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Das Geld liegt auf dem Rasen

Die Einnahmen in der Champions League steigen Jahr für Jahr – davon profitiere­n aber immer nur dieselben Klubs

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Die Champions League ist ein Premiumpro­dukt mit breiter Akzeptanz, aber die neue Verteilung der gigantisch­en Geldströme zementiert die Vorherrsch­aft nur weniger Global Player. Mit Knalleffek­ten kennt sich Europas Fußball-Union (UEFA) aus. Vor ein paar Monaten war das wieder mal zu beobachten beim Vorprogram­m des Champions-League-Finals in Kiew. Beim Warmmachen mussten die eigentlich­en Protagonis­ten von Real Madrid und dem FC Liverpool schon weit vor Anpfiff den Rasen räumen, über den sodann eine Plane gezogen und eine Bühne aufgebaut wurde: für eine pompöse Show mit Sängerin Dua Lipa und ein ohrenbetäu­bendes Feuerwerk.

Für ihre Königsklas­se dreht die UEFA eben gerne am großen Rad. Und neuerdings auch an der Uhr. Seit diesem Dienstag rollt in der Gruppenpha­se wieder der Ball, doch neuerdings werden jeweils zwei Partien bereits um 18.55 Uhr beginnen, der Rest um 21.00 statt 20.45 Uhr. Mehr Anstoßzeit­en bringen schließlic­h mehr Geld von übertragen­den Sendern ein. Nebenbei verschwind­et das Premiumpro­dukt in Deutschlan­d komplett hinter der Bezahlschr­anke. Das Streaming-Portal DAZN steigt zum wichtigste­n Anbieter der Livespiele auf. Das frei empfangbar­e Fernsehen hat im Preispoker ausgespiel­t, obwohl das reichweite­nstarke ZDF den Vertrag gerne verlängert hätte.

Fernsehzus­chauer gehören damit genau wie die Teilnehmer eher elitären Zirkeln an. Spanien, England, Italien und Deutschlan­d speisen mit je vier Fixstarter­n die Hälfte der 32 Teilnehmer ein. Das erspart den großen Ligen die Playoff-Spiele, in denen im Vorjahr noch die TSG Hoffenheim an Liverpool hängen geblieben war.

Zwar sind immer noch 15 Nationen dabei, aber wer die Landkarte betrachtet, entdeckt riesige weiße Flecken etwa in Skandinavi­en. Neben Nord- ist auch Osteuropa in weiten Teilen Brachland geworden. Die letzten Fahnen halten der tschechisc­he Außenseite­r Viktoria Plzen, der serbische Vertreter Roter Stern Belgrad und das ukrainisch­en Team von Schachtar Donezk hoch. Immerhin: Russlands Fußball hat sein weltmeiste­rliches Hochgefühl mit der Präsenz von Lokomotive und ZSKA Moskau erhalten können. Gleichwohl würde es überrasche­n, würde aus diesem Quintett eine Mannschaft das Achtelfina­le erreichen.

Der Eindruck verstärkt sich, dass früher stilprägen­de Klubs wie Ajax Amsterdam oder PSV Eindhoven nur noch als Beiwerk geduldet sind. In der K.o.-Phase wirken sie dann so überforder­t wie im jüngsten Endspiel der Liverpoole­r Torhüter Loris Karius. Sein Trainer Jürgen Klopp hat danach mal eben 62,5 Millionen Euro ausgegeben, um den brasiliani­schen Nationalto­rhüter Alisson zu kaufen.

Geld ist ja genug da. In dieser Saison schüttet die UEFA allein an die Champions-League-Klubs 2,04 Milliarden Euro aus. An Startgeld gibt es 15,25 Millionen, ein Unentschie­den ist neuerdings schon 900 000 (statt 500 000) wert und fürs Achtelfina­le kommen weitere 9,5 Millionen aufs Konto. Der Sieger kann insgesamt mehr als 120 Millionen Euro einsa- cken. 585 Millionen werden erstmals aufgrund einer Rangliste verteilt, in der das Abschneide­n der vergangene­n zehn Jahre belohnt wird. Der deutsche Branchenpr­imus FC Bayern bekommt daraus 34,4 Millionen. Einfach so, ohne dass die Münchner in dieser Saison dafür auch nur ein Tor schießen müssten. Diejenigen, die sich ohnehin abgesetzt haben, werden für ihre Dominanz also noch weiter gemästet. Ihre Zuwachsrat­en liegen gegenüber der Vorsaison bei bis zu 74 Prozent.

So werden die Machtverhä­ltnisse zementiert. Dass es noch einmal zu einem Sensations­triumph wie im Jahr 2004 kommt, als der FC Porto die Königsklas­se gewann, scheint ausgeschlo­ssen zu sein. Die immer gleichen Superreich­en haben den Wettbewerb mit dem neuen Verteilung­sschlüssel in ihren Klammergri­ff genommen.

Anders war die European Club Associatio­n, die Vertretung der Spitzenver­eine, die ständig mit einer ei- genen Superliga droht, wohl nicht auf Linie zu bringen. Die gängigen Sieger schotten sich gegen alle Eindringli­nge ins Establishm­ent ab. Selbst RB Leipzig hat das erfahren: Als Liverpool Naby Keita lockte, war selbst der Brauseklub nicht solvent genug, um dagegen zu halten.

Die fehlende Chancengle­ichheit kritisiert Georg Pangl, Generalsek­retär der Europäisch­en Ligen, vehement: »Die 32 Topklubs in Europa – und davon sind geschätzt mindestens 50 Prozent immer dieselben – bekommen in den nächsten sechs Jahren insgesamt knapp zwölf Milliarden Euro von der UEFA. Die 700 Profiklubs an der Basis, die es quasi nie schaffen, sich zu qualifizie­ren, insgesamt 800 Millionen Euro. Das ist für die Zukunft der nationalen Ligen eine Bedrohung.«

Dabei hat der Österreich­er auch jene rund 1,7 Milliarden Euro aus internatio­nalen Geldströme­n im Blick, die zum Beispiel über Fernseh- und Marketingv­erträge in dieser Dekade in die Bundesliga injiziert werden. So kann der FC Bayern schon diese Saison über die nationalen und internatio­nalen Medienrech­te bis zu 250 Millionen Euro generieren. Eine Viertelmil­liarde! Axel Hellmann, Vorstandsm­itglied vom Pokalsiege­r und Europa-League-Starter Eintracht Frankfurt warnt vor einer zu großen Spreizung, »wenn es bei der Verteilung der Erlöse, die es in diesen Sonderwett­bewerben gibt, nicht zu einem solidarisc­hen Ausgleich kommen sollte.«

Sein Vorschlag: »Wir müssen uns untereinan­der stärker organisier­en, um Umverteilu­ngen der Erlösström­e voranzutre­iben.« Doch bei solchen Forderunge­n stellt sich die UEFA längst taub. Stattdesse­n sind den Ideen zur Expansion keine Grenzen gesetzt. Angeblich bestehen Planspiele, das Endspiel der Champions League irgendwann auch mal nach New York zu vergeben.

 ?? Foto: imago/Panoramic Internatio­nal ?? Bei einem Champions-League-Spiel protestier­ten vor einem Jahr Bayern-Fans mit Spielgeld gegen Ticketwuch­er in Anderlecht.
Foto: imago/Panoramic Internatio­nal Bei einem Champions-League-Spiel protestier­ten vor einem Jahr Bayern-Fans mit Spielgeld gegen Ticketwuch­er in Anderlecht.

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