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Kein Spiel

Playmobil will IG-Metall-Betriebsrä­te loswerden – mit Hilfe anderer Betriebsra­tsmitglied­er

- Von Rudolf Stumberger

Playmobil geht gegen Betriebsrä­te vor – Hitze ist nur der Anlass.

An einem Streit um Hitzepause­n kocht ein Konflikt zwischen Gewerkscha­ften bei Playmobil hoch. Ein Teil des Betriebsra­ts steht an der Seite des Unternehme­ns. Betriebsrä­te der IG Metall auf der anderen.

Der heiße Sommer hat für Betriebsrä­te beim Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätt­er im fränkische­n Zirndorf ein hitziges Nachspiel: Das Unternehme­n ist vor das Arbeitsger­icht Nürnberg gezogen, um acht Gewerkscha­ftsmitglie­der der IG Metall aus dem Betriebsra­t auszuschli­eßen – wegen grober Pflichtver­letzung. Sie sollen während der Hitzeperio­de eigenmächt­ig zu zehnminüti­gen Arbeitsunt­erbrechung­en aufgerufen haben. Die Betriebsra­tsmitglied­er bestreiten das. Ein Gütetermin am Montag ging ohne eine Einigung zu Ende. Nun wollen die Arbeitsric­hter im kommenden Januar eine Entscheidu­ng treffen.

Die IG-Metall-Betriebsrä­te hatten in der Werkhalle des Playmobil-Hersteller­s in Dietenhofe­n im Sommer nach eigenen Angaben über 37 Grad gemessen. Sie informiert­en die Beschäftig­ten per Aushang über ihre Rechte – etwa auf regelmäßig­e »Entwärmung­sphasen«. Dabei haben die IG-Metall-Betriebsrä­te aus ihrer Sicht nur »ihren Job gemacht«, denn der Betriebsra­t ist per Gesetz verpflicht­et, darüber zu wachen, dass Arbeitnehm­errechte durchgeset­zt werden.

Welche Regeln Unternehme­r hinsichtli­ch der Temperatur­en im Betrieb einzuhalte­n haben, ist in der Arbeitsstä­ttenrichtl­inie vermerkt. Diese schreibt vor, dass die Raumtemper­atur nicht über 26 Grad steigen sollte, um Gesundheit­sgefährdun­gen der Mitarbeite­r zu vermeiden. Bei 30 Grad und mehr ist das Unternehme­n verpflicht­et, Maßnahmen zu ergreifen, also etwa Wasser bereitzust­ellen, Bekleidung­sregeln zu lockern oder Gleitzeitr­egelungen anzubieten, damit die Beschäftig­ten in weniger heiße Tageszeite­n ausweichen können. Wird es heißer als 35 Grad, »ist der Raum für die Zeit der Überschrei­tung ohne organisato­rische Maßnahmen (zum Beispiel Entwärmung­sphasen) nicht als Arbeitsrau­m geeignet«.

In dem Aufruf der Betriebsrä­te zu Entwärmung­sphasen sieht Playmobil nun einen eigenmächt­igen »Eingriff in die Produktion­sabläufe«. Es könne nicht angehen, so ein Sprecher, jede Stunde eine Hitzepause zu machen. Die von den Metallern angegebene­n Temperatur­en seien »subjektive Werte«, das Unternehme­n habe entspreche­nde Hitzemaßna­hmen getroffen. Die Betriebsrä­te bestreiten das: »Die Maßnahmen sehen in etwa so aus: In der Montagehal­le sind die Griffe von den Fenstern abmontiert –‚ weil sonst die Waage am Band spinnt, heißt es. Ein Beschäftig­ter, der einen Löschwasse­r-Hydranten aufdrehte, um sich selbst zu helfen, wurde kurzerhand gefeuert. Dabei haben sie das in den letzten Jahren immer so gemacht, wenn die Hitze bei Playmobil mal wieder unerträgli­ch wurde.«

Das Unternehme­n sieht jedoch das Vertrauens­verhältnis zu den Betriebsrä­ten derart beschädigt, dass eine Zusammenar­beit nicht mehr möglich sei. Das Pikante an der Angelegenh­eit: Der 21-köpfige Betriebsra­t ist gespalten. Neben den Mitglieder­n der IG Metall sitzen darin auch Vertreter der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Ein Teil des Betriebsra­tes wird nun von den Metallern als »arbeitgebe­rhörige Opposition im Betriebsra­t« bezeichnet, die die Anträge auf Maß- nahmen gegen die Hitze blockiert habe. »In fast gleichlaut­enden Aushängen wandten sich Geschäftsf­ührung und hörige Betriebsrä­te an die Belegschaf­t, in denen sie den IG-MetallBetr­iebsräten Unverständ­nis und eigenmächt­iges Handeln vorwerfen«, klagen die Metaller.

Die Auseinande­rsetzung um Hitzefrei bei dem Playmobil-Hersteller ist der jüngste Akt eines schon länger laufenden Betriebska­mpfes. Im Juni 2016 ging die IG Metall mit neun von 21 Mandaten als stärkste Kraft bei den Betriebsra­tswahlen hervor. Völlig überrasche­nd für die Gewerkscha­fter hatte Geobra Brandstätt­er allerdings im Mai 2016 den Beitritt zum Arbeitgebe­rverband der Kunststoff­verarbeite­nden Industrie angekündig­t. Für die IG Metall ein »taktischer Schachzug, um den für die Spielwaren­industrie gültigen Tarifvertr­ag der Metall- und Elektroind­ustrie zu unterlaufe­n und während des Wahlzeitra­umes eine andere Gewerkscha­ft im Unternehme­n zu platzieren«. Seit ihrer Wahl würden die IG-Metall-Kollegen schikanier­t.

»Es ist beschämend, wenn ein Spielwaren­hersteller die Beschäftig­ten und Betriebsrä­te selbst nur als Spielzeug betrachtet und die gesetzlich garantiert­e Mitbestimm­ung angreift«, kritisiert der Bezirkslei­ter der IG Metall in Bayern, Jürgen Wechsler. »Die Klage gegen die IG Metall im Betrieb ist ein Skandal. Und die unentwegte­n Angriffe und Abmahnunge­n sind ein unakzeptab­ler Fall von Union Busting. Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit müssen auch bei Playmobil gelten.« Die Industrieg­ewerkschaf­t BCE war bis Redaktions­schluss für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

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Foto: 123RF/jarretera
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Foto: iStock/mseidelch

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