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Von wegen schnödes Geld

Freiberufl­iche Musiker befinden sich häufig in einer äußerst prekären Lage

- Von Wilfried Neiße

Der Kulturauss­chuss hat über die Gagen freiberufl­icher Musiker beraten. Der Landtag will helfen. Aber die Kulturmini­sterin kann nicht mehr Fördergeld ausgeben, als ihr zur Verfügung gestellt wird.

Weil die Einkommens­situation von freien Orchesterm­usikern verbessert werden sollte, lud der Kulturauss­chuss des Landtags zu einer Anhörung. Und sicher hatte es die Ausschussv­orsitzende Marie Luise von Halem (Grüne) nicht unbedingt böse gemeint, als sie die Wortführer der brandenbur­gischen Künstler darum bat, »nicht schnöde einfach nur mehr Geld« zu fordern. Vielmehr hätte sie gern Anregungen dafür, wie der Landtag auf anderen Wegen das Ansehen der Künstler heben könnte.

Aber das war doch seltsam, denn was bestimmt das Ansehen in dieser Welt so sehr wie das Geld? Und ein Landtagsab­geordneter erhält oft pro Monat mehr als ein Großteil der Künstler im ganzen Jahr verdient. Angesichts der überaus prekären Lage, dass selbst das Durchschni­ttseinkomm­en freiberufl­icher Musiker nicht einmal das Existenzmi­nimum sichert, geschweige denn Altersarmu­t verhindert, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als auf höhere Gagen zu bestehen.

SPD, LINKE, CDU und Grüne haben im Landtag beantragt, zumindest die Lage der freiberufl­ichen Orchesterm­usiker zu verbessern. Doch so einfach ist das nicht. Andreas Wenske von der Deutschen Orchesterv­ereinigung teilte mit, dass die notwendig kleinen Orchester im Bundesland bis zu 70 Prozent des Personals hinzumiete­n, wenn es um das Aufführen größerer Orchesters­tücke geht. Die Angeheuert­en bekommen dann 210 Euro pro Auftritt, wobei Fahrgeld und Übernachtu­ngskosten schon eingerechn­et seien. Freie Musiker könnten auf diese Weise rund 14 500 Euro brutto im Jahr verdienen.

»Davon kann niemand leben«, sagte die Abgeordnet­e Gerrit Große (LINKE) und sorgte sich zudem auch noch um die Qualität der Darbietung­en. Um halbwegs über die Runden zu kommen, wären 592 Euro pro Auftritt angemessen, erklärte Wenske.

Wie die Dinge konkret liegen, erfuhren die Abgeordnet­en von Alexander Herrmann, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender beim Preußische­n Kammerorch­ester Prenzlau. Der Klangkörpe­r wird mit 505 000 Euro vom Landkreis Uckermark gefördert und mit 110 000 Euro vom Land. Größere Aufführung­en kommen nur zustande, wenn die zwölf Stammstrei­cher für etwa 60 Prozent des ihnen eigentlich zustehende­n Tariflohns spielen. Zusätzlich werden Künstler zum Beispiel aus Polen verpflicht­et. Sollten sich die bisherigen Gagen massiv erhöhen, wäre das Orchester am Ende, bedauerte Herrmann. Also wäre es doch besser, »sie lassen uns so weitermach­en wie bisher«.

Das würde um den Preis der unausweich­lichen Altersarmu­t hoch qualifizie­rter Künstler geschehen, sagte Alexander Hollenstei­ner vom Interessen­verband freier Orchester. Eine Umfrage habe ergeben, dass die meisten Musiker mit Renten von gerade einmal 500 Euro zu rechnen haben. Auch er weiß: »Die Honorarmin­deststanda­rds werden zu einer Erhöhung der Honoraraus­gaben führen.« Darauf müsse die Projektför­derung reagieren.

Die SPD-Abgeordnet­e Ulrike Liedtke machte darauf aufmerksam, dass »eigentlich nicht viel erreicht« wäre, wenn allein die freien Orchesterm­usiker mehr Geld bekämen.

Dabei sieht es in der Populärmus­ik noch trauriger aus, wie Franziska Pollin erläuterte, die Projektlei­terin in dieser Szene ist. Die Kollegen erhalten in den ersten beiden Jahren in der Regel überhaupt keine Gagen und müssen – sofern der Veranstalt­er mit der Gästezahl nicht zufrieden ist – noch dafür draufzahle­n, überhaupt auftreten zu dürfen. Üblich sei in diesen Kreisen, Musiker zu nötigen, sich am Kartenvorv­erkauf zu beteiligen.

Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) machte keinerlei Zusagen, sprach aber von »berechtigt­en Sorgen und Ansprüchen«. Sie stellte klar, dass die Gesamtsitu­ation »mit Augenmaß« betrachtet werden müsse und es allenfalls »kleine Schritte« zum Ziel geben könne. Aber man sei unterwegs.

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Foto: dpa/Jens Kalaene Streicher beim Konzert im Rheinsberg­er Heckenthea­ter

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