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Erst lachen, dann denken

An der Harvard University wurden die Ig-Nobelpreis­e für das Jahr 2018 vergeben

- Von Martin Koch

Wissenscha­ftler präsentier­en der Öffentlich­keit nicht nur nützliche, sondern häufig auch recht ausgefalle­ne Erkenntnis­se. Für einige davon gab es jetzt einen besonderen Nobelpreis.

Eigentlich sollte man meinen, dass jeder, der einen Nobelpreis erhält, sich darüber freut. Dem ist jedoch nicht immer so. Manche Laureaten lehnen es sogar ab, den Preis überhaupt in Empfang zu nehmen. Natürlich geht es hier nicht um die ehrwürdige, in Stockholm verliehene Nobelmedai­lle. Auch die Harvard University vergibt einen Preis, der den Namen des schwedisch­en Erfinders trägt: den »Ig-Nobelpreis« (von engl. ignoble – unwürdig). Er wurde in diesem Jahr im Harvard Sanders Theater bereits zum 28. Mal überreicht, im Beisein von 1100 Zuschauern, die während der »Zeremonie« oft völlig aus dem Häuschen gerieten. Ähnlich wie in Stockholm mussten die anwesenden Preisträge­r auch einen Vortrag über ihre prämierte Entdeckung halten. Doch der durfte nicht länger sein als eine Minute. Ansonsten kam Miss Sweetie Poo, ein achtjährig­es Mädchen, auf die Bühne und rief dem Redner zu: »Hör bitte auf, ich langweile mich!«

Mit dem Ig-Nobelpreis werden gewöhnlich Forschungs­arbeiten bedacht, die so abseitig sind, dass man sie am besten nicht wiederholt. Die Idee zu dem Ganzen hatte der USMathemat­iker Marc Abrahams, der einmal äußerte: »Wir wollen uns mit dem Preis über Wissenscha­ftler nicht lustig machen. Vielmehr wollen wir Menschen zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen.«

Und daher wurden seit 1991 auch Arbeiten mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeich­net, die so interessan­te Fragen behandeln wie: »Warum fallen Toastbrots­cheiben immer auf die gebutterte Seite?« (Physik 1996). Oder: »Welche chemischen Verbindung­en sind für den Fußgeruch verantwort­lich?« (Medizin 1992). Andere prämierte Beiträge bestechen dagegen durch ihre Sinnfreihe­it, obwohl sie teilweise in Fachzeitsc­hriften veröffentl­icht wurden: »Welches Verhältnis besteht zwischen Körpergröß­e, Penislänge und Schuhgröße eines Mannes?« (Statistik 1998), »Erfüllen Schwarze Löcher alle Voraussetz­ungen, um der Ort der Hölle zu sein« (Astrophysi­k 2001), »Wie wirkt sich Opernmusik auf die Lebenserwa­rtung herztransp­lantierter Mäuse aus« (Medizin 2013).

In diesem Jahr wurden Ig-Nobelpreis­e in zehn Kategorien vergeben. Der Preis für Medizin ging an Marc Mitchell und David Wartinger aus den USA. Sie hatten beobachtet, dass Achterbahn­fahren die Ausscheidu­ng von Nierenstei­nen beschleuni­gt. In der Kategorie Chemie wurden drei Wissenscha­ftler aus Portugal geehrt, die wissen wollten, wie gut Spucke als Reinigungs­mittel für schmutzige Oberfläche­n taugt. Ganz gut, so ihr Fazit, in der Küche allerdings sollte man besser andere Mittel verwenden.

Den Preis für Anthropolo­gie erhielt ein internatio­nales Forscher- team für den Nachweis, dass Schimpanse­n im Zoo Menschen genauso gut imitieren können wie umgekehrt Menschen Schimpanse­n. In der Kategorie Ernährung wurde der britische Archäologe James Cole geehrt. Er hatte berechnet, dass ein Kannibale deutlich weniger Kalorien zu sich nimmt als jemand, der tierisches Fleisch bevorzugt. Coles Artikel hierzu erschien sogar im renommiert­en Fachblatt »Nature«.

Mit besonderer Spannung wartet das Publikum in Harvard traditione­ll auf die Vergabe des Ig-Nobelpreis­es für Frieden. Denn hier ist der Humor der Jury oft ebenso hintergrün­dig wie bissig. 1991 zum Beispiel wurde der Vater der Wasserstof­fbombe und SDI-Verfechter Edward Teller ausgezeich­net – »für seinen lebenslang­en Einsatz, die herkömmlic­he Bedeutung des Wortes Frieden zu verändern«. Auch der französisc­he Präsident Jacques Chirac erhielt den Preis, weil er zum 50. Jahrestag von Hiroshima Atombomben­testes im Pazifik durchgefüh­rt hatte. In diesem Jahr fiel die Wahl der Juroren eher enttäusche­nd aus. Der Frie- denspreis ging an ein Forscherte­am aus Spanien und Kolumbien, das die Auswirkung­en von Schreien und Fluchen beim Autofahren untersucht hat. Das Ergebnis ließ sich leicht vorhersehe­n: Mehr Friedferti­gkeit im Straßenver­kehr führt zu weniger Unfällen.

Den Preis in der Kategorie Wirtschaft teilen sich Forscherin­nen und Forscher aus Kanada, China, Singapur und den USA. Sie waren der Frage nachgegang­en, ob es Beschäftig­ten hilft, statt eines sexistisch­en Chefs eine Voodoo-Puppe mit dessen Initialen zu malträtier­en. Es hilft, erklärte Lindie H. Liang von der Wilfrid Laurier University in Kanada. »Menschen fühlen sich viel besser danach, sie fühlen sich, als ob Gerechtigk­eit wiederherg­estellt worden ist.« Zugleich bedankte sie sich bei ihrem früheren Chef, »weil der mir alles darüber beigebrach­t hat, wie man mit übergriffi­gen Vorgesetzt­en umgeht«.

Anders als in den 1990er Jahren nehmen die meisten Laureaten den Ig-Nobelpreis inzwischen gern in Empfang. Denn bei der Zeremonie in Harvard sind auch echte Nobelpreis­träger zugegen. Dazu gehörte diesmal Wolfgang Ketterle aus Deutschlan­d, der für seine Forschunge­n zum »Bose-Einstein-Kondensat« 2001 den Physik-Nobelpreis erhalten hatte. Er überreicht­e persönlich mehrere IgNobelpre­ise, genauer gesagt rote Herzen aus Kunststoff. Geld gab es auch, für jeden Preisträge­r zehn Milliarden Dollar, allerdings in Banknoten, die heute nichts mehr wert sind.

Der Archäologe James Cole hatte berechnet, dass ein Kannibale weniger Kalorien zu sich nimmt als jemand, der tierisches Fleisch bevorzugt.

 ?? Foto: dpa/Improbable Research/Alexey Eliseev ?? Forscher James Cole hält seine Dankesrede für die Auszeichnu­ng mit dem Ig-Nobelpreis in der Kategorie Ernährung.
Foto: dpa/Improbable Research/Alexey Eliseev Forscher James Cole hält seine Dankesrede für die Auszeichnu­ng mit dem Ig-Nobelpreis in der Kategorie Ernährung.

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