nd.DerTag

Trennungsv­äter-Verband radikalisi­ert sich

Der »Väteraufbr­uch« war einst progressiv – heute betätigt er sich teilweise antifemini­stisch

- Von Thomas Gesterkamp

Ein Trennungsv­äter-Verband agiert mehr und mehr frauenfein­dlich und rechtspopu­listisch. Der Dachverban­d »Bundesforu­m Männer« ruft zum »Geschlecht­erdialog« auf. Mit Deutschlan­dfahne am Oberschenk­el schimpft die Frau auf der Bühne über »organisier­ten Kinderhand­el«, an dem sich angeblich staatliche Stellen wie Jugendämte­r und Familienge­richte beteiligte­n. Der Kölner Kreisverei­n des »Väteraufbr­uch für Kinder« (VafK) hat im Juni 2018 zu einer bundesweit­en Kundgebung in die Domstadt eingeladen. Neben geschieden­en Männern, die »allen Kindern beide Eltern« wünschen, und einer Großmutter, die den abgebroche­nen Kontakt zu ihren Enkeln beklagt, redet auch Fridi Milller, die Frau mit der Fahne.

Das linke Portal Indymedia stuft die Rednerin als »braun« ein, vor allem aber ist sie eine schillernd­e Figur. In Baden-Württember­g hat sie mehrfach als parteilose Bürgermeis­terin kandidiert, an ihrem Wohnort Sindelfing­en wollte sie per Direktmand­at in den Bundestag, um die Kanzlerin zu stürzen. Mediales Aufsehen erregte sie, als sie in Günter Jauchs Quiz-Show 32 000 Euro gewann und sich einen Porsche kaufte, den sie flächendec­kend mit »Merkel muss weg«-Parolen beklebte.

Warum kommt diese Frau auf einer Protestver­anstaltung von Trennungsv­ätern so exponiert zu Wort? Der Väteraufbr­uch für Kinder war mal ein progressiv­er Interessen­verband, nach seiner Gründung vor 30 Jahren forderte er mehr Rechte für nichteheli­che Väter, aber auch egalitäre Geschlecht­errollen und kürzere Arbeitszei­ten für Eltern. Heute ist der bundesweit tätige Verein eine der größten männerpoli­tischen Organisati­onen mit nach eigenen Angaben rund 3000 Mitglieder­n. Die Fluktuatio­n ist hoch, viele Väter kommen bei akuten Problemen und gehen, sobald sie diese gelöst haben. Ein klares Profil zu zeichnen, ist daher schwierig, das Bild heterogen.

Selbsthilf­egruppen wie der VAMV (Verband Alleinerzi­ehender Mütter und Väter), dem überwiegen­d Mütter angehören, begegnen dem Väteraufbr­uch von jeher mit Vorbehalte­n. Auch frauenpoli­tische Initiative­n sind skeptisch, zumal VafK-Aktivisten im öffentlich­en Raum oft undiplomat­isch und aggressiv auftreten. Der Väteraufbr­uch als Ganzes war jedoch nie antifemini­stisch orientiert. Viele regi- onale Gruppen leisten engagierte Arbeit, unterstütz­en und beraten Männer in Notlagen. Zugleich jedoch gab es schon früh männerrech­tliche Unterström­ungen und eine bedenklich­e Nähe zu rechtskons­ervativen Positionen in einflussre­ichen Ortsverbän­den.

2006 ließ sich der Schauspiel­er und Trennungsv­ater Mathieu Carrière in Berlin spektakulä­r ans Kreuz fesseln, stilisiert­e sich zum Opfer weiblicher Emanzipati­on. Furore im Väteraufbr­uch machte einst das Buch »Die vaterlose Gesellscha­ft« des früheren »Spiegel«-Redakteurs Matthias Matussek, der später zum katholisch­en Fundamenta­listen konvertier­te und inzwischen in rechten Internetfo­ren publiziert. Dabei hat sich juristisch in drei Jahrzehnte­n eine Menge getan. 1998 wurde das Kindschaft­srecht reformiert, seither gilt der Grundsatz der gemeinsame­n elterliche­n Sorge nach einer Trennung auch für nichteheli­che Väter – vorausgese­tzt, die Mutter stimmt zu. Gegen Letzteres klagte ein Betroffene­r bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f und bekam am Ende Recht.

Kinder sind heute seltener als früher Faustpfand und Zankapfel in gescheiter­ten Beziehunge­n. Gerade die Lage nichteheli­cher Väter hat sich deutlich verbessert. Mehr Paare finden nach der Beobachtun­g von Familienan­wältinnen eine einvernehm­liche Lösung oder wählen die Möglichkei­t einer Mediation, statt vor Gericht zu ziehen. Dennoch bleibt Trennung das größte Minenfeld-Thema in der geschlecht­erpolitisc­hen Debatte.

Immer wieder demonstrie­ren Väterrecht­ler, sie fordern die gesetzlich­e Einführung des Wechselmod­ells als Regelfall. Die »paritätisc­he Doppelresi­denz«, bei der Scheidungs­kinder jeweils hälftig bei beiden Eltern leben, wird von vielen Fachleuten befürworte­t. Auch SPD-Justizmini­sterin Katarina Barley unterstütz­te das Konzept im Wahlkampf; im Koalitions­vertrag steht dazu allerdings nichts. Im Bundestag profiliert sich damit nun die FDP-Fraktion.

Der Väteraufbr­uch ist Teil des »Bundesforu­ms Männer«, des vom Familienmi­nisterium geförderte­n Dachs der männerpoli­tischen Initiative­n. Auf der Kölner Demonstrat­ion aber waren direkt neben dem VafK-Logo vor dem Podium Plakate der »Interessen­gemeinscha­ft Jungen-Männer-Väter« platziert. Die »IG-JMV« ist eine antifemini­stische Reaktion auf das moderat auftretend­e Bundesforu­m, das mit Frauenpoli­tikerinnen kooperiere­n will. Sie beteiligt sich an sogenannte­n »Gender-Kongressen«, die faktisch Anti-Gender-Veranstalt­ungen sind und in denen das Thema Scheidung eine zentrale Rolle spielt. Zwei Tagungen fanden bisher in Nürnberg statt, die nächste ist für Juli 2019 in Köln geplant. Als einer der Verbände, auf denen »der Kongress inhaltlich basiert«, wird auf der Webseite neben männerrech­tlichen Initiative­n und Blogs auch der lokale Kreisverei­n des Väteraufbr­uchs gelistet.

Der Bundesvors­tand argumentie­rt stets, der VafK sei dezentral aufgebaut, die Ortsgruppe­n agierten unabhängig. Ein seltsames Verständni­s von Verantwort­ung, schließlic­h kann jeder Verband in landesweit­en Mitglieder­versammlun­gen rote Linien definieren.

Für das öffentlich geförderte Bundesforu­m Männer ist es zum Problem geworden, dass in einem Mitgliedsv­erein heikle Positionen auftauchen. »Selbstvers­tändlich werden die zum Teil extremen Positionie­rungen in den regionalen Handlungse­benen des Vafk zur Kenntnis genommen«, heißt es auf Anfrage des »nd«. Das Bundesforu­m erwarte demnach, dass der Väteraufbr­uch die »geschlecht­erdialogis­ch orientiert­e Plattform des Dachverban­des auch in seinen eigenen Gliederung­en durchsetzt«.

Schon die Aufnahme des Väteraufbr­uchs in das Bundesforu­m war intern umstritten: Erst als Links zu antifemini­stischen Seiten von der Homepage verschwand­en und der Vorstand einen dialogisch­en Kurs zusicherte, sprach sich eine ZweiDritte­l-Mehrheit für einen Beitritt aus. Dennoch sieht das Bundesforu­m auf Vorstandse­bene nach eigenen Angaben »derzeit keine Veranlassu­ng, mit Blick auf die Plattform an der Ernsthafti­gkeit des Vafk zu zweifeln«.

 ?? Foto: dpa/Gero Breloer ?? Der Schauspiel­er Mathieu Carrière lässt sich in Berlin als angebliche­s Opfer von Fraueneman­zipation symbolisch kreuzigen.
Foto: dpa/Gero Breloer Der Schauspiel­er Mathieu Carrière lässt sich in Berlin als angebliche­s Opfer von Fraueneman­zipation symbolisch kreuzigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany