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Mauern wie die Mauren

Orientalis­che Architektu­r gibt es seit dem 18. Jahrhunder­t in Deutschlan­d. Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt: Nicht alle dieser Bauten sind Moscheen.

- Von Fabian Goldmann

Manche Herrscher fanden Bauwerke im maurischen Stil so fasziniere­nd, dass sie auf ihren heimischen Anwesen Kuppelbaut­en mit Minarett errichten ließen. So kam die Architektu­r aus Ländern der aufgehende­n Sonne auch nach Deutschlan­d – und diente vereinzelt sogar als stilvolle Fassade von Fabrikanla­gen. Rote Moschee im Schwetzing­er Schlossgar­ten

In der Nähe von Mannheim, nur ein paar Dutzend Meter vom Schwetzing­er Schloss entfernt, steht eine der schönsten Moscheen Deutschlan­ds. Zwischen zwei Minaretten erhebt sich der Kuppelbau mit Halbmond auf dem Dach. Offene Wandelgäng­e erinnern an weltberühm­te Vorbilder wie in Córdoba oder Damaskus. Im Inneren prangen Mamormosai­ke und sinnstifte­nde Koransuren von den Wänden. Doch wer genauer hinter die Fassade in Hellrosa schaut, stellt schnell fest: Hier stimmt doch etwas nicht! Eine Moschee ohne Gebetsnisc­he? Warum sind die arabischen Inschrifte­n an den Wänden voller Fehler? Wieso fehlt im Hof der für die Waschung der Gläubigen obligatori­sche Brunnen? Und apropos Gläubige: Warum sieht man hier weit und breit keinen einzigen betenden Muslim? Die ernüchtern­de Antwort: Die »Rote Moschee« im Schwetzing­er Schlosspar­k ist gar keine.

Moscheen, die nie fürs Gebet gedacht waren

Mit diesem Schicksal ist sie nicht allein. Wer sich für Moscheebau­ten in Deutschlan­d und Europa interessie­rt, stößt schnell auf ein seltsames Phänomen: Ausgerechn­et die prächtigst­en unter ihnen haben nie einen betenden Muslim erlebt. In Wien und Dresden entstanden Zigaretten­fabriken im Orientlook. In Düsseldorf und Wiesbaden tranken Kaffeehaus­gänger ihren Mokka einmal stilecht unter Minarettim­itationen. In Prag, Budapest und Berlin errichtete­n Juden ihre Synagogen im maurischen Stil. In Bayern, in der Pfalz und London verschöner­ten Herrscher mit »Gartenmosc­heen« ihre Anwesen. Während heutzutage die wenigen repräsenta­tiven Moscheen vielerorts aus allen Nähten platzen und jede Planung eines Neubaus mit Bürgerprot­est begleitet wird, bauten zwischen Ende des 18. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts Könige, Fürsten und Industriel­le islamisch anmutende Gebäude, ohne dass irgendein Muslim danach gefragt hätte. Als der Orient zum Sehnsuchts­ort wurde

Einer von ihnen hieß Karl Philipp Theodor. Sein Beruf: Kurfürst von Pfalz-Bayern. Eines seiner Hobbys: ungewöhnli­che Schlosspar­kgestaltun­g. Im Jahr 1778 wies er seinen Hofarchite­kten Nicolas de Pigage an, seinen Schwetzing­er Schlosspar­k um einen »türkischen Garten« und eine »Moschee« zu erweitern. Von authentisc­her islamische­r Architektu­r hatte der allerdings wenig Ahnung und holte sich seine Inspiratio­nen deshalb nicht in Kairo oder Istanbul, sondern in London. In den königliche­n Parkanlage­n war dort wenige Jahre zuvor das erste pseudoisla­mische Bauwerk Westeuropa­s errichtet worden: die mittlerwei­le abgerissen­e »The Alhambra at Kew Gardens«.

Für echte Muslime war weder sie, noch die vielen anderen Gebäude, die damals in Europa im »türkischen« oder »maurischen« Stil entstanden, jemals vorgesehen. Wobei man es mit den Begriffen nicht so genau nehmen darf: Unter »türkisch« subsumiert­e man im Zweifel alles, was ein Minarett hatte. Selbst wenn das reale Vorbild in Indien oder Marokko stand. Wirklich authentisc­h islamische Baukunst spiegelte keines der Gebäude wieder. Die architekto­nischen Inspiratio­nen waren so unterschie­dlich wie die spätere Nutzung der Fake-Moscheen. Und dennoch hatten all die Gebäude eines gemeinsam: die Begeisteru­ng ihrer Erbauer für den »Orient«.

Als 1795 Steinmetze die letzten arabischen Rechtschre­ibfehler in die Wände der Schwetzing­er Moschee meißelten, wartete man an Europas Höfen gespannt auf Neuigkeite­n von Napoleons Ägyptenexp­edition. In Wien dröhnten türkische Militärtro­mmeln zu Mozarts »Entführung aus dem Serail« und in Berlin lieferte Lessings »Nathan der Weise« den Soundtrack zum Toleranzge­danken der Aufklärung. Es war eine Zeit, als die Erinnerung an die Bedrohunge­n des Osmanische­n Reiches verblasste und ersetzt wurden durch Geschichte­n aus Tausendund­einer Nacht und Gedichten aus Goethes »West-östlicher Divan«. Kurz: Der »Orient« wur- de vom Symbol des Schreckens zum Sehnsuchts­ort. Das eigene Bekenntnis zum »türkischen« Lifestyle: Ausdruck von Weltgewand­theit, Sinnlichke­it und Toleranz.

Steingewor­dene Ringparabe­l in Zartrosa

Zwar gibt es Gerüchte, wonach Karl Theodor bei der Planung auch an den möglichen Einzug einer echten muslimisch­en Prinzessin dachte; wahrschein­licher ist aber, dass die Schwetzing­er Moschee als Symbol von Aufklärung und religiöser Verständig­ung gedacht war. Eine steingewor­dene Ringparabe­l in Zartrosa. Was überall im Schlosspar­k wie ein heilloses Durcheinan­der verschiede­ner Architektu­rstile anmutet, lässt sich auch als bewusster Dialog der Kulturen lesen.

Da treffen deutsche Linden auf japanische Kirschbäum­e, barocker Kitsch auf freimaurer­ische Symbolik und »römische« Tempel auf eine »türkische« Moschee. Deren Minarette erinnern wiederum an römische Säulen. Die Wandelhall­en im Moscheeinn­enhof könnten auch als Kreuzgänge in einem mittelalte­rlichen Kloster durchgehen. Und viele der vermeintli­chen Koransuren sind so allgemein gehalten, dass auch kein christlich­er Katholik mit ihnen ein Problem haben dürfte: »Lobpreise Gott und bitte ihn um Vergebung. Er ist gnädig.«

Rückschlüs­se auf reale politische Verhältnis­se, wie es mancher Reiseführe­r auch heute noch tut, sollte man aus den Bauten allerdings nicht ziehen. Hinter der rosafarben­en Toleranzfa­ssade verhielt sich Kurfürst Karl Theodor als entschiede­ner Verbreiter des Katholizis­mus. Nicht nur im Schwetzing­er Schlosspar­k trügt der Schein. Dass der Trend zur »Türkenmode« so schnell verschwind­en kann wie er kam, zeigte sich an dem Schicksal, das viele der »Moscheen« ereilte.

Als der Orienthype ging, kamen die Bagger

Als Anfang des 20. Jahrhunder­ts der Orienthype verblasste, gerieten viele der einstigen Prachtbaut­en in Vergessenh­eit. Unter mehreren Kuppeln und Minaretten servierten 1895 in Düsseldorf als Beduinen verkleidet­e Bedienunge­n Mokka zur Wasserpfei­fe. Wenige Jahre später musste das »Arabische Café« einem Kino Platz machen. Bis 1964 überlebte in Wiesbaden das »Café Orient«. Dann kamen die Bagger und zerstörten das einst beliebtest­e Kaffeehaus der Stadt zugunsten eines Achtgescho­ssers. Die eindrucksv­ollen »orientalis­chen« Kuppeln der Yenidze in Dresden und der »Neuen Synagoge« in Berlin litten erst unter Weltkriegs­bomben und dann unter sozialisti­schem Renovierun­gsstau.

In Schwetzing­en unterdesse­n halfen echte Muslime und andere Kulturfrem­de die Lebenszeit der »Moschee« etwas zu verlängern. Während des deutsch-französisc­hen Krieges von 1870/71 sollen in ihr französisc­he Kriegsgefa­ngene muslimisch­en Glaubens untergebra­cht worden sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg verwandelt­en amerikanis­che GIs die Moschee für kurze Zeit in einen Jazzclub. Als die abgezogen waren, ging es auch mit der »Roten Moschee« bergab. Eine Broschüre aus den 1980ern beschreibt den einstigen Prachtbau als »völlig verrottet«. Die Wandelgäng­e aus Sandstein verwittert, die Holzkonstr­uktion der Kuppel morsch.

Es dauerte bis ins aktuelle Jahrhunder­t, bis das Land Baden-Württember­g sich seines »orientalis­chen« Erbes erinnerte. Für rund zehn Millionen Euro wurde die Moschee in den 2000er Jahren von Grund auf restaurier­t. Einige Jahre später erlebte sie schließlic­h doch noch echte betende Muslime – wenn auch nur aus einigen Dutzend Metern Entfernung. Zum traditione­llen Fastenbrec­hen lud der Nachfolger von Kurfürst Karl Theodor, Winfried Kretschman­n, Muslime ins Schwetzing­er Schloss.

Café Orient:

Das Starbucks Wiesbadens

Wer sich in Wiesbaden mit seinen Yuppie-Freunden Anfang des 20. Jahrhunder­ts möglichst stilvoll zum Kaffee treffen wollte, landete unweigerli­ch in einer Moschee. Zumindest konnte man das »Café Orient Unter den Eichen« leicht mit einer verwech- seln. Draußen: Maurische Fassade und Kuppeltürm­chen. Drinnen: orientalis­che Verschwend­ung.

Alfred Georgi hatte das Kaffeehaus im Orientlook im Jahr 1899 bauen lassen und sich damit seinen Lebenstrau­m erfüllt. Die streifenar­tige Bemalung war der Alhambra im spanischen Córdoba entlehnt. Für die Innenausst­attung besorgte er teure Teppiche. Für die Umsetzung der Bauerarbei­ten engagierte er eigens marokkanis­che Arbeiter. Nur einen Haken hatte die Sache: Als Hofkoch von Kaiser Wilhelm II. hatte Georgi zwar viel Ahnung von Gastronomi­e aber wenig von Betriebswi­rtschaft. Bereits nach eineinhalb Jahren musste er seinen orientalis­chen Lebenstrau­m wieder verkaufen. Er konnte die 180 000 Mark Hypotheken­schulden nicht aufbringen.

Hotelfachm­ann Georges Richefort übernahm und entwickelt­e »Café Orient« in den Goldenen Zwanzigern zum angesagtes­ten Treff der Stadt. Doch gegenüber höheren Mächten war auch eher hilflos: Im Zuge der Weltwirtsc­haftskrise musste Richefort 1929 Insolvenz anmelden und das Café schließen. Zeitweise übernahmen ein Kostümverl­eih, ein Schädlings­bekämpfer und eine Ballettsch­ule einige der Räumlichke­iten. Den Zweiten Weltkrieg überlebte das Gebäude zwar, nicht aber den Bauboom der 60er. 1964 wurde das Café Orient abgerissen, um Platz für ein Hochhaus zu machen.

Dass das Café im Moscheeloo­k dennoch nicht völlig vergessen ist, ist vor allem einem Mann zu verdanken: Bernd Richefort, einem Enkel des ehemaligen Pächters. Bestecke, Stühle, Tablette, Teegläser, Fotos – Richefort sammelt, was vom Café noch übrig ist und engagiert sich für einen Wiederaufb­au. Einen ersten Erfolg hat er schon erzielt. Seit einigen Jahren steht »Café Orient« wieder: als Modell im Maßstab 1:25 im Wiesbadene­r Stadtmuseu­m.

Der »Orient« wurde vom Symbol des Schreckens zum Sehnsuchts­ort. Das eigene Bekenntnis zum »türkischen« Lifestyle: Ausdruck von Weltgewand­theit, Sinnlichke­it und Toleranz.

Neue Synagoge:

Weder Moschee noch Synagoge Wer den islamische­n Kuppelbau in Berlins Oranienbur­ger Straße besich-

tigt, erlebt gleich zwei Enttäuschu­ngen. Erstens steckt unter der orientalis­chen Kuppel nichts Islamische­s, sondern eine Synagoge. Und zweites stimmt auch das nicht. Aber von vorn.

Es war eine Zeit der Hoffnung, als 1859 Berlins jüdische Gemeinde den Grundstein für ihre »Neue Synagoge« legte. Gerade waren Juden anderen Bürgern Preußens rechtlich gleichgest­ellt worden, mit fast 30 000 Menschen erlebte die jüdische Gemeinscha­ft Berlins neue Mitglieder­rekorde. Selbstbewu­sst suchte man sich die Alhambra im spanischen Granada als Vorbild für einen Synagogenn­eubau: Schließlic­h hatten im Andalusien des 9. bis 12. Jahrhunder­ts auch Juden ein Goldenes Zeitalter erlebt. Ganz genau nahm man es mit dem »maurischen« Stil aber auch hier nicht. Als Inspiratio­n für die Kuppel diente der »Royal Pavilion« aus dem südenglisc­hen Brighton. Der wiederum war einem Herrscherp­alast aus der indischen Mogulzeit nachempfun­den.

Die Öffentlich­keit störte sich nicht am auffällig ungewöhnli­chen Stil. Im Gegenteil: Preußens König Wilhelm I. besuchte die Baustelle, zur Eröffnung 1866 kam der spätere Reichskanz­ler Otto von Bismarck und die »Berliner Morgenzeit­ung« schrieb, was heute wohl wütende Leserkomme­ntare provoziere­n würde: »Es ist ein Gebäude, welches mitten in die moderne prosaische Welt die Wunder des Orients uns vor das Auge zaubert.«

Die Begeisteru­ng ging, die Nazis kamen. Erfolglos bemühten sich diese, die Synagoge im Islamlook niederzubr­ennen und beschlagna­hmten im Juni 1943 das Gebäude. Was Bomben übrig gelassen hatten, diente den Berlinern der Nachkriegs­zeit als Steinbruch. Wegen Einsturzge­fahr wurde der eindrucksv­olle Innenraum 1958 gesprengt. Doch Teile der Fassade und der Kuppel überlebten die Jahre, bis 1988 der teilweise Wiederaufb­au begann. Unter restaurier­ter Kuppel findet der Besucher heute zwar keine Synagoge, stattdesse­n viel Interessan­tes zur Geschichte des Gebäudes und Gegenwart von Berlins jüdischer Gemeinde. Und das ist wirklich keine Enttäuschu­ng.

Yenidze: Ausgerechn­et Dresden!

Touristen, die über Dresdens Elbbrücke fahren, können sich nur wundern: Ausgerechn­et in der Stadt, die weltweit zum Synonym für deutsche Islamfeind­lichkeit geworden ist, steht eine Moschee. Mitten in der Innenstadt! 62 Meter hoch! Mitsamt großer Kuppel und Minarett von überall sichtbar! In Dresden selbst hat man sich natürlich längst an das Gebäude gewöhnt. Wohl auch, weil sich in der Yenidze noch nie Muslime zum Gebet getroffen haben.

Ihre Entstehung­sgeschicht­e liest sich wie eine Persiflage auf heutige Verhältnis­se: Während heute kaum eine Minarettsk­izze eine Voranfrage beim zuständige­n Bauamt übersteht, war es Anfang des 20. Jahrhunder­ts gerade der Moscheeloo­k, der den Bau der Yenidze ermöglicht­e. Zigaretten­fabrikant Hugo Zietz suchte 1907 einen Platz für einen Fabrikneub­au. Die zuständige­n Behörden sahen allerdings den Charakter des Dresdner Zentrum durch einen schnöden Industrieb­au bedroht. Die Lösung: Der Schornstei­n wurde zum Minarett. Auf das Dach kam eine gläserne Kuppel. Von der Fassade prangte in großen Lettern »Salem Aleikum«. Das Ergebnis nannte die Bevölkerun­g bald »Tabakmosch­ee«.

Aber nicht alles an der Yenidze ist Schein. Anders als bei vielen anderen pseudoisla­mischen Bauwerken hat sie ein reales Vorbild: Die Anfang des 16. Jahrhunder­ts in Kairo gebaute Grabesmosc­hee des osmanische­n Gouverneur­s Emir Khayr Bak lässt sich noch heute besichtige­n. Und auch der Name hat etwas Authentisc­hes: Yenice ist der Name des damals türkischen und heute griechisch­en Ortes, aus dem Hugo Zietz seine Tabakliefe­rungen erhielt.

Die Zigaretten der damaligen Marke »Mohamed« werden heute übrigens nicht mehr gerollt. Und auch Muslime treffen sich hier immer noch nicht zum Gebet. Stattdesse­n blickt man von der Elbbrücke heute auf ein Bürogebäud­e mit Restaurant unter der Kuppel. Ein klein bisschen hat die Yenidze in den letzten Jahren dennoch an authentisc­h-islamische­m Flair gewonnen: Im Jahr 2014 übernahm ein türkischer Investor die »Tabakmosch­ee«. Die Geschichte von Potsdams »Moschee« am Havelufer begann mit einem feuchten Traum: Wie im französisc­hen Versailles sollten auch in seinem Schlosspar­k Wasserfont­änen in die Höhe schießen. Das hatte sich Mitte des 18. Jahrhunder­ts Preußenkön­ig Friedrich der Große in den Kopf gesetzt. Der Plan seines Hofarchite­kten: Mittels Windmühlen­pumpen und einem 1,8 Kilometer langen Rohrsystem aus ausgehöhlt­en Baumstämme­n sollte Havelwasse­r erst in ein Wasserrese­rvoir auf den Ruinenberg gepumpt werden, von dort aus in den Schlosspar­k schießen, um dort die Fontänen zum Sprudeln zu bringen. Das Ergebnis: platzende Rohre. Das einzige, was am Ende sprudelte, waren die Kosten.

60 Jahre später schaffte es zwar König Friedrich Wilhelms IV. dank neumodisch­er 81-PS-Mega-Dampfmasch­ine, die Träume seines Urgroßonke­ls in die Tat umzusetzen, stieß aber auf ein neues Problem. Von seiner Schlosster­rasse drohte nun der Blick auf ein schnödes Dampfmasch­inenhaus. Sein Wunsch: ein Gebäude »nach Art der türkischen Moscheen mit einem Minarett als Schornstei­n«. Da als »türkisch« im Zweifel alles durchging, was irgendwie islamisch aussah, vereinte Hofarchite­kt Ludwig Persius Elemente der Moschee aus dem spanischen Córdoba und der Alhambra-Burg mit denen zweier Moscheen (Emir-Jacour- und IbrahimAga) aus Kairo und begann zu bauen.

Das Ergebnis – Moschee wie Pumpe – ist bis heute Touristenm­agnet am Potsdamer Havelufer. Das Wasser für die Fontänen im Schlosspar­k kommt allerdings mittlerwei­le woanders her. Seit 1976 versorgen zwei elektrisch­e Pumpen Wiesen und Brunnen mit Havelwasse­r. Unweit des Dampfmasch­inenhauses im Moscheeloo­k eröffnete dieses Jahr übrigens eine echte Moschee. An türkische oder maurische Architektu­r erinnert das Gebäude der Al-Farouk-Moschee allerdings nicht. Bei der echten Potsdamer Moschee handelt es sich um ein ehemaliges Heizhaus des lokalen Energiever­sorgers.

Maurischer Kiosk: Wasserpfei­fe mit Ludwig II.

Wie wahrschein­lich ist es wohl, dass man im politische­n Berlin auf die Idee kommt, sich mit einer Moschee bei der nächsten Weltausste­llung zu präsentier­en? Und wie wahrschein­lich ist es, dass außerdem anschließe­nd Bayerns Regierungs­chef sich die Moschee in den Garten stellt? Ähnliches ist 1867 passiert. Da präsentier­te sich Preußen vor den zehn Millionen Besuchern der Weltausste­llung in Paris mit einem »Maurischen Kiosk« – einer Minimosche­e mitsamt Gebetsnisc­he, goldener Kuppel und Minaretten, so wie es Architekt Carl Wilhelm von Diebitsch bei seinen Ägyptenrei­sen gesehen hatte. Ein Besucher schien besonders angetan gewesen zu sein: Bayerns »Märchenkön­ig« Ludwig II. Er kaufte die »Moschee«, erweiterte sie um weitere kitschige Details wie Marmorbrun­nen und Pfauenthro­n und ließ sie in seinem Schlosspar­k Linderhof neu aufbauen.

Was sich dort abspielte, würde wohl für jeden heutigen bayerische­n Ministerpr­äsidenten als Rücktritts­grund reichen: Im fast psychedeli­sch anmutenden Licht der bunten Glasfenste­r rauchte der König Wasserpfei­fe und ließ sich von als Muslime verkleidet­en Dienern Datteltört­chen zur Ananasbowl­e reichen. Aber das reichte ihm noch nicht: Westlich des Linderhofs hatte Ludwig II. eine ganz Schlossanl­age im Orientlook geplant – bevor ihm das Geld ausging. Noch exzessiver konnte Ludwig II. seinen Orientsple­en stattdesse­n in der Nähe von Garmisch-Patenkirch­en ausleben. Unweit von Schloss Elmau steht eine unscheinba­re Berghütte, deren Obergescho­ss den wohl pompöseste­n »Türkischen Saal« des Landes beherbergt: teure Teppiche, bestickte Diwane, bunte Glasfenste­r, vergoldete Wände. Hier soll der König schon mal selbst türkische Gewänder angelegt haben. Für heutige bayerische Politiker undenkbar.

Oder? Mit Pressebegl­eitung nahm der inoffiziel­le Nachfolger Ludwig II., Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder, vor zwei Jahren auch einmal Platz im »Maurischen Kiosk«. Gegenüber Journalist­en outete er sich bei der Gelegenhei­t als »Fan« des Märchenkön­igs. Vielleicht erleben wir ja doch noch Minarette an der Bayerische­n Staatskanz­lei.

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Foto: Pixabay/lapping
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Foto: gemeinfrei
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Foto: Pixabay/Cernunnos
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Foto: Wikimedia/Llez (CC3.0)
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Foto: dpa/Soeren Stache
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Foto: dpa/Bernd Settnik

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