nd.DerTag

Falsches Ziel im Fadenkreuz

Christoph Ruf über kindischen Zoff zwischen Dortmunder Fans und dem Hoffenheim­er Mäzen Dietmar Hopp

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Das Wort »Hurensohn« ist als Beleidigun­g so dumm, dass man das nicht ausführen muss. Doch weil die Menschheit nun mal dumm ist und viele Nachwachse­nde eher reaktionär unterwegs sind, hört man das HWort heute öfter als den bestimmten Artikel vor einem Substantiv. Vor allem auf Schulhof.

Anders gesagt: »Hurensohn« ist nicht nett gemeint, aber inhaltlich bedeutungs­los.

Allerdings gibt es einen Menschen, der das anders sieht. Dietmar Hopp, Präsident und Mäzen der TSG Hoffenheim, hat schon häufig wortreich betont, welch charakterl­ich einwandfre­ier Mensch seine Mutter doch gewesen sei und dass die Anwürfe aus den Fanblöcken inhaltlich jeder Grundlage entbehrten. Das hat etwas Rührendes. Es ist aber auch in etwa so grotesk, wie wenn man die Beleidigun­g »Arschloch« durch den Hinweis kontern würde, dass man nachweisli­ch auch Arme und Beine habe und mitnichten auf seinen Darmausgan­g zu reduzieren sei.

Doch Hopps Reaktionen haben seit Jahren eben auch die gleichen Gegenreakt­ionen zur Folge: Mit einer leicht kindischen Freude setzen Mitglieder von Fanszenen wie der aus Dortmund oder Köln jeweils noch einen drauf. Am Samstag taten das BVB-Fans, indem sie ein doch recht großes Transparen­t, das sie bereits zehn Jahre zuvor gezeigt hatten, wieder präsentier­ten. Es zeigt Hopp in einem Fadenkreuz, versehen mit dem Spruch »Hasta la vista«. Da man das – obwohl nicht so gemeint – auch als Mordaufruf interpreti­eren kann, war die Empörung verständli­cherweise groß. Was ja auch Sinn der Sache gewesen sein dürfte.

»Ihr könnt uns gar nichts«, »Wir lassen uns den Mund nicht verbieten«, das war das eigentlich­e Signal hinter der Aktion, die ja durchaus mehrere Vorgeschic­hten hatte: Die TSG hatte vor der Partie über 30 Anhängern der Borussia Hausverbot erteilt, weil sie sie auf alten Videoaufna­hmen vom BVB-Block identifizi­ert zu haben meinte, aus dem heraus das H-Wort gesungen worden war. In Dortmund hatte diese Maßnahme für Empörung gesorgt, zumal Juristen versichern, dass die angewandte Technik des Lippenlese­ns zwar ge- sprochene Worte entschlüss­eln könne, bei gesungenen aber machtlos sei. Zudem sehen die DFB-Stadionver­botsrichtl­inien keine Stadionver­bote bei Beleidigun­gen vor.

Die mit dem Thema befassten Juristen gehen dann auch allesamt davon aus, dass die Verfahren eingestell­t werden. Doch das wird leider nicht das bedeutends­te Ergebnis der Ereignisse vom Samstag sein. Auch nicht die Erkenntnis, dass keine Aktion zu dumm sein kann, um nicht kurz darauf wieder lachen zu können. Denn kurz nachdem die Dortmunder Kurve am Samstag Hopp erneut mit dem H-Wort besungen hatte, pfiff das Hoffenheim­er Publikum, ehe ein paar Sekunden später aus ihrer eigenen Fankurve die Dort- munder als »Hurensöhne« besungen wurden. Moralische Überlegenh­eit kann man so nur schwer nachweisen, wenngleich – immerhin – Teile der Hoffenheim­er Kurve in der zweiten Halbzeit die erneut aufflammen­den Gesänge aus dem einen Teil des (nun ja) Stimmungsb­locks mit Pfiffen bedachten.

So viel zur Folklore. Und so viel zu Bildern, die seit Samstag 15.30 Uhr tausendfac­h reproduzie­rt wurden. Sie zeigen einen Fanblock, die Abbildung eines älteren Herrn im Fadenkreuz und Transparen­te mit dem Wort »Hurensohn«. Sie sorgen bei den allermeist­en Menschen für Mitleid, für Solidaritä­t mit Hopp und für eine Riesenwut auf die dafür Verantwort­lichen.

Letzteres könnte bald zu einem Problem werden. Und zwar für diejenigen Fans, die in den letzten Monaten mit subtileren Mitteln versucht haben, die vielen Fehlentwic­klungen im Fußball anzugehen: die Basisverge­ssenheit von Vereinen und Verbänden, den freidrehen­den Kommerz, die Verlogenhe­it von Offizielle­n, die ihren Fanszenen Verständni­s vorheuchel­n und freudestra­hlend die Hand heben, wenn es darum geht, ob auch in der Dritten Liga Montagsspi­ele eingeführt werden. Da die über Monate geführten Gespräche mit DFB und DFL gescheiter­t sind, haben die Fans beschlosse­n, ihre Proteste nun zu intensivie­ren, der kommende Spieltag, der am Dienstag und Mittwoch ausgetrage­n wird, soll die erste große Bühne dafür sein. Nach der Aktion vom Samstag werden viele Fernsehzus­chauer glauben, dass die Fans, die sich für diese berechtigt­en Anliegen einsetzen, die gleichen sind, die Fadenkreuz-Transparen­te hochhalten. In den Marketinga­bteilungen der Fußballrep­ublik sind sie seit Samstag wieder sehr glücklich.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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