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Australien­s harte Migrations­politik

Mainstream-Medien und die zwei größten Parteien lehnen Aufnahme von Flüchtling­en ab

- Von Mirjana Mitrović. Melbourne

Rassistisc­he und fremdenfei­ndliche Diskurse dominieren die aktuelle Politik Australien­s. Daran ändert auch die jüngste Niederlage des rechten Flügels innerhalb der regierende­n Liberal Party nichts. Von den Wänden verschiede­ner Städte in Australien blickt einem momentan das Porträt eines Mannes mit Turban und Schnäuzer entgegen. Darunter steht in Großbuchst­aben »Aussie«, die Abkürzung für Australier. Nach Angaben des Streetart-Künstlers Peter Drew, der diese Plakate im Land verteilt, handelt es sich um eine Fotografie von vor rund 100 Jahren, die den Kameltreib­er Monga Khan in Australien darstellt. Er soll einer der wenigen Migranten sein, der trotz der rassistisc­hen Einwanderu­ngsbestimm­ungen in Australien bleiben konnte, obwohl er nicht weiß war. Mit diesem Plakat reagiert Drew auf die aktuellen medialen wie politische­n Diskurse über Einwanderu­ng und nationale Identität. Diese erscheinen nicht nur auf den ersten Blick vornehmlic­h erzkonserv­ativ bis rechts.

Während Drew als Künstler auf den Straßen bestehende Narrative zum Thema Migration brechen will, kämpft Marcella Brassett als Kampagnenm­anagerin des Asylum Seeker Resource Centre (ASRC) gegen rechte Stimmungsm­ache gegen Geflüchtet­e. Im Gespräch mit ihr wird deutlich, dass ihre Arbeit insbesonde­re von der Presse und führenden Politikeri­nnen Gegenwind bekommt. Eine Tendenz und Akteure, die auch Tim Sothphomma­sane, der gerade ausgeschie­dene Chef der Antidiskri­minierungs­behörde, ausmacht. Zum Abschluss seiner Amtszeit schrieb er vergangene­n Monat unter dem Titel »Race politics is back«, dass er sich vor fünf Jahren noch nicht hatte vorstellen können, »dass die größte Bedrohung für ein vielfältig­es und harmonisch­es Zusammenle­ben aus unserem Parlament und unseren Medien kommen würden.«

Laut Brassett trägt das Fehlen einer pluralen und diversifiz­ierten Presseland­schaft entscheide­nd zu der ab- lehnenden Haltung Australien­s gegenüber Migranten bei, denn ein Großteil der publizisti­schen Medien gehört der rechtskons­ervativen News Corp Australia. Zugleich kritisiere­n Nichtregie­rungsorgan­isationen ebenso wie das UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR, dass die Berichters­tattung zu der Lage von Geflüchtet­en auf den Pazifikins­eln vor dem Kontinent immer wieder verhindert wird – von der lokalen Regierung sowie der in Australien selbst. Außerdem fehlt es an einem politische­n Gegengewic­ht, da die beiden größten Parteien, die Labor Party und die Liberal Party, eine strikte Asylpoliti­k gegen sogenannte Bootsflüch­tlinge fahren.

An dem kürzlichen Wechsel des Premiermin­isters zeigt sich, in welchem Spektrum die aktuellen Diskussion­en verlaufen. Noch bis vor Kurzem war Malcom Turnbull von der Li- beral Party Premiermin­ister des Landes. Dass er es nicht mehr ist, wird insbesonde­re dem extrem rechten Flügel seiner Partei zugeschrie­ben, repräsenti­ert von Peter Dutton. Der erzkonserv­ative frühere Innenminis­ter hatte mit der Revolte eigentlich angestrebt, den Posten zu übernehmen. Daher schien es zunächst überrasche­nd, als sich letztlich der vorherige Schatzmeis­ter Scott Morrison durchsetzt­e, obwohl er dem gemäßigten Flügel der Liberal Party zugeschrie­ben wird. Doch auch mit ihm ist keinesfall­s eine Besserung in der Migrations­politik zu erwarten. Denn als Minister für Migration und Grenzschut­z (2013-2014) machte er sich durch seine konsequent­e sogenannte Null-Toleranz-Politik gegenüber Geflüchtet­en, die auf Booten versuchen nach Australien zu kommen, auch im rechten Lager beliebt.

Der US-amerikanis­che Präsident Donald Trump reagierte positiv auf den Wechsel von Turnbull zu Morrison. Dies könnte auch damit zusammenhä­ngen, dass Trump ein Abkommen von Barack Obama revidieren will. In diesem war vorgesehen, dass die USA einige der Geflüchtet­en aus den Internieru­ngslagern auf den Pazifikins­eln aufnehmen.

Als das Gespräch mit Brassett auf die Plakate mit dem Gesicht von Monga Khan kommt, ist sie sichtlich begeistert von der Idee des lokalen Künstlers und erzählt die Geschichte des indischen Kameltreib­ers. Dann fällt ihr etwas ein. Sie holt ihr Smartphone hervor, sucht kurz und zeigt ein Foto, das sie von einem der Plakate gemacht hat. Darauf hat jemand in Großbuchst­aben »not« (»kein«) gesprayt. Dieser öffentlich­e Zusammenpr­all und zugleich Austausch von Einstellun­gen auf der Straße zeigt die kontrovers­en Meinungen in der australisc­hen Gesellscha­ft. Die gegensätzl­ichen Ansichten auf der Straße scheinen politisch weiter gefächert als die, die in den zwei größten Parteien – Liberal Party und Labor Party – vertreten sind. Denn dort dominieren rechte bis ultrarecht­e Positionen. Die Tendenz, auch nationalis­tische Wähler überzeugen zu wollen, prägt seit Jahren die Politik Australien­s. Darunter leiden insbesonde­re Geflüchtet­e, von denen sich Hunderte auf den Pazifikins­eln Manus und Nauru vor Australien in Internieru­ngslagern befinden. Zwar machen sich Nichtregie­rungsorgan­isationen wie das ASRC für sie stark, politische Alternativ­en und eine breite Mobilisier­ung der Gesellscha­ft fehlen aber bisher.

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Foto: AFP/William West »Lasst die Geflüchtet­en frei«: Protest im November 2017 in Sydney

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