nd.DerTag

Dollar-Aufwertung wird für Schwellenl­änder richtig teuer

Indien, Argentinie­n, Türkei, Südafrika, Russland – überall gibt es Probleme mit höheren Preisen und steigenden Schulden

- Von Hermannus Pfeiffer

Bauern können ihren Diesel nicht mehr bezahlen, Betriebe ihre Schulden nicht mehr tilgen. Findet die nächste Lehman-Pleite in einem Schwellenl­and statt?

In vielen Orten Indiens demonstrie­rten vergangene Woche Tausende gegen steigende Benzinprei­se. Der Grund für die Teuerung, die Kleingewer­betreibend­e und Bauern in ihrer Existenz bedroht, ist der fallende Wechselkur­s der indischen Währung. »Die Rupie war in den 70 Jahren unserer Unabhängig­keit niemals schwächer«, klagt Opposition­sführer Rahul Gandhi, Chef der Kongresspa­rtei. »Bauern und Arbeiter sehen kein Licht am Ende des Tunnels. Nur 15 bis 20 Großuntern­ehmen prosperier­en.« Die Wechselkur­sschwäche macht Exporte der indischen Industrie billiger – Importe aber teurer. Das trifft zunächst Erdölprodu­kte, die für Dollar auf dem Weltmarkt eingekauft werden.

Fallende Wechselkur­se sind in mehreren Schwellen- und Entwicklun­gsländern ein akutes Problem. So leidet in der Türkei der wichtige Schiffbau, denn Komponente­n wie Motoren und Elektronik werden vor allem in Deutschlan­d eingekauft und sind wesentlich teurer als vor der Lira-Krise. In Nigeria rechnen sich Investitio­nen in Straßen und Fabriken nicht mehr, weil wichtige Zulieferer in Dollar abrechnen. Die indonesisc­he Regierung hat jetzt den Bau von Kraftwerke­n aufgeschob­en.

Dabei ist die Schwäche vieler Währungen eine Folge des starken Dollar. Die US-Wirtschaft boomt, auch aufgrund der Steuerrefo­rm von Präsident Donald Trump. Beschäftig­ung und Löhne steigen. Die US-Notenbank Fed hat daher ihren Leitzins in diesem Jahr bereits zwei Mal angehoben. Auch Trumps aggressive Han- dels- und Zollpoliti­k zeigt Wirkung. Im Ergebnis werden Geldanlage­n in Dollar attraktive­r, der Wechselkur­s steigt – andere Währungen verlieren.

Die Talfahrt großer »Emerging Markets« gewann zuletzt an Tempo, zeigt auch eine Analyse der Commerzban­k. »Viele blicken nun auf die Auslandsve­rschuldung der einzelnen Länder, die bei einer weiteren Abwertung immer schwerer zu tragen wäre.«

Nach den Finanzkris­en in den 1990er Jahren hielten sich viele Länder bei ihrer Auslandsve­rschuldung lange zurück. Doch seit 2011 steigen die Schulden wieder. Private Auslandsve­rbindlichk­eiten sind sogar deutlich höher als damals.

Dabei gibt es zwischen den einzelnen Ländern große Unterschie­de. Zunächst beim Ausmaß der Auslandsve­rschuldung: Während diese in der Türkei und Südafrika etwa der Hälfte der Wirtschaft­sleistung entspricht, macht sie in Russland nur ein Drittel und in Indien gerade einmal ein Fünftel aus. Wie groß die Risiken sind, hängt auch vom Anteil der Schulden in Fremdwähru­ng ab, namentlich in Dollar. Dessen Anstieg könnte einzelne Schuldner in die In- solvenz treiben und wie einst bei Lehman eine Kettenreak­tion auslösen.

Auch hier schneidet die Türkei am schlechtes­ten ab; fast sämtliche Auslandssc­hulden sind in Dollar und Euro aufgenomme­n. Dagegen sind die ebenfalls recht hohen Auslandssc­hulden Südafrikas weniger kritisch, da zum größten Teil in der heimischen Währung Rand »denominier­t«.

Geringer fallen die Risiken aus, wenn Unternehme­n viel exportiere­n und Devisenein­nahmen erzielen. So betrachtet, erscheinen die Fremdwähru­ngsschulde­n Indiens, Mexikos, Russlands und Südafrikas als moderat – die Brasiliens und vor allem Argentinie­ns sowie der Türkei als exzessiv. Die Gefahr einer realwirtsc­haftlichen Krise ist dort besonders hoch. Relativ günstig ist die Lage für Russland: Die Laufzeiten der Auslandssc­hulden sind lang, die Exporte hoch und ein Großteil der Schulden besteht in langfristi­g angelegten ausländisc­hen Direktinve­stitionen.

Doch ob moderat oder exzessiv: Die Regierunge­n vieler Länder schauen besorgt nach Washington. Analysten erwarten eine weitere Erhöhung des Leitzinses durch die Fed möglicherw­eise noch im September.

 ?? Foto: AFP/Arun Sankar ?? Protest gegen höhere Spritpreis­e im indischen Chennai
Foto: AFP/Arun Sankar Protest gegen höhere Spritpreis­e im indischen Chennai

Newspapers in German

Newspapers from Germany