Sprung vom linken Schiff
Bei den kommenden Kommunalwahlen in Polen droht der zersplitterten Linken eine Schlappe
Polens politische Linke bleibt zersplittert. Dabei gäbe es Potenzial für größere Wahlerfolge. Nutznießerin ist die nationalkonservative PiS. Der Wahlkampf in Polen ist auf der Zielgeraden. Am 21. Oktober wird gewählt und aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass der Ausgang der Lo- kalwahlen eine veränderte Situation in den polnischen Selbstverwaltungen hinterlassen wird.
Neuesten Prognosen zufolge wird die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in einigen Ballungszentren die regierende Bürgerplattform (PO) ablösen. In den Umfragetrends gibt es jedoch einen entscheidenden Unterschied zu den letzten Parlamentswahlen, als die Vereinigte Rechte um Jarosław Kaczyński die absolute Mehrheit erreichte. Das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), das im Herbst 2015 auf ein historisches Tief abgesackt war und den Einzug in den Sejm verpasste, erfreut sich momentan wieder eines zwischenzeitlichen Höhenflugs.
Trotz der vorübergehenden Euphorie deuteten sich im WahlkampfEndspurt dramatische Verluste für die linken Parteien an. »Viele bleiben am Wahltag daheim, aber diejenigen, die sich zum Urnengang entschließen, möchten ihre Stimme nicht vergeuden und entscheiden sich letztlich für eine der großen Parteien, obwohl ihre Ansichten eher links verortet sind«, meint der Warschauer Politologe Rafał Chwedoruk.
Dass am Ende für das Bündnis SLD von den zwischenzeitlichen Umfragehochs nicht mehr viel übrig bleibt, lag bisher nicht nur an der linken Konkurrenz. Die Idee einer »Vereinigten Linken« war vor drei Jahren an der Acht-Prozent-Sperrklausel für Parteienbündnisse gescheitert und hat zu Zerwürfnissen geführt, von denen sich die polnische Linke bis heute nicht erholt hat. Heute wetteifern um die linke Wählergunst zahlreiche Initiativen, von denen Parteien wie Razem, Unia Pracy, Biało-Czerwoni und Inic- jatywa Polska noch die bekanntesten sind. Auch die Postulate der polnischen Grünen zerschellten bisher immer wieder an der Mauer der politischen Wirklichkeit.
All diese jungen Parteien sehnen sich nach einer Erfolgsgeschichte nach dem Muster der spanischen Linkspartei Podemos. Als Hindernis für einen Rafał Chwedoruk, Politologe
vergleichbaren Siegeszug der linken Initiativen in Polen lässt sich ein wichtiger Grund ausmachen. Alle wollen ihren eigenen Weg gehen und weigern sich vehement, sich dem SLD anzuschließen – trotz seiner aktuellen Höhenflüge.
Für den Razem-Chef Adrian Zandberg ist eine Zusammenarbeit mit der Partei kaum möglich, solange sich dort Postkommunisten wie Włodzimierz Czarzasty vor den Karren spannen lassen. »SLD spricht Nostalgiker an, die von der Volksrepublik träumen. Junge Menschen würden diese Partei heute nicht mehr wählen«, glaubt Zandberg.
Andere dagegen – wie Barbara Nowacka mit ihrer Inicjatywa Polska – haben sich bereits damit abgefunden, dass es links ohnedies nichts mehr zu holen gibt, und schlossen sich der »Bürgerlichen Koalition« um die PO sowie Nowoczesna an. Dies ist oft der Hauptgrund für die Stimmverluste des SLD auf der Zielgeraden: Die begabtesten linken Protagonisten können kurz vor den Wahlen den Versuchungen der »großen Politik« nicht widerstehen und springen vom linken Schiff auf die liberale »Bürgerplattform«. Oder sie bleiben stur, indem sie sich beharrlich Gesprächen verweigern, auch wenn ihre Zustimmungswerte seit Jahren stagnieren.
Eine solche Entwicklung ist bedauerlich, zumal eine vereinigte Linke durchaus das Potenzial hätte, über 20 Prozent der Wählerstimmen zu erreichen. Stattdessen befindet sich die polnische Sozialdemokratie derzeit in einer Situation wie die zerstrittenen rechten Parteien in den 1990er Jahren, der Blüteperiode des SLD. Sie aber verstanden es, sich an einen Tisch zu setzen und mit der »Wahlaktion Solidarność« (AWS) von 1997 bis 2001 gar den Premierminister zu stellen.
Neue Hoffnungen auf eine Konsolidierung der Linken weckte jüngst Robert Biedroń, der im Jahr 2014 in einer Stichwahl zum Bürgermeister der Kleinstadt Słupsk gewählt wurde. Biedroń hat eine eigene Initiative für die EU-Parlamentswahlen angekündigt und findet damit bei fast allen linken Parteilenkern regen Zuspruch. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Schritt die Linke wieder in die Erfolgsspur bringen kann. Ignacy Rzecki, der Held aus dem wohl bekanntesten polnischen Roman »Die Puppe«, wiederholte unermüdlich: »Träumen ist erlaubt.«
»Diejenigen, die sich zum Urnengang entschließen, möchten ihre Stimme nicht vergeuden und entscheiden sich letztlich für eine der großen Parteien, obwohl ihre Ansichten eher links verortet sind«.