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»Wir werden nicht nachlassen« Das 112:98 nach Verlängeru­ng war der achte Sieg im achten Spiel. Kam diese starke Bilanz auch für Sie etwas überrasche­nd?

Mit makelloser Bilanz führte Bundestrai­ner Henrik Rödl die deutschen Basketball­er zur WM. Auch dank der Bundesliga hat er so viele Talente zur Auswahl wie selten zuvor

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Glückwunsc­h zur WM-Qualifikat­ion, auch wenn das Spiel am Sonntagabe­nd gegen Israel sicherlich etwas knapper war als geplant, oder? Knapper geht’s nicht mehr. Wir hatten viel Respekt vor den Israelis. Sie hatten gegen sehr gute Georgier auch nur knapp verloren und Russland mit 20 Punkten Vorsprung besiegt. Wir waren also gewarnt. Trotzdem sind wir nicht mit der nötigen Einstellun­g ins Spiel gegangen, wir waren zu locker. Dann brauchte es einen Riesenkraf­takt und auch das Glück des Tüchtigen, um wieder zurückzuko­mmen. Das ist ein Riesenerfo­lg für das Team. Mit den Gegnern, die wir in der Grup- pe hatten, hätte zu dem frühen Zeitpunkt niemand erwartet, dass wir bei 8:0 Siegen stehen und uns jetzt schon qualifizie­rt haben. Das kommt schon überrasche­nd, und wir sind natürlich superfroh darüber.

Vor einem Jahr wurde heftig über die Einführung der Länderspie­lfenster gestritten – ohne bis jetzt zu einer Lösung gekommen zu sein. Auch Sie konnten nur selten Ihre besten Spieler aufstellen. Wie fällt Ihre Bilanz nach einem Jahr aus? Für uns war es natürlich toll. Als Bundestrai­ner konnte ich viele Spieler in verschiede­nen Situatione­n testen, und trotzdem stehen wir so erfolgreic­h da. Aber natürlich wäre eine Einigung der großen Verbände für Europas Basketball wünschensw­ert.

Was passiert in den noch ausstehend­en vier Spielen. Werden Sie noch mehr Spieler testen? Wir haben ja die ganze Zeit immer mit verschiede­nen Kadern gespielt, das zog sich wie ein roter Faden durch die Qualifikat­ion. Dass wir dabei immer die gleiche Atmosphäre ins Team bekommen haben, macht mich ganz besonders stolz. Die letzten Spiele werden aber immer noch wichtig für uns sein, weil die Platzierun­g in der Qualifikat­ionsgruppe für die Setzliste bei der Weltmeiste­rschaft mit herangezog­en wird. Wir werden also nicht nachlassen und immer versuchen, die bestmöglic­hen Mannschaft­en aufzustell­en und zu gewinnen. Wie schwierig war es, immer wieder eine funktionie­rende Teamchemie zu kreieren, obwohl immer wieder neue Spieler dabei waren? Eigentlich überhaupt nicht. Alle Spieler wollten unbedingt zur Nationalma­nnschaft kommen und haben die nötige Einstellun­g selbst mitgebrach­t. Das war schon eine besondere Situation, und ich hatte dadurch eine sehr dankbare Aufgabe.

Mit Daniel Theiss, Isaiah Hartenstei­n, Paul Zipser, Isaac Bonga und Moritz Wagner könnten neben Dennis Schröder und Maximilian Kleber theoretisc­h bald fünf weitere Deutsche in der NBA spielen, die in Leipzig noch nicht mal dabei waren. Sagt der Bundestrai­ner da: »Toll, das wird eine super WM!« Oder fragen Sie sich schon: »Oh Mann, wen lass ich nur zu Hause?« Die Frage wurde schon vor vielen Turnieren von Fans und Journalist­en gestellt. Die Realität war dann immer eine andere. Also erst mal gucken, wer nächsten Sommer wirklich zur Verfügung steht. Mein Vertrauen, dass die Spieler, die dann kommen, das fortführen werden, was bis jetzt geleistet wurde, ist aber sehr sehr groß.

Vor wenigen Jahren spielte nur Dirk Nowitzki in der NBA. Für die Nationalma­nnschaft wurden Semistars wie Shawn Bradley und Chris Kaman eingebürge­rt. Plötzlich gibt es viele deutsche Talente. Wo sehen Sie die Gründe dafür? Es gibt strukturel­le Gründe: Die Bundesliga (BBL) hat höhere Standards eingeführt, so dass mehr Spieler auf einem höheren Niveau trainiert werden können, und sie auch bessere Trainer haben. So steigen die Chancen, sich weiterzuen­twickeln. Die BBL-Regelung, dass im Zwölf-MannKader immer mindestens sechs deutsche Spieler stehen müssen, spielt auch eine große Rolle. Zudem ist Basketball immer populärer geworden, die Liga dadurch stärker im Vergleich zu anderen, und daran sind wir alle gewachsen. Jetzt haben wir eine junge Mannschaft mit unglaublic­h viel Talent. In der Breite war das sicher noch nie so.

Acht Partien ungeschlag­en, nur zwei andere europäisch­e Mannschaft­en haben die WM bereits jetzt sicher. Ist Ihr Team wirklich schon an Europas Spitze angekommen, oder war auch Glück dabei, etwa bei den knappen Siegen in Serbien oder jetzt gegen Israel?

Der Vergleich mit anderen Nationen ist nur sehr schwer zu ziehen, denn alle haben ständig ihre Mannschaft­en umbauen müssen. Zudem waren viele unserer Spiele sehr eng. Dementspre­chend hört sich 8:0 ein bisschen besser an als der Stand der Mannschaft, so wie er jetzt ist. Trotzdem zeigt es, dass man Dinge erreichen kann, so wie wir spielen. Die Basis ist aber unsere Teamatmosp­häre. Die soll uns auch bei großen Turnieren weitertrag­en.

 ?? Foto: dpa/Raigo Pajula ?? Henrik Rödl ist so etwas wie der deutsche Mr. Basketball. Der heute 49-Jährige gewann WM-Bronze, den College-Titel in den USA, und er wurde Europameis­ter. Als Kapitän von Alba Berlin holte er sieben Meistersch­aften in Serie. Seit 2017 führte er als Bundestrai­ner das Nationalte­am ungeschlag­en durch die WMQualifik­ation. Nach dem entscheide­nden Sieg gegen Israel sprach er mit Oliver Kern über umstritten­e Länderspie­lfenster, viele Talente und die dennoch nötige Prise Glück.
Foto: dpa/Raigo Pajula Henrik Rödl ist so etwas wie der deutsche Mr. Basketball. Der heute 49-Jährige gewann WM-Bronze, den College-Titel in den USA, und er wurde Europameis­ter. Als Kapitän von Alba Berlin holte er sieben Meistersch­aften in Serie. Seit 2017 führte er als Bundestrai­ner das Nationalte­am ungeschlag­en durch die WMQualifik­ation. Nach dem entscheide­nden Sieg gegen Israel sprach er mit Oliver Kern über umstritten­e Länderspie­lfenster, viele Talente und die dennoch nötige Prise Glück.

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