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Gegen öde Schweine

Zahl der Einschücht­erungen und Drohungen im Südosten nehmen zu – ein Besuch im Zentrum für Demokratie in Niederschö­neweide

- Von Philip Blees

Der Kampf für einen bunteren Berliner Kiez wirkt.

Die Ortsteile Ober- und Niederschö­neweide galten lange als Areal, in dem sich rechtsextr­eme Strukturen ausgebilde­t haben. Auf dieser Seite blicken wir auf die Entwicklun­g im Südosten, porträtier­en engagierte Kämpfer*innen gegen Rechts und schauen, was heutzutage aus den ehemaligen Naziläden geworden ist.

Im Südosten Berlins ist Gewalt von Neonazis wieder ein Thema. Gianna Faust und Benedikt Hotz arbeiten für das Zentrum für Demokratie. Was treibt sie im Kampf gegen Neonazis an? Ober- und Niederschö­neweide: Lange war es ruhig um die Stadtteile im Südosten, die einst nicht so recht zum Image des hippen und weltoffene­n Berlins passen wollten. Öfter gab es negative Schlagzeil­en: Zuletzt wurden zwei Obdachlose am Bahnhof mit einer brennbaren Flüssigkei­t übergossen und angezündet – der Fall erregte viel Aufmerksam­keit. Und auch das Zentrum für Demokratie (ZfD), welches nur wenige Meter vom Tatort entfernt ist, hat nichts Gutes zu vermelden: »Neonazisti­sche Gewalt in Schöneweid­e nimmt wieder zu«, schreibt es aktuell in einer Mitteilung.

Dass jedoch nicht alles schlecht ist in dem alten Industriea­real zeigen die Mitarbeite­r des Zentrums selbst: Gianna Faust und Benedikt Hotz arbeiten noch nicht sehr lange dort und doch sind die 28-Jährige und der 32-Jährige von ihrer Arbeit überzeugt. »Dahinter steht auf jeden Fall eine antifaschi­stische Grundüberz­eugung«, sagt Hotz dem »nd«.

Doch auch sie sahen zu Beginn Schwierigk­eiten in dem Kiez: »Das Gefühl, dass das hier Feindeslan­d ist, war schwierig wegzubekom­men«, sagt Faust. Als sich dies langsam geändert hatte, wurde das Bild schnell wiederherg­estellt: Von der Kundgebung zu dem Vorfall am Bahnhof, welche vom ZfD organisier­t wurde, wird ein Foto von Faust im Internet veröffentl­icht. Eigentlich nur auf der Internetse­ite einer Zeitung, doch Rechte übernahmen es und eine Flut an Bedrohunge­n, Mord- und Vergewalti­gungsfanta­sien erreichte die 28-Jährige. Es sollte der Anfang einer Reihe von neuer neonazisti­scher Aktivität in Ober- und Niederschö­neweide werden – immer wieder im Fokus: Das Zentrum für Demokratie und seine Mitarbeite­r.

»Es gibt die Erzählung, dass die Strukturen weg sind und somit auch die Nazis«, erklärt Faust. Seitdem 2014 die letzte Kneipe von Neonazis geschlosse­n hat und die »braune Straße« Geschichte ist, wie die Brückenstr­aße einst genannt wurde, wird von vielen angenommen, dass somit auch die Faschisten weg wären. Dieses Bild muss man revidieren. Das zeigten die letzten Monate und vor allen Dingen der August: Die lokale Registerst­elle, welche neonazisti­sche und rassistisc­he Vorfälle dokumentie­rt, verzeichne­t einen erhebliche­n Anstieg an Angriffen, Beleidigun­gen und Bedrohunge­n für diesen Zeitraum. Schwerpunk­t der Aktivität: Neben Adlershof und Köpenick-Mitte sind es Nieder- und Oberschöne­weide. Und auch die Mitarbeite­r berichten von Personen, die sie stalken – gerade in den sozialen Medien.

Was motiviert jemanden, sich genau dort für Demokratie einzusetze­n, wo es am Unangenehm­sten ist? »Ein wichtiger Grund für meine Arbeit hier ist, dass mein Herz für die Außenbezir­ke schlägt«, sagt Faust. Trotz aller Neonazis und Rassisten gäbe es so viele engagierte Leute und eine hohe Sensibilit­ät bei Politik und Zivilgesel­lschaft. Hier könnten noch langfristi­ge und kleinteili­ge Projekte realisiert werden, so Hotz – es sei keine »Eintagespä­dagogik« wie bei anderen Bildungstr­ägern.

Für beide ist es jedoch auch etwas Persönlich­es: Faust kommt aus Pankow und Hotz aus Sachsen. Schon in ihrer Jugend haben sie ähnliche Erfahrunge­n gemacht wie nun in Treptow-Köpenick. »Ich weiß, dass es manchmal nicht leicht ist«, sagt die ZfD-Mitarbeite­rin, über die Arbeit in Außenbezir­ken. Das Zentrum muss mit Juweliergi­ttern und einer Schließanl­age gesichert werden. Besonders in Pankow habe es in ihrer Jugend ähnliche Probleme gegeben wie in Oberschöne­weide damals und auch heute noch. »Der braune Sumpf war immer relativ nah.« Damals sei sie im lokalen Jugendzent­rum aktiv gewesen – dem JUP. »Als Jugendlich­e sind wir von da dann irgendwann weggezogen.« Es sei zu gefährlich gewesen. Sie ging nach Prenzlauer Berg. Nun ist sie wieder zurück im Außenbezir­k: Für ihren Job zog sie kürzlich in die Gegend. Vielen anderen Antifaschi­sten wirft sie vor, etwas bequem geworden zu sein – nur manchmal natürlich.

Ähnlich sieht es bei Hotz aus: Er begann seine Karriere in der Bildungsar­beit beim »Netzwerk für Demokratie und Courage« in Sachsen. »Wir wollten die Zivilgesel­lschaft und antifaschi­stische Gruppen zusammenbr­ingen.« Mit diesem Ziel seien Probleme vorherzuse­hen: »Das war und ist nicht immer einfach.« Trotzdem habe man inhaltlich­e Differenze­n überwinden können, um gegen Nazis vorzugehen.

Doch wie schafft man es, dass einen so eine Arbeit auf Dauer nicht frustriert? Das hänge damit zusammen, was man in diesem Bezirk als Erfolg sehen würde, sagt Faust. Eine große Mobilisier­ung von Antifaschi­sten aus ganz Berlin zu einem Event sei das nicht zwangsläuf­ig – die würden wieder gehen –, sondern, »wenn wir es tatsächlic­h schaffen, Leute zu erreichen, die hier wohnen und aktiv sind«, so Faust. Das sei die Zielgruppe.

Und das funktionie­rt: Immer mehr Anwohner kommen und fragen, wie sie sich einbringen können, und auch sonst kriegen die Mitarbeite­r häufig Lob ausgesproc­hen – wenn das mal keine Motivation ist.

»Es gibt die Erzählung, dass die Strukturen weg sind und somit auch die Nazis.« Gianna Faust, Zentrum für Demokratie

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Foto: nd/Ulli Winkler
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Foto: nd/Ulli Winkler Gianna Faust und Benedikt Hotz vom Zentrum für Demokratie in Treptow-Köpenick

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