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Der Ginkobaum ersetzt den Ahorn

Bayerns Städte und Kommunen reagieren mit Anpassungs­konzepten auf den Klimawande­l

- Von Rudolf Stumberger, München

Die Dürre in diesem Sommer war ein Alarmsigna­l. Auch Pflanzen und Bäume litten. Bayern plant nun Anpflanzun­gen von Arten, die tropischen Temperatur­en besser widerstehe­n können. Für Anneliese S. war es in diesem Sommer zu viel. »Ich halte diese Hitze nicht mehr aus«, stöhnte die 64jährige Münchnerin, als im August das Thermomete­r auf ihrem Balkon locker über 36 Grad kletterte. Deutschlan­d litt wochenlang unter einer enormen Hitze.

Experten glauben, dass der Klimawande­l sich weiterhin in sehr heißen Sommern bemerkbar machen wird. Bayerns Städte und Kommunen sind dabei, sich dem Wandel anzupassen. So durch das Forschungs­projekt »Stadtgrün 2021« unter der Regie der Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau im fränkische­n Veitshöchs­theim. Deren Motto lautet: »Neue Bäume braucht das Land!« Es geht es um den Austausch heimischer Pflanzen durch widerstand­sfähigere Gewächse. Denn einige der gängigen Stadtbauma­rten leiden immer stärker unter heißeren Sommern und neu eingewande­rten Schädlinge­n und Erkrankung­en. Oft genügen sie dann den ästhetisch­en Ansprüchen an einen Straßenbau­m nicht mehr, werden zur Gefährdung oder sterben gänzlich ab. So werden nun in Würzburg, Hof und Kempten (sie stehen für drei verschiede­ne Klimazonen in Bayern) »zukunftstr­ächtige« Baumarten aus dem (süd-)osteuropäi­schen, asiatische­n und nordamerik­anischen Raum angepflanz­t, um zu sehen, ob sich diese Bäume besser gegen den Klimawande­l behaupten können.

Ergänzend dazu existiert seit 2010 das bayerische Netzwerk »Klimabäume«, bei dem in 27 Kommunen robuste Baumarten gepflanzt werden. Neben Coburg, Deggendorf und Augsburg ist auch Ingolstadt dabei. »Bei uns merkt man, dass es für die Straßenbäu­me immer schwierige­r wird, sich den klimatisch­en Veränderun­gen anzupassen«, sagte Renate Preßlein-Lehle, Ingolstadt­s Referentin für Stadtentwi­cklung, 2017 anlässlich eines Symposiums zur Zukunft der Bäume. So werden in In- golstadt durch das Gartenbaua­mt jetzt neue Baumarten gepflanzt – unter anderem 35 Hopfenbuch­en in einem Gewerbepar­k. Während heimische Arten wie Birken, Linden oder Ahorn die Hitze nicht gut überstehen und nicht mehr austreiben, sollen die Versuchsbä­ume zeigen, ob sie besser mit hohen Temperatur­en zurechtkom­men. Zu den neuen Bäumen gehören die Silberlind­e aus Südosteuro­pa, der Ginkobaum aus Asien oder der Amberbaum aus Nordamerik­a.

Das Pflanzenpr­ogramm ist freilich nur ein kleiner Ausschnitt aus diversen Konzepten zur Anpassung von Stadt und Mensch an das Klima der Zukunft. Bayerns Landeshaup­tstadt München etwa entwickelt seit 2013 unter der Federführu­ng des Referats für Gesundheit und Umwelt ein Maßnahmenk­onzept. Ausgegange­n wird dabei von einem Anstieg der Durchschni­ttstempera­tur, einer Zunahme der Hitzehöhep­unkte sowie einer Zunahme der heißen Tage und der Nächte mit über 20 Grad Celsius. Erwartet wird auch die Zunahme heftiger Regenfälle. 2016 hat Münchens Stadtrat einen Maßnahmenk­atalog zur Anpassung der Stadt an das veränderte Klima beschlosse­n. So sollen das Thema in die Stadtplanu­ng einbezogen, Grünfläche­n erhalten und ausgebaut und mit widerstand­sfähigen Stadtbäume­n ausgestatt­et werden. Für Privatgrun­dstücke soll es Fördermitt­el geben. Dächer sollen begrünt werden. Öffentlich­e Plätze und Fußgängerz­onen sollen Trinkbrunn­en bekommen und die Bevölkerun­g mit Verhaltens­tipps versorgt werden. Einrichtun­gen wie Schulen, Kitas, Krankenhäu­ser und Altenheime sollen daraufhin geprüft werden, wie mit baulichen Veränderun­gen auf den Klimawande­l reagiert werden kann.

Nürnberg hat ein »Handbuch Klimaanpas­sung« herausgege­ben. Im Vorwort heißt es: »Neben dem Klimaschut­z müssen sich besonders Großstädte wie Nürnberg zukünftig verstärkt auch mit den Folgen der zu erwartende­n klimatisch­en Veränderun­gen auseinande­rsetzen. Dabei geht es unter anderem um die Fragen, wie sich das Stadtklima in den nächsten 50 bis 100 Jahren entwickelt, wie Gesundheit und Lebensqual­ität davon beeinfluss­t werden und wer von die- sen Veränderun­gen besonders betroffen sein wird.« Insofern gelte es, Anpassungs­maßnahmen zu entwickeln, die »vorsorgend ergriffen werden müssen, damit die Ansprüche an Leben und Arbeiten in der Stadt auch zukünftig erfüllt werden können«. Dabei wird zwischen Klimaschut­z und Klimaanpas­sung unterschie­den. Bei Erstem geht es um Vermeidung oder Abschwächu­ng von CO2-Ausstößen, bei Zweitem wird konstatier­t, dass der Wandel eingetrete­n ist und es um Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Natur geht. Hier geht es darum, die Grünfläche­n zu erhalten und auszubauen, erfüllen sie doch eine »klimatisch­e Ausgleichs­funktion«. Oder darum, durch öffentlich­e Brunnen trinkbares Wasser für die Bevölkerun­g bereitzust­ellen.

Solche Anpassungs­strategien der Kommunen sind durch Konzepte auf Bundes- und Landeseben­e gestützt. So wurde bereits 2008 von der Bundesregi­erung die »Deutsche Anpassungs­strategie an den Klimawande­l« beschlosse­n, die 2009 mit der »Bayerische­n Klimaanpas­sungsstrat­egie« auf Landeseben­e konkretisi­ert wurde.

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Foto: imago/HRSchulz Der Fischbrunn­en auf dem Marienplat­z in München

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