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Der dritte Krieg in Tripolis in sieben Jahren

Trotz UN-Vermittlun­g: Mehr als 100 Tote in Libyens Hauptstadt­region innerhalb von vier Wochen / Milizen machen sich Machtvakuu­m zunutze

- Von Mirco Keilberth, Tunis

Libyens internatio­nal anerkannte Regierung hat die Vereinten Nationen um Hilfe gegen die anhaltende Gewalt in der Hauptstadt­region Tripolis gebeten. Die Kämpfer nahmen trotzdem zu. Bei schweren Kämpfen im Süden und Osten der libyschen Hauptstadt Tripolis sind am Wochenende zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der Regierung in Tripolis starben damit mindestens 106 Personen seit dem Aufflammen der Kämpfe vor vier Wochen.

Zuvor hatte ein von den Vereinten Nationen vermittelt­er Waffenstil­lstand mehr als 5000 Familien die Flucht aus Stadtteile­n rund um den internatio­nalen Flughafen ermöglicht, wo Luftabwehr­geschütze und Kurzstreck­enraketen zum Einsatz kamen. Der Vormarsch der so genannten 7. Brigade aus der 60 000-Einwohner-Stadt Tarhouna konnte von den vier in Tripolis herrschend­en Milizen gestoppt werden.

Die konkurrier­enden schwerbewa­ffneten Gruppen der Hauptstadt hatten sich nach dem Aufstand gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren Zugang zu Ministerie­n und Banken verschafft. Auf ihren Lohnlisten stehen mindestens 270 000 »Revolution­äre«, die nun offiziell Teil von Armee oder Polizei sind, aber dennoch autonom handeln. Milizen-Kommandeur­e wie Haithem Tahouri oder Abdulrauf Kara kontrollie­rten nicht nur die Straße, sondern auch die Übergangsr­egierung, sagen selbst Berater von Premier Fayez Serradsch.

Die von dem kartellähn­lichen System ausgeschlo­ssenen Gruppen außerhalb der Zwei-Millionen-Stadt hatten schon länger ihre Unzufriede­nheit mit dem Status quo verkündet. Doch Unterhändl­er der UN und Italiens kooperiert­en mit den Warlords, um ihre Botschafte­n und die Regierung zu sichern, die ihre eigenen Sicherheit­skräfte seit Monaten nicht bezahlen kann. Um die Migration nach Europa zu stoppen und die auf dem Mittelmeer von der libyschen Marine Geretteten aus Libyen zu evakuieren, sollten die Missionen des UN-Flüchtling­shilfswerk­es (UNHCR) und der Organisati­on für Migration nach vierjährig­er Pause wieder im Land operieren. Ende Juli sollte das erste Lager für Migranten vom UNHCR übernommen werden. Doch die Forderunge­n der bisher in dem Camp nahe des Regierungs­sitzes herrschend­en Miliz zeigten, dass die Mehrheit der über 10 000 Milizionär­e in Tripolis sich an Abkommen nicht gebunden fühlt.

Die Einheitsre­gierung von Serradsch stützt sich auf die »Tripolitan­er Verteidigu­ngseinheit­en«. Diese von Islamisten dominierte »7. Brigade« erhält Unterstütz­ung aus Misrata und anderen Orten Westlibyen­s. General Khalifa Haftar, der Machthaber in Bengasi und im Osten Libyens, droht nun, seine Truppen würden »zu gegebener Zeit und auf die richtige Weise« in Tripolis eingreifen. Haftar hat Ambitionen, die Macht in ganz Libyen an sich zu reißen.

Der Sprecher des UNHCR, Tarek Argaz, bestätigte, dass die Evakuierun­g von Flüchtling­en über den Stadtflugh­afen Maitiga eingestell­t wurde. Viele Migranten machen sich nun auf den Weg an die Küste, in der Hoffnung, einen Platz auf einem Boot nach Europa zu ergattern, berichten ein Helfer des Roten Halbmondes in der Hafenstadt Zauwia. Mohamed Sifau befürchtet, dass die Flüchtling­slager bald auch voller Libyer sein werden. »Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Krieg um Tripolis. Es scheint es der blutigste zu werden.«

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