nd.DerTag

Helfer der Verdrängun­g

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»Wir sind nicht erst seit gestern laut.« Dieser Satz einer Mitarbeite­rin des Kollektivs von Potse und Drugstore ist bezeichnen­d. Seit 1972 gibt es den Drugstore, das älteste selbstverw­altete Jugendzent­rum Berlins. Seit den 80er Jahren ist auch der benachbart­e Treffpunkt Potse Anlaufstel­le für linke und alternativ­e Jugendlich­e. Und seitdem ist es laut – es gibt Konzerte, Bandproben, Partys.

Was es jedoch gefühlt erst seit gestern gibt, sind besondere neue Nachbarn in den Kiezen. Was an vielen Orten in der Stadt heute gern »Durchmisch­ung« genannt wird, ist eine Vorstufe der Verdrängun­g.

Weil der neue Eigentümer des Hauses eine drastische Mieterhöhu­ng fordert, ist die Zukunft der traditions­reichen Jugendzent­ren ohnehin ungewiss. Inzwischen haben sich in dem Gebäude aber auch jene eingemiete­t, die sich die horrenden Preise leisten können. Völlig gegensätzl­iche Mietpartei­en müssen inzwischen in Berlin direkt nebeneinan­der koexistier­en. In diesem Fall der Potsdamer Straße 180-182 ist es ein Unternehme­n, das mit »Co-WorkingSpa­ces« Kohle machen will. Auf der Hochglanz-Website wirbt die Firma um die »neue Generation von Innovation­streibern«.

Dieses Image wird von Jugendlich­en mit bunten Haaren und Punkkonzer­ten gestört. Es wäre also durchaus denkbar, dass diese und andere Unternehme­n sich vermehrt bei der Polizei über die Jugendzent­ren beschweren, um diese auf kurz oder lang aus dem Gebäude zu ekeln oder zumindest zum Verstummen zu bringen. Damit die eigenen Kunden nicht abgeschrec­kt werden. Es wäre in der Berliner Geschichte bei Weitem nicht der erste Fall, in dem es so läuft.

Noch erschrecke­nder, als eine solche Taktik, ist allerdings das Verhalten der Polizei. Wer wegen zu lauter Musik in einem Jugendzent­rum mit Hundertsch­aft und Rammbock erscheint, macht sich damit letztendli­ch zum verlängert­en Arm der Verdrängun­g.

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Foto: nd/Ulli Winkler Maria Jordan über den Einsatz der Polizei im Jugendclub Potse

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