Freiheitsangst
Drei Viertel aller Autofahrer ängstigen sich vor Radfahrern, zehn Prozent halten diese sogar für eines der größten Sicherheitsprobleme im Straßenverkehr. So hieß es jedenfalls zu Beginn der Woche in einer Mitteilung des Umfrageinstituts Forsa, das 1506 Pkw-Lenker befragt hatte.
Zur gleichen Zeit wurde noch folgendes bekannt: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wirbt für Offenheit (!) gegenüber dem von ihrem Haus mitgeförderten MauerbauProjekt in Berlin. Das Kunstprojekt, das sich DAU nennt und deren Initiatoren beabsichtigen, im Oktober in Berlins Mitte für vier Wochen eine baugleiche Rekonstruktion der früheren Berliner Mauer zu errichten, die von 1961 bis 1989 die Stadt teilte, könne, so Grütters, »daran erinnern, wie schlimm Unfreiheit sein kann«. Man solle sich von dem Projekt überraschen lassen, meinte die CDU-Politikerin mit Blick auf die Kritik am Mauerbau aus den Reihen von DDR-Bürgerrechtlern. Es sei auch niemand gezwungen, an dem Projekt teilzunehmen.
Die beiden Meldungen habe mehr miteinander gemein, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Es geht beim nachgestellten Mauerbau wie beim Verhältnis der Autofahrer zu den Radfahrern um einen Aspekt der Kulturindustrie: Die Angst vor der Freiheit. Manche motorisierte Individualverkehrsteilnehmer, die in stahlummantelten Geschossen auf vier Rädern unterwegs sind, fühlen sich offenbar wie die SED-Führung im August 1961: Selbst in der Trutzburg aus Stahl, in ihrer motorisierten Zitadelle fühlen sie sich nicht mehr sicher. Ein kleiner Rollentausch könnte ihnen gut tun. Wie wäre es, wenn sie die vier Rollen des Autos gegen die zwei eines Fahrrades tauschen; nur für eine Woche oder auch nur für einen Tag? Den Kritikern eines solchen Vorschlags sei entgegnet: Es wird niemand gezwungen, Auto zu fahren!