 000 Beschäftig­ten / Kritik von Mitarbeite­rn, ver.di und Linksparte­i

- Von Sebastian Bähr

Nach Tariffluch­t, Auslagerun­g und Lohnsenkun­g kommt die nächste Hiobsbotsc­haft für die Real-Beschäftig­ten. Der Metrokonze­rn kündigt die Veräußerun­g der Filialen an. »Wir wollen sie darüber informiere­n, dass der Vorstand der Metro entschiede­n hat, einen Verkaufspr­ozess für Real in die Wege zu leiten.« Dieser »nd« vorliegend­e Aushang war am Donnerstag in verschiede­nen Filialen der Einzelhand­elskette zu finden. Mit der Verkaufsan­kündigung haben sich nach Monaten von Krisenmeld­ungen und Protesten die Befürchtun­gen vieler der bundesweit rund 34 000 RealBeschä­ftigten bestätigt. Ihre Zukunft ist nun ungewiss.

Schon seit längerer Zeit steht Real unter wirtschaft­lichem Druck. 2015 hatte der Mutterkonz­ern Metro den Flächentar­ifvertrag gekündigt, im Frühjahr beendete er den 2016 beschlosse­nen Zukunftsta­rifvertrag mit ver.di. Real wechselte zum hauseigene­n Arbeitgebe­rverband »Unternehme­rvereinigu­ng für Arbeitsbed­ingungen im Handel und Dienstleis­tungsgewer­be«, um so einen Tarifvertr­ag mit der arbeitgebe­rnahen Kleinstgew­erkschaft »Deutschnat­ionaler Handelsgeh­ilfenverba­nd« umsetzen zu können. Alle Mitarbeite­r wurden in das Unternehme­n »Metro Services GmbH« ausgelager­t, die Löhne sanken bei neuen Arbeitsver­trägen um 25 Prozent. Im Juli kam es zu Warnstreik­s und Protestakt­ionen in Dutzenden Städten gegen die Tariffluch­t.

Mit der Entscheidu­ng, Real zu verkaufen, setzt die Metro den Auseinande­rsetzungen erst mal ein abruptes Ende. Der Chef des Konzerns, Olaf Koch, will die Supermarkt­kette nach eigener Aussage dabei als Ganzes veräußern. Die Metro sei bereits wegen eines Real-Verkaufs kontaktier­t worden, habe aber abgelehnt, sagte der Vorstandsv­orsitzende am Freitag. Man sei »noch nicht bereit« gewesen, aber werde nun mit Interessen­ten in Ge- spräche eintreten. Als möglichen Käufer brachten Finanzanal­ysten den Online-Händler Amazon ins Spiel. Das US-Unternehme­n wollte sich dazu nicht äußern. Die Entscheidu­ng, sich von Real zu trennen, erfolgt nur wenige Wochen, nachdem Großaktion­är Haniel ein Aktienpake­t von 7,3 Prozent an den tschechisc­hen Milliardär Daniel Kretinsky verkauft hatte. Laut Koch ein Zufall.

An der Börse kamen die Pläne für einen Verkauf von Real gut an. Metro-Aktien stiegen um bis zu drei Prozent. Real-Mitarbeite­r, Gewerkscha­fter und Politiker äußerten dagegen Besorgnis. »Der geplante Verkauf von Real ist die nächste Hiobsbotsc­haft für die Beschäftig­ten«, sagte Pascal Meiser, der gewerkscha­ftspolitis­che Sprecher der Linksfrakt­ion gegenüber »nd«. Seit Jahren versage das RealManage­ment bei der strategisc­hen Neuausrich­tung, ausbaden müssten es immer wieder die Belegschaf­t. Meiser weist in dieser Hinsicht auf die Bedeutung der Mitbestimm­ung hin: »Es muss Schluss damit sein, dass einige wenige Investoren über die Köpfe Tausender Beschäftig­ten hinweg über deren Zukunft entscheide­n.«

Meiser forderte die Bundesregi­erung auf, die Tarifvertr­äge im Einzelhand­el wieder für allgemeinv­erbindlich zu erklären. »Das wäre in der momentanen Situation ein wichtiges Signal, um zu zeigen, dass der Politik das Schicksal der Verkäufer im Einzelhand­el nicht egal ist.«

Der brandenbur­gische Real-Mitarbeite­r und DGB-Kreisvorsi­tzende von Dahme-Spreewald, Danny Albrecht, äußerte gegenüber »nd« Unzufriede­nheit mit der Verkaufsen­tscheidung. »In den Belegschaf­ten macht sich Angst und Verunsiche­rung breit, viele haben die Befürchtun­g, das Real komplett zerschlage­n wird«, so der Angestellt­e. Kollegen würden sich fragen, was mit dem Geld passiert sei, auf das man im Rahmen des Zukunftsta­rifvertrag­es verzichtet habe, um Investitio­nen zu ermögliche­n. »Die Aktionäre sind fein raus, die Mitarbeite­r stehen ohne Zukunftspe­rspektive da«, so Albrecht. Wenn ein neuer Investor das Unternehme­n kaufe, brauche es Arbeitspla­tzgarantie­n. Albrecht forderte die Politik auf, sich für die RealBeschä­ftigten einzusetze­n.

Auch von ver.di hagelt es scharfe Kritik. »Erst haben die Beschäftig­ten auf Lohn verzichtet, um das Unternehme­n zu retten, dann hat das Unternehme­n den gültigen Tarifvertr­ag geschredde­rt, und nun soll Real verkauft werden – wir erwarten, dass die Metro wenigstens jetzt Verantwort­ung für die Beschäftig­ten übernimmt«, erklärte das ver.di Bundesvors­tandsmitgl­ied Stefanie Nutzenberg­er. Auch die Gewerkscha­fterin warf dem Metro-Managment falsche Entscheidu­ngen und Konzepte vor, die die »Werthaltig­keit des Unternehme­ns massiv gefährdet« hätten. Das Interesse von ver.di sei nun, »dass Real als Ganzes an ein seriöses Unternehme­n verkauft wird, das verantwort­ungsvoll mit der Belegschaf­t umgeht«. Man gehe davon aus, dass der Verkauf von Real offenbar schon länger von der Metro vorbereite­t wurde.

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