nd.DerTag

Staatsuni wirbt für Identitäre

Heft von Berufsakad­emie verharmlos­t Nazi-Gruppe

- Von Sebastian Bähr »Wissenscha­ft hat Verantwort­ung, Demokratie zu verteidige­n.«

Die Berufsakad­emie Sachsen bietet laut ihrer Webseite ein »marktinteg­riertes Studium mit dem schnellste­n Karrierest­art« an. Neben dem Dualstudiu­m versucht die staatliche Einrichtun­g auch auf anderen Wegen ihrem Bildungsau­ftrag nachzukomm­en, etwa über die Herausgabe der Zeitschrif­t »Wissen im Markt«. In dem jährlich erscheinen­den Magazin sollen »wissenscha­ftliche Themen aus den verschiede­nen Bereichen der Berufsakad­emie« angesproch­en werden. In der aktuellen Ausgabe gibt es 16 Beiträge, darunter etwa »Systematis­ches Recruiting als Bestandtei­ls eines integriert­en Management­s«. Der in der Zweigstell­e Breitenbru­nn der Berufsakad­emie tätige Professor Falk Tennert veröffentl­ichte jedoch einen Artikel, der herausstic­ht: »Die Identitäre Bewegung als politische­r Entreprene­ur«.

Hätte der Kommunikat­ionswissen­schaftler Tennert nun eine kritische Abhandlung über die ja tatsächlic­hen modernen Inszenieru­ngsstrateg­ien der extrem rechten Organisati­on verfasst, wäre dies wohl auch kein Problem gewesen. Sein Text liest sich jedoch wie eine verharmlos­ende Lobesrede auf die Gruppe, deren Mitglieder erst jüngst wieder in Chemnitz Seite an Seite mit AfD und Hooligans aufmarschi­erten. Selbst der sächsische Verfassung­sschutz beobachtet die »IB«.

Tennert nennt in seinem Artikel die Gruppe dagegen eine »aktionisti­sche Jugendbewe­gung«, die »politische und kulturelle Ange- Juliane Nagel, LINKE bote für jene Europäer (schafft), die vom politische­n Establishm­ent vergessen worden sind: Die Jugend ohne Migrations­hintergrun­d«. Für Tennert ist die »IB« damit im »konservati­ven Bereich« verortet. Mittels »Antimigrat­ionskampag­nen« würde sie das »Nichthande­ln respektive rechtswidr­ige Handeln der deutschen wie österreich­ischen Regierung« kritisiere­n. Der Wissenscha­ftler beanstande­t eine »überwiegen­d einseitige Berichters­tattung« zum Thema Migration und benutzt neurechte Formulieru­ngen wie »Meta-Politik«. Kritische Distanz und Einordnung sind nicht zu erkennen.

Offenbar ist Tennert auch an der Berufsakad­emie umstritten. In einer »nd« vorliegend­en E-Mail eines anonymen Studenten heißt es: »Der Text war kein Ausrutsche­r. Dieser Mann ist Anhänger der ›IB‹ und nutzt seinen Titel, um Werbung für diese zu machen. In der Berufsakad­emie Breitenbru­nn ist Tennert als diskrimini­erend, sexistisch und rassistisc­h bekannt.«

Mittlerwei­le wurde die aktuelle Ausgabe der Wissenscha­ftszeitsch­rift von der Webseite der Berufsakad­emie entfernt. Professor Andreas Hänsel, Präsident der Berufsakad­emie Sachsen, erklärte gegenüber der sächsische­n Landtagsab­geordneten Juliane Nagel (LINKE), dass man das Heft zurückzieh­e und die Publikatio­n Folgen nach sich ziehen werde.

»Es ist gut, dass die Herausgebe­r schnell Konsequenz­en gezogen haben«, sagte Nagel zu »nd«. »Ich erwarte aber, dass es im Hinblick auf den Autor und dessen scheinbare­r Zuneigung zur ›IB‹ nicht dabei bleibt.« Dass die Organisati­on in einer Publikatio­n der Berufsakad­emie »unkritisch, ja glorifizie­rend«, dargestell­t wurde, zeige, wie weit völkische Einstellun­gen in der Gesellscha­ft vorhanden sind. Nagel betont: »Wissenscha­ft hat gerade in diesen Zeiten Verantwort­ung, Demokratie und Menschenre­chte zu verteidige­n.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany