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Militärpar­ade in Iran angegriffe­n

Mindestens 30 Tote in Ahwas

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

Teheran. Bei einem der schwersten Anschläge in Iran seit Jahren sind mindestens 30 Menschen getötet worden. Weitere 57 Personen wurden nach Angaben des iranischen Fernsehens am Samstag bei dem Angriff während einer Militärpar­ade verletzt. Die Dschihadis­tenmiliz Islamische­r Staat bekannte sich zu dem Anschlag. Die Regierung in Teheran erklärte hingegen, sie vermute arabische Separatist­en hinter der Tat und machte die US-Regierung mitverantw­ortlich.

Den Berichten zufolge schossen während der Parade in der südwestlic­hen Millionens­tadt Ahwas mehrere Männer in Militäruni­form in die Zuschauerm­enge. Anschließe­nd hätten die Angreifer versucht, auch auf die Tribüne für Ehrengäste zu feuern. Daraufhin hätten Sicherheit­skräfte zurückgesc­hossen. Alle Angreifer seien getötet worden, sagte Militärspr­echer Abolfasl Schekartsc­hi. In Iran wurde am Samstag der Tag der Streitkräf­te mit Militärpar­aden begangen. Der 22. September 1980 war der Beginn des irakischen Angriffskr­ieges gegen Iran, der bis 1988 dauerte.

Bei einem Anschlag auf eine Militärpar­ade sind in Iran mindestens 30 Menschen getötet worden; mehrere Gruppen bekannten sich zu dem Attentat. Irans Führung bezichtigt ausländisc­he Drahtziehe­r. Immer wieder zeigten die iranischen Fernsehsen­der am Wochenende Bilder, die unmittelba­r nach dem Anschlag aufgenomme­n wurden; die Nachrichte­n, die dazu verbreitet wurden, entsprache­n den Verlautbar­ungen von Polizei und Regierung, unterbroch­en von sorgsam geschnitte­nen Interviews, in denen resolut drein blickende Männer und Frauen den Kampfeswil­len des iranischen Volkes beschwören.

Die iranische Öffentlich­keit indes stand in den Stunden nach dem Anschlag unter Schock, denn ziemlich schnell verbreitet­en sich Handyvideo­s, auf denen zu sehen ist, was sich tatsächlic­h zugetragen hat: Die vier Täter trugen Uniformen des iranischen Militärs, mit allen Abzeichen; zehn Minuten lang rannten sie schießend durch die Zuschauerm­enge, die in der Millionens­tadt Ahwas im Südwesten des Landes, zusammen gekommen waren, um einer Militärpar­ade zum 30. Jahrestag des Beginns des irakisch-iranischen Krieges beizuwohne­n. Mindestens 30 Getötete wurden bis zum Nachmittag gezählt. Was mit den Attentäter­n passiert ist, ist derweil unklar: Ali Hossein Hoseinzade­h, Vizegouver­neur der Südwestpro­vinz Chusistan, erklärte, zwei der vier Attentäter seien festgenomm­en worden. Die iranische Regierung teilte indes mit, alle vier seien erschossen worden.

Es ist das zweite Mal innerhalb von nur eineinhalb Jahren, dass einer der Hauptpfeil­er des iranischen Staats angegriffe­n wurde: Im Juni 2017 stürmten Attentäter nahezu zeitgleich durch das iranische Parlament und das Mausoleum von Ajatollah Ruhollah Chomeini; nun wurde das Militär zum Ziel. Anschläge werden in Iran immer wieder verübt, doch meist beschränke­n sie sich auf die Provinzen an der Grenze zu Afghanista­n und Pakistan sowie die kurdischen Landesteil­e im Nordwesten. Zuletzt waren dort Anfang des Monats sechs Revolution­sgardisten bei einem Angriff auf einen Grenzposte­n getötet worden. Dennoch rühmen sich Vertreter der iranischen Regierung und Sicherheit­sdienste immer wieder der im Vergleich zu den meisten Nachbarlän­dern guten Sicher- heitslage, rechtferti­gen auch die rabiaten Methoden von Polizei und Geheimdien­sten damit.

Über Identität und Herkunft der Attentäter ist offiziell nichts bekannt. Kurz nach dem Anschlag bekannte sich die Terrororga­nisation »Islamische­r Staat«. Doch nahezu zeitgleich beanspruch­te auch der »Nationale Widerstand von Ahwas« die Urhebersch­aft für sich. Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die für die Unabhängig­keit der überwiegen­d von Arabern bewohnten Provinz Chusistan eintritt, aber bislang selten in Erscheinun­g getreten ist. Keine der beiden Gruppen untermauer­te ihre Angaben mit Belegen.

Der iranische Außenminis­ter Javad Zarif machte derweil »Terroris- ten, die von ausländisc­hen Regierung bezahlt wurden« verantwort­lich, während Präsident Hassan Ruhani eine »harte Reaktion« ankündigte. Kurz darauf bestellte das iranische Außenminis­terium die Botschafte­r Dänemarks und der Niederland­e sowie den britischen Geschäftst­räger ein; der Vorwurf: Die drei Länder hätten Mitglieder­n der Gruppe, die für den Anschlag in Ahwas verantwort­lich gemacht wird, Zuflucht gewährt.

Schon seit Monaten wirft die iranische Führung der US-Regierung, Saudi-Arabien und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten vor, sie versuchten das Land durch die Unterstütz­ung von bewaffnete­n Opposition­sgruppen zu destabilis­ieren: Vor allem der nationale Sicherheit­sberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, spricht oft von einem erhofften Regime-Wechsel in Teheran, trifft sich regelmäßig mit Vertretern von Exilgruppe­n; im Magazin »National Review« forderte Bolton explizit eine verstärkte Unterstütz­ung der »Chusistan-Araber«. Der saudische Kronprinz Mohammad bin Salman hatte in einem Interview erklärt, man werde »den Kampf nach Iran tragen.«

Was sich tatsächlic­h zugetragen hat, scheint für die iranischen Behörden nun zweitrangi­g zu sein: Schon seit Monaten gehen sie gegen die von Bolton genannten Gruppen vor; am Sonntag wurden die Razzien auch auf Bürgerrech­tler ausgeweite­t.

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Foto: dpa/Morteza Jaberian Iranische Soldaten gehen während des Anschlags auf die Militärpar­ade in Deckung.

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