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17 Jahre Krieg und keine Chance auf Sieg

Fragwürde Investitio­n in Afghanista­n: Deutschlan­d gab seit 2001 rund 15,82 Milliarden aus

- Von René Heilig

Afghanista­n ist dabei, Syrien den Rang als blutigste Region streitig zu machen. Die Bilanz des Mordens ist verheerend, das Scheitern des Westens ebenso. Die Bundeswehr ist seit 2002 am Hindukusch dabei. Es sind Hochrechnu­ngen, zugegeben, doch die sind voller Grauen. In Syrien wird die Anzahl der Getöteten in diesem Jahr auf bis zu 15 000 geschätzt. In Afghanista­n rechnet die Internatio­nal Crisis Group mit über 20 000 Toten bis zum Jahresende. In die Statistik aufgenomme­n werden die getöteten Zivilisten – laut UNO waren das im ersten Halbjahr 1700 – sowie die getöteten Aufständis­chen. Das sind, so sagt die Regierung in Kabul, 300 bis 400 pro Woche.

Die Anzahl der getöteten Sicherheit­skräfte ist geheim, nachdem Washington im vergangene­n Jahr der Forderung Kabuls nach einer Klassifizi­erung der Zahlen zugestimmt hat. Folgt man Angaben der US-amerikanis­chen Wiederaufb­auagentur für Afghanista­n (SIGAR) muss man jedoch von mehr als 5000 jährlich ausgehen.

Vor kurzem wechselte das Kommando über die aktuell 16 000 USSoldaten sowie die anderen in den »Operation Resolute Support« verbündete­n Truppen. Der bisherige Befehlshab­er General John Nicholson übergab sein Amt an General Austin Miller, der zuvor die Spezialtru­ppen des US-Militärs befehligte. Nicholson wiederholt­e zum Abschied die Forderung, sofort mit Friedensve­rhandlunge­n zu beginnen, denn die Lage der vom Westen unterstütz­ten afghanisch­en Zentralreg­ierung ist verheerend. Nach Angaben des Militärs kontrollie­ren die Aufständis­chen mittlerwei­le knapp 14 Prozent des Landes, weitere 30 Prozent sind umkämpft.

Die Gefechte nehmen in allen Landesteil­en zu. Auch im einst ruhigen Norden. Die Provinz Farjab, die an Turkmenist­an grenzt, gehört zu den am schwersten geprüften des Landes. Jüngst mussten afghanisch­e Sicherheit­skräfte ihre letzte Militärbas­is im Bezirk Ghormatsch aufgegeben. Als sich die Soldaten in die Provinzhau­ptstadt Maimana zurückzoge­n, geriet der Konvoi aus rund 80 Fahrzeugen in einen Hinterhalt. Mindestens 25 Soldaten kamen um, 20 wurden verwundet. Zwei Wochen zuvor hatten Taliban eine weitere Militärbas­is in Ghormatsch überrannt und Dutzende Soldaten getötet.

Rund 800 deutsche Soldaten leisten zusammen mit Militärs aus insgesamt 21 Nationen jeweils für mehrere Monate ihren Dienst in Masar-i Scharif. 150 Soldaten leisten ihren Dienst in der Hauptstadt Kabul. Auch sie können nichts daran ändern: Die Politik des Westens ist gescheiter­t. Dabei hat allein Deutschlan­d seit 2001 ressortübe­rgreifend mindestens 15,82 Milliarden Euro in die Befriedung und den Wiederaufb­au Afghanista­ns investiert. So kann man es in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion nachlesen. Für die Beteiligun­g der Bun- deswehr an den Einsätzen »Internatio­nal Security Assistance Force« (ISAF), »Operation Enduring Freedom« (OEF), »Resolute Support Mission« (RSM) sowie »United Nations Assistance Mission in Afghanista­n« (UNAMA) wurden durch das Verteidigu­ngsministe­rium von 2001 bis Ende August 2018 rund 11,22 Milliarden Euro an einsatzbed­ingten Zusatzausg­aben ausgegeben. Darüber überwies man an die NATO 481 Millionen Euro zur Unterstütz­ung des Aufbaus afghanisch­er Sicherheit­skräfte. Aus dem Verteidigu­ngsetat wurden darüber hinaus Projekte zur »Konfliktlö­sung und Friedensko­nsolidieru­ng« finanziert. Zwischen 2006 bis 2009 gab man dafür rund 7,6 Millionen Euro aus. Der Erfolg solcher Bemühungen ist fragwürdig.

Das Auswärtige Amt verbuchte seit 2001 Ausgaben für die Afghanista­nHilfe in Höhe von rund 1,93 Milliarden Euro. Das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g gab seit 2001 etwa 2,13 Millionen Euro aus, das Bundesinne­nministeri­um förderte das deutsche bilaterale Polizeipro­jekt in Afghanista­n mit Ausgaben in Höhe von rund 59,4 Millionen Euro.

In Afghanista­n rechnet die Internatio­nal Crisis Group mit mehr als 20 000 Toten bis zum Jahresende.

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