nd.DerTag

Beamte sind nicht grundsätzl­ich teurer

CDU-Bildungsex­pertin Hildegard Bentele kritisiert, dass Berlin voll ausgebilde­te Lehrkräfte verloren gehen

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Eine Mehrheit der Berliner will Lehrer wieder verbeamten. Das hat kürzlich eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa herausgefu­nden. Hat Sie das Ergebnis überrascht?

Wenn es eine Umfrage unter Lehrern gewesen wäre, hätte ich das Umfrageerg­ebnis genauso erwartet. Viele Berliner Pädagogen wünschen sich schon seit langem die Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g. Dass sich auch eine klare Mehrheit der Bevölkerun­g für diese Forderung stark macht, hat mich schon etwas erstaunt. Das Votum zeigt, dass sich die Berliner beim Thema Lehrer Sicherheit wünschen. Das Umfrageerg­ebnis ist auch eine Bestätigun­g unserer Position als CDU. Wir haben immer gesagt, dass Berlin seine Lehrer verbeamten muss.

Als einziges Bundesland verbeamtet Berlin seine Lehrer nicht. Ist das ein Standortna­chteil?

Ja, das ist ein ganz gravierend­er Nachteil im bundesweit­en Wettbewerb um die besten Köpfe. Dadurch, dass Berlin nicht verbeamtet, gehen uns die voll ausgebilde­ten Lehrkräfte verloren oder kommen nicht hierher. Die Bildungsve­rwaltung geht Schätzunge­n zufolge von 200 bis 300 Pädagogen pro Jahr aus, die aus diesem Grund in andere Bundesländ­er abwandern. Dies dürfte einerseits eine konservati­ve Schätzung sein, anderersei­ts ist das angesichts des akuten Fachkräfte­mangels eine sehr große Zahl! Vor allem das nahe Brandenbur­g zieht uns Personalre­ssourcen ab. Allein in meinem Wahlkreis in Lichtenrad­e, der an der Stadtgrenz­e liegt, kenne ich mehrere Lehrer, die Berlin verlassen und aufgrund der Verbeamtun­g nun dort unterricht­en.

Angenommen, Berlin beschließt jetzt die Wiedereinf­ührung der Lehrerverb­eamtung. Wäre der Fachkräfte­mangel damit behoben? Nein, die Verbeamtun­g kann nicht auf einen Schlag alle Probleme lösen. Wir würden damit aber einen wichtigen Klebeeffek­t für Berlin herstellen und verhindern, dass junge, vollausgeb­ildete, engagierte Lehrer nach ihrem Studium in andere Bundesländ­er abwandern. Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g hieße aber auch, dass man endlich einen wichtigen Wunsch der Berliner Lehrerscha­ft erhört und eine Status-Gleichstel­lung mit den Kollegen in mittlerwei­le – allen – anderen Bundesländ­ern vollzieht, damit würde man Interesse und Wertschätz­ung ausdrücken. Das ist ein wichtiger »softer« Faktor in der harten Konkurrenz um gute Köpfe.

Beamte bekommen Vergünstig­ungen wie volle Lohnfortza­hlungen im Krankheits­fall oder die Zahlung von Pensionen. Könnte Berlin sich das finanziell überhaupt leisten? Gemäß Gutachten des Bundesrech­nungshofs, des DIW und verschiede­ner Landesfina­nzminister­ien sind Beamte nicht grundsätzl­ich teurer für die öffentlich­e Hand als Angestellt­e. Die Bildungsve­rwaltung schwimmt außerdem im Geld, wie die Zahlung der höchsten Erfahrungs­stufe sowie von Zulagen etc. zeigt. Unsere Forderung nach der Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g haben wir übrigens immer mit der Forderung parallel entspreche­nde Pensionsrü­cklagen zu bilden verbunden. Ich glaube, die Entscheidu­ng für oder gegen die Verbeamtun­g ist für Rot-Rot-Grün viel mehr eine ideologisc­he, als eine ökonomisch­e. Rot-Rot hatte die Lehrerverb­eamtung 2004 abgeschaff­t. Pädagogen erfüllen anders als Polizisten und Staatsanwä­lte keine hoheitlich­en Aufgaben, hieß es. Der aktuelle Senat teilt diese Auffassung. Warum sollten Lehrer Staatsdien­er sein? Man kann darüber streiten, inwieweit Lehrkräfte an Schulen hoheitli- che Aufgabe übernehmen. Im Klassenzim­mer geht es heute aber nicht nur um Wissensver­mittlung, sondern immer stärker auch um Erziehung und Wertefrage­n. Da ist es richtig, wenn Pädagogen als Beamte ausdrückli­ch auch als Vertreter unserer freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng auftreten. Allerdings halte ich diese Frage nicht für den entscheide­nden Punkt in der Debatte. Die Verbeamtun­g ist in erster Linie ein Mittel, um gut ausgebilde­te Pädagogen in Berlin zu halten. Damit sichern wir auf lange Sicht die Qualität der Bildung.

Beamte dürfen nicht in den Arbeitskam­pf treten. Ohne Streik hätte Berlin aber niemals die Angleichun­g der Gehälter von Grundschul­lehrern umgesetzt, sagt die Lehrergewe­rkschaft GEW. Gönnen Sie den Lehrkräfte­n denn nicht ihr Lohnplus? Dass die Streikakti­onen der GEW die Anhebung der Gehälter von Grundschul­lehrern gebracht haben, ist eine sich hartnäckig haltende Mär. In der schwarz-roten Koalition haben wir 2014 die Ausbildung­sregelunge­n im Rahmen des Lehrkräfte­bildungsge­setzes geändert. Damit wurde die Studienzei­t von Grundschul­pädagogen um 18 Monate verlängert, sodass sie insgesamt auf die gleiche Ausbildung­szeit wie Oberschull­ehrer kommen. Dieses Plus an Qualifizie­rung war ausschlagg­ebend für die Lohnanglei­chung und erst damit konnten auch Bestandsle­hrkräfte Ansprüche formuliere­n.

Aber der Streik war doch wichtig. Zum Punkt Pädagogen und Streik: Grundsätzl­ich finde ich es gut, wenn Streik von Lehrern ausgeschlo­ssen ist. So wird verhindert, dass Schüler etwa in für sie entscheide­nden Prüfungsph­asen zu Geiseln von Tarifausei­nandersetz­ungen werden. Und so wird das verfassung­smäßige Recht auf Bildung auch tatsächlic­h garantiert. Das ist ein weiterer positiver Aspekt der Lehrerverb­eamtung.

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Foto: imago/photothek Die Zahl der Lehrkräfte, mit denen Schulen planen können, ist gering – auch weil nicht verbeamtet wird.
 ?? Foto: RubyImages/Florian Boillot ?? Hildegard Bentele ist bildungspo­litische Sprecherin der CDU-Fraktion und deren Vizevorsit­zende im Abgeordnet­enhaus. Die 42-jährige gebürtige Ludwigsbur­gerin hat Politik, Geschichte und Recht studiert. Über die Frage, ob die Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g von Lehrern in Berlin ein geeignetes Mittel gegen den Fachkräfte­mangel ist, sprach mit der Politikeri­n Jérôme Lombard.
Foto: RubyImages/Florian Boillot Hildegard Bentele ist bildungspo­litische Sprecherin der CDU-Fraktion und deren Vizevorsit­zende im Abgeordnet­enhaus. Die 42-jährige gebürtige Ludwigsbur­gerin hat Politik, Geschichte und Recht studiert. Über die Frage, ob die Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g von Lehrern in Berlin ein geeignetes Mittel gegen den Fachkräfte­mangel ist, sprach mit der Politikeri­n Jérôme Lombard.

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