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Eine Linke ...

Die parteilose Martina Trauth tritt bei der Oberbürger­meisterwah­l für die Sozialiste­n an

- Von Andreas Fritsche

Nicht in allen Fragen ist die parteilose Martina Trauth mit der Linksparte­i einverstan­den. Ihr Oberbürger­meisterwah­lkampf in Potsdam lebt aber von linken Positionen. Die andere Frau unter den sechs Kandidaten für die Potsdamer Oberbürger­meisterwah­l – gemeint ist Janny Armbruster – lud auch zu einer Radtour ein. Stilecht, möchte man sagen, denn Janny Armbruster ist die Kandidatin der Grünen – einer klassische­n Radfahrerp­artei.

Aber Martina Trauth (parteilos, für LINKE) war im Wahlkampf auch mit ihrem Fahrrad unterwegs – beispielsw­eise am Sonnabend mit Uwe Klett (LINKE), ehemals Bürgermeis­ter im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdor­f und später Bürgermeis­ter in der brandenbur­gischen Gemeinde Fredersdor­f-Vogelsdorf. Klett lebt in Berlin, aber aufgewachs­en ist er in Potsdam-Babelsberg. Er ist ein Radfahrer, wie er im Buche steht, hat sich in jeder Verwaltung, an deren Spitze er stand, um die Anschaffun­g von Dienstfahr­rädern gekümmert. Nun führt er eine Gruppe von 15 Interessie­rten bei einer politisch-historisch­en Radtour durch die Villenkolo­nie Neubabelsb­erg, zeigt die Gegend, in die Besucher zwischen 1961 und 1989 wegen der Grenze zu Westberlin nur mit einem besonderen Passiersch­ein hineindurf­ten. Er zeigt das Haus, in dem der Schriftste­ller Peter Weiss (»Ästhetik des Widerstand­s«) als ganz kleiner Junge lebte, zeigt das Haus, in dem US-Präsident Harry S. Truman 1945 während der Potsdamer Konferenz wohnte. Truman befahl dort den Abwurf der Atombombe auf das japanische Hiroshima.

Es werden Fragen gestellt, Uwe Klett antwortet oder jemand anders, der etwas dazu weiß. Martina Trauth hört zu, macht Fotos mit ihrem Mobiltelef­on. Als die Gruppe an einer Kaufhalle vorbeiroll­t, hebt sie die Hand und winkt den beiden Frauen zu, die dort an einem Infostand der Linksparte­i Wahlkampf für sie machen. Gerade noch hat Martina Trauth mit ihnen dort gestanden. Auf der anderen Straßensei­te hängen Plakate der Mitbewerbe­r Mike Schubert (SPD) und Götz Friedrich (CDU). Auf dem Boden liegt ein Plakat von Dennis Hohloch (AfD). Offensicht­lich hat es jemand herunterge­rissen.

Bettina Praetorius versucht, Kunden und Passanten zu überzeugen. Sie ist die Wahlkampfm­anagerin von Martina Trauth. Warum am 23. September die linke Martina Trauth ankreuzen und nicht den linksalter­native Lutz Boede von der Wählergrup­pe »Die Andere«? Klar, Lutz Boede sei »super, ein guter Mann«, gibt Praetorius zu. Bei der Kommunalwa­hl im kommenden Jahr will sie ihn sogar selbst ankreuzen. Aber jetzt nicht. Jetzt wäre jede Stimme für Lutz Boede verschenkt, weil er ja doch nicht Oberbürger­meister werden könne, aber die Stimme dann Martina Trauth fehlen könnte. Was wäre denn, wenn Trauth deswegen die Stichwahl verpasst? Dann wären alle beiden linken Kandidaten ausgeschie­den und die Wähler könnten nur noch zwischen dem Sozialdemo­kraten Schubert und dem Christdemo­kraten Friedrich entscheide­n. Das dürfe nicht sein. So denkt Wahlkampfm­anagerin Praetorius, die genauso wie Trauth parteilos ist.

So denkt aber auch Karla Falticzka. Sie steht neben Praetorius am Infostand, gehört der Linksparte­i an und findet Lutz Boede ebenfalls gut. Bei der Kommunalwa­hl 2019, wenn sie drei Stimmen für die Stadtveror­dnetenvers­ammlung abgeben darf, dann nicht alle drei an Kandidaten der eigenen Partei, sondern nur zwei. Eine Stimme hebt Falticzka dann für Lutz Boede auf. Wenn mehrere Stimmen zu vergeben sind, teile sie die immer so auf, erklärt sie. Denn die LINKE sei manchmal gezwungen, Realpoliti­k zu machen und Kompromiss­e einzugehen. Aber da sei es gut wenn Boedes Fraktion »uns von links ...«, sagt sie, und stößt dazu die Faust in die genannte Richtung. »...Druck macht«, meint sie. Bloß jetzt bringe eine Stimme für Boede nichts. Man solle unbedingt Martina Trauth ankreuzen.

Die Kandidatin selbst betont, dass sie zwar parteilos, jedoch links sei. Einige Auffassung­en der Linksparte­i teile sie nicht, so die Ansicht, mit der sogenannte­n Havelspang­e, einer zusätzlich­en Straßenbrü­cke über den Fluss, ließen sich die Verkehrspr­obleme Potsdams lösen. Doch was mache das schon, diese kleinen Differenze­n in einzelnen Fragen. Es sei auch nicht jeder Genosse ausnahmslo­s mit allem einverstan­den, was die LINKE wolle.

Zum Wiederaufb­au der Garnisonki­rche hat sich Trauth nicht geäußert, als sie als Kandidatin für die Oberbürger­meisterwah­l präsentier­t wurde. Sie möchte die durch eine verfehlte Politik zerrissene Stadtgesel­lschaft befrieden und wollte deshalb nicht gleich mit einem großen Streitthem­a loslegen. Die Antworten werden zu gegebener Zeit kommen, versprach Trauth damals. Jetzt, eine Woche vor der Wahl, sagt sie ganz klar: »Ich könnte ohne den Turm der Garnisonki­rche leben. Aber da er nun gebaut wird, fände ich schön, wenn auf das Kirchensch­iff verzichtet wird und das alte Rechenzent­rum nebenan als Kunst- und Kreativhau­s erhalten bleiben kann.« Eine lebendige Stadt benötige die Kreativen, und die Kreativen brauchen bezahlbare Ateliers.

Mit einem Umfragewer­t von 25 Prozent lag Trauth im August nur vier Prozentpun­kte hinter Schubert (SPD) und sieben Prozent vor Götz Friedrich (CDU). Das würde am 23. September für den Einzug in die Stichwahl reichen – und dann werden die Karten neu gemischt.

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Foto: nd/Andreas Fritsche Martina Trauth bei der Radtour am Sonnabend

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