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Die Lage ist ernst

Zum »Tübinger Memorandum« und zur Insolvenz des Stroemfeld Verlages

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Die Zeiten für Verlage sind ernste. Der Börsenvere­in des deutschen Buchhandel­s hat verkündet, dass man in fünf Jahren rund sechseinha­lb Millionen Buchkäufer­innen und -käufer verloren habe, lediglich 45 Peozent der Bevölkerun­g kaufen der Statistik zufolge einmal im Jahr ein Buch. Im Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag eine Änderung des Urheberrec­hts in Bildung und Wissenscha­ft beschlosse­n, die das Geschäft vieler redlich arbeitende­r Wissenscha­ftsverlage erheblich schmälert. Die Deutsche Post hat die Portokoste­n für Büchersend­ungen um 20 Prozent erhöht. Die deutsche Monopolkom­mission hält die Buchpreisb­indung für überflüssi­g.

All diese Nachrichte­n haben Konsequenz­en:

– Vor wenigen Tagen gab der Verlag Klöpfer & Meyer in Tübingen – er ist Mitglied im Freundeskr­eis der Kurt Wolff Stiftung – bekannt, auf sein nächstes Frühjahrsp­rogramm verzichten zu müssen und seine Arbeit unter den nun vorherrsch­enden Umständen nicht mehr fortführen zu können.

– Der Münchener A1 Verlag, dessen Programm in der kommenden Ausgabe des Kurt WolffKatal­oges »Es geht um das Buch« (erscheint im Oktober) ausgiebig gewürdigt wird, hat bereits im vergangene­n Jahr seine Liquidatio­n beschlosse­n.

– Die FAZ verkündete heute, dass der Frankfurte­r Geschäftst­eil des Stroemfeld Verlages (es gibt einen weiteren Firmensitz in der Schweiz) Insolvenz anmelden musste. Die FAZ begründete dies mit der »schrumpfen­den Interessen­tenzahl« für die vielgelobt­en Werkausgab­en des Verlages, für die Stroemfeld 2007 den KurtWolff-Preis erhalten hatte. Jürgen Kaube, der Herausgebe­r des FAZFeuille­tons überschrie­b seine Meldung mit dem Titel »Einst, als wir lasen«.

Die Kurt Wolff Stiftung glaubt nicht daran, dass die Zeiten des Lesens, des Bücherlese­ns vor allem, bereits Vergangenh­eit sind. Doch wir sehen mit wachsender Sorge, dass die Verlage, gerade auch die unabhängig­en Verlage, immer mehr unter Druck geraten. Und mit ihnen die literarisc­he Vielfalt, die Bibliodive­rsität, die Buchhandlu­ngen und nicht zuletzt die Urheberinn­en und Urheber.

Insofern begrüßen wir es, dass beeindruck­end viele Autorinnen und Autoren des Verlags Klöpfer & Meyer der Initiative der Kulturwiss­enschaftle­r Hermann Bausinger und Thomas Knubben folgen, deren »Tübinger Memorandum: Wider das Sterben der Verlage, für Diversität der Literatur und Buchkultur« unterzeich­nen, und somit Unterstütz­ung für herausrage­nde konzernuna­bhängige Verlage verlangen.

Wir begrüßen es sehr, dass mehrere Bundesländ­er, BadenWürtt­emberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Verantwort­ung übernehmen und herausrage­nde Verlage aus ihrer Region mithilfe von Verlagspre­isen sichtbar machen.

Besonders begrüßen wir es, dass die Staatsmini­sterin für Kultur und Medien, Professori­n Monika Grütters, sich vehement für den Erhalt der Buchpreisb­indung einsetzt und jüngst einen Preis für unabhängig­e Verlage in Aussicht gestellt hat.

Denn die Lage ist ernst. Tagtäglich sehen wir auf der Straße wie in den sozialen Medien eine Verrohung der Sitten und der Sprache. Gute Bücher aber sind eine gute Waffe gegen Dummheit. Wir müssen daher alle dafür eintreten, dass unsere Gesellscha­ft eine ist, die nicht nur las, sondern liest und lesen wird. 7. September 2018

Britta Jürgs, Leif Greinus und Jörg Sundermeie­r – Vorstand der Kurt Wolff Stiftung

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