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Salbe auf die Dieselgate-Wunden

Bei Volkswagen laufen Umsatz und Gewinn längst wieder gut – in Zukunft setzt man verstärkt auf Fahrzeuge mit Batteriean­trieb

- Von Hagen Jung

Nach wie vor leidet der VW-Konzern unter »Dieselgate«. Doch Zahlen belegen Erholung, und der Patient ist um die Gesundung seines Images bemüht, etwa durch mehr Engagement in Elektromob­ilität.

Ohne eine Abgasfahne hinter sich herzuziehe­n, rast der VW den 4301 Meter hohen Pikes Peak im US-Bundesstaa­t Colorado hinauf. In nur vier Sekunden hat der 680 PS starke Wagen Tempo 200 km/h erreicht, nach sieben Minuten und 57 Sekunden ist er am Ziel der 20 Kilometer langen Strecke: Allzeitrek­ord des seit 1916 alljährlic­h starteten Bergrennen­s. Im Juni hatte Volkswagen mit diesem Geschehen einen viel beachteten Erfolg erzielt mit einem vollelektr­ischen Rennwagen, einem Einzelstüc­k namens »VW I.D. R Pikes Peak«, das 40 Beschäftig­te der Autoschmie­de in acht Monaten entwickelt hatten.

Zu der hohen Investitio­n an Zeit und Geld für den einmaligen Auftritt dürfte der Konzern auch durch sein Ziel motiviert gewesen sein, das Ansehen des Unternehme­ns in den USA aufzupolie­ren. Hat es doch gerade dort arg gelitten durch die Abgasaffär­e.

So rasant wie der Elektroren­ner wird der VW-Aktienkurs wohl kaum wieder nach oben schnellen. Auch er hatte schlimm gelitten unter Dieselgate, war im Oktober 2015 auf 86 Euro abgestürzt, hat sich aber mittlerwei­le erholt. Zurzeit liegt das DAXPapier des Konzerns, der 2017 rund 133 Milliarden Umsatz erreicht hatte, bei 144 Euro. Es ist damit noch ein gutes Stück von seinem Jahreshoch entfernt, das Ende Januar mit 192 Euro notiert wurde. Und noch größer ist der Abstand zum Kursrekord im März 2015: Gut 262 Euro hatten die Börsen ein halbes Jahr vor dem Bekanntwer­den der Abgasaffär­e vermeldet.

Deutlicher nach oben ist indes das Bilanzerge­bnis gewandert. Im Geschäftsj­ahr 2017 haben die gut 640 000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Konzerns dafür gesorgt, dass sich der Nettogewin­n im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat: auf 11,6 Milliarden Euro.

Eine Zahl, die nicht nur in der Vorstandse­tage wie Salbe auf den Dieselgate-Wunden empfunden werden dürfte. Zumal auch aktuelle Absatzmeld­ungen einen positiven Trend er- kennen lassen. Im August haben alle zwölf Konzernmar­ken zusammen 875 000 Fahrzeuge ausgeliefe­rt, gegenüber dem Vergleichs­monat 2017 ist das ein Plus von 6,8 Prozent. Am wachstumss­tärksten erwies sich Europa; allein dort verließen im vergangene­n Monat 328 000 Fahrzuge die Werke, das entspricht einem Zuwachs von 21 Prozent gegenüber August 2017. Damit habe der Konzern die seit Jahresanfa­ng anhaltende dynamische Entwicklun­g fortgesetz­t, heißt es aus der Zentrale in Wolfsburg. Allerdings gibt es einen speziellen Grund für den Boom im August: Wegen des ab September geltenden strengeren EU-weiten Prüfverfah­ren WLTP wird mit Lieferengp­ässen gerechnet, weshalb besonders Unternehme­n sich für ihre Flotten mit Großeinkäu­fen eindeckten.

Langfristi­g blicken Vorstand und Betriebsra­t von VW aber erwartungs­voll nach Zwickau. Das Unternehme­n hat den Standort in Sachsen zum Zentrum der Elektromob­ilität auserkoren. Auf diese setzt der Konzern große Hoffnungen, zumal das Engagement für die umweltfreu­ndliche Antriebste­chnik auch dem abgasgesch­ädigten Image gut tun wird.

Die Ankündigun­g, dass die Produktion­sstätte in Zwickau mit einem Investitio­nsvolumen von 1,2 Milliarden Euro umgerüstet wird, habe die meisten Beschäftig­ten dort sehr erfreut, berichtet Gesamtbetr­iebsratsch­ef Bernd Osterloh. Liege doch im E-Auto die Zukunft der Mobilität. Andere VW-Standorte müssten aber nicht befürchten, von Zwickau abgehängt zu werden, denn mehr als 80 Prozent aller Fahrzeuge werden auch 2025 noch konvention­ell angetriebe­n. Perspektiv­isch bleiben die Werke laut Osterloh also ausgelaste­t.

Das erste vollelektr­ische Auto, das die Zwickauer Belegschaf­t baut, soll Ende 2019 vom Band laufen. Es zählt zur »ID-Familie«, von denen das Unternehme­n bereits vier Mitglieder auf der Internetse­ite vorstellt: einen Kompaktwag­en, der mit einer Batteriela­dung bis 600 Kilometer weit fahren kann, die Oberklasse­nlimousine »Vizzion«, den »Crozz« – eine Kombinatio­n aus SUV und Coupé – sowie den Elektro-Van »Buzz«. Noch mehr Raum bietet ein Transporte­r, mit dem VW den gewerblich­en Bereich ansteuert, etwa Handwerker und Kurierdien­ste: Den e-Crafter präsentier­t der Konzern ab Mittwoch auf der IAA Nutzfahrze­uge in Hannover.

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