nd.DerTag

Feministis­che Diplomatie

Das Netzwerk CFFP will die Rolle von Frauen in der Außenpolit­ik stärken und hat einen Empfehlung­skatalog für die Bundesregi­erung vorgelegt

- Von Lotte Laloire

Bevor Deutschlan­d 2019 einen Sitz im UN-Sicherheit­srat übernimmt, gründet sich das Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP). Es fordert eine feministis­che Außenpolit­ik nach schwedisch­em Vorbild. Rund hundert Frauen reden über Außenpolit­ik. Ihr Englisch ist flüssig, ihre Bildung akademisch. Viel dunkler Lippenstif­t, vereinzelt ein Kopftuch. Männer stehen eher am Rand, mit Babys im Tragetuch oder zum Türaufhalt­en.

Ginge es in der internatio­nalen Politik so zu wie bei der Auftaktver­anstaltung des Centre for Foreign Feminist Policy (CFFP) am Donnerstag­abend in Berlin, hätte sich die Organisati­on wohl gar nicht erst gründen müssen. Aber unter den mehr als 190 deutschen Botschafte­rn waren zu Beginn des Jahres nur gut zwanzig Frauen. Bei den Vereinten Nationen sind gerade einmal 26,8 Prozent der hohen Positionen mit Frauen besetzt, wie eine Studie der Frauenorga­nisation UN-Women aus dem Jahr 2017 zeigt. Mit der Ecuadorian­erin María Fernanda Espinosa hat die UN-Generalver­sammlung in ihrer 73-jährigen Geschichte derzeit erst zum vierten Mal eine weibliche Präsidenti­n. Sie ist die erste Frau aus Lateinamer­ika auf diesem Posten. Auch sexuelle Gewalt kommt in der Branche vor wie überall sonst auch, ob durch Blauhelme oder Botschafte­r.

Das geht so nicht weiter, findet die 29-jährige Kristina Lunz. Die Frau in Seidenklei­d und Turnschuhe­n hat als erste in ihrer Familie studiert – und das in Oxford. Danach arbeitete sie für das Entwicklun­gsprogramm der UN in Myanmar und als Beraterin für UN-Women. Um das Männerbusi­ness Außenpolit­ik weiblicher zu machen, hat sie jetzt das CFFP in Deutschlan­d eröffnet. In London besteht die Organisati­on unter Führung von Marissa Conway bereits seit 2016.

Zusammen wollen die Frauen die »zerstöreri­schen Kräfte des Patriarcha­ts, Kapitalism­us, Rassismus und Militarism­us genau unter die Lupe nehmen«, wie es auf ihrer englisch- sprachigen Website heißt. Im Gespräch betont Lunz, dies solle »unabhängig von politische­n Ideologien« geschehen. Die gemeinnütz­ige GmbH plant parteiunab­hängige Lobbyarbei­t und eine wissenscha­ftliche Studie, gefördert von der Heinrich-Böll-Stiftung. Daneben gibt das CFFP das Magazin »Disrupted« heraus.

Vorbild für die Initiative ist Schweden, dessen sozialdemo­kratische Außenminis­terin Margot Wallström Feminismus vor vier Jahren zur Staatsdokt­rin erklärt hat. Das Land hat im UN-Sicherheit­srat unter anderem dafür gesorgt, dass mehr Frauen an Friedensve­rhandlunge­n teilnehmen. Neben angemessen­er weiblicher Repräsenta­tion in außenpolit­ischen Ämtern fordert das CFFP auch, dass Frauen und ihre Interessen in den jeweiligen Programmen stärker berücksich­tigt werden. Schließlic­h seien Frauen beispielsw­eise durch Waffenhand­el oder Krieg anders und teilweise stärker betroffen als Männer, erklärt die zum Auftakt eingeladen­e Professori­n Elvira Rosert von der Goethe-Universitä­t Frankfurt.

CFFP-Direktorin Lunz sieht einen Zusammenha­ng dazwischen, wie Frauen in einem Staat behandelt werden und wie aggressiv dieser Staat außenpolit­isch auftritt, da etwa »Gewalt gegenüber Frauen auch jede andere Form von Gewalt legitimier­t«, so Lunz. Sie fordert: »Deutschlan­d muss sich endlich an oberster Stelle – und damit meine ich Heiko Maas – zu einer feministis­chen Außenpolit­ik bekennen.« »Wer es ernst meint mit Frieden und Sicherheit, muss die weltweite Ungleichhe­it bekämpfen, und dazu gehört eben auch Geschlecht­erun- gleichheit«, so Lunz, die auch Trägerin des Clara-Zetkin-Preises ist.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) habe versproche­n, einen Schwerpunk­t auf die Umsetzung der UN-Resolution 1325 für »Frauen, Frieden und Sicherheit« zu legen. Was das bedeuten könnte, hat Lunz in einem Empfehlung­skatalog an die Bundesregi­erung gemeinsam mit dem Zentrum für internatio­nale Friedensei­nsätze aufgeführt. Ein Stichwort darin ist »Intersekti­onalität«. Das heißt, die deutsche Außenpolit­ik soll Aspekte wie Religionsz­ugehörigke­it, sexuelle Orientieru­ng, sozialen Status oder Alter und deren Zusammensp­iel berücksich­tigen. Auch »sexualisie­rte Gewalt gegen Männer und Jungen« wird in dem Papier erwähnt.

Der Zeitpunkt der Gründung, einige Monate bevor Deutschlan­d einen Sitz im UN-Sicherheit­srat übernimmt, könnte sich als günstig für das Vorhaben erweisen. Auch das Publikum ist optimistis­ch. »Feminismus ist gerade auch einfach Zeitgeist«, sagt der Mann mit dem Baby im Tragetuch gegenüber »nd«.

Die Frauen wollen die »zerstöreri­schen Kräfte des Patriarcha­ts, Kapitalism­us, Rassismus und Militarism­us unter die Lupe nehmen«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany