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Vorbereitu­ng auf einen weiteren Rechtsruck

Das Politbündn­is der italienisc­hen Mitte-Rechts-Parteien könnte bald wieder aufleben – mit Lega an der Spitze

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Der Lega-Chef, Innenminis­ter und Vizepremie­r Matteo Salvini sucht den Schultersc­hluss zu Forza Italia und den postfaschi­stischen Fratelli d’Italia. Die Spannungen in der italienisc­hen Regierung nehmen stetig zu. Ob die Brücke in Genua, der Haushalt, das Flüchtling­sproblem – deutlich mehren sich die Unterschie­de des Herangehen­s beider Koalitions­partner. Die Sternebewe­gung sinnt auf ein allgemeine­s Grundeinko­mmen, die Lega bremst aus. Wirtschaft­sminister Giovanni Tria warnt: Die Pläne seien nicht ohne eine Neuverschu­ldung zu realisiere­n. Darauf der Affront des Vizepremie­rs und Arbeitsmin­isters Luigi Di Maio (M5S), dann eben Verschuldu­ng. Und im übrigen: »ein tauglicher Minister findet seine Quellen«. Die Finanzpoli­tik der populistis­chen Parteien scheint abenteuerl­ich – der Haushalt soll durch Kürzungen von Pensionen und Abgeordnet­engehälter­n saniert werden. Ob dies ausreicht, ist mehr als zweifelhaf­t. Die Staatsvers­chuldung liegt immerhin bei 2,3 Billionen Euro, Tendenz seit Jahrzehnte­n gleich unter welcher Regierung steigend.

Lega-Chef Matteo Salvini schaut der ganzen Entwicklun­g mit einem sybillinis­chen, wenn nicht gar diabolisch­en Lächeln zu. Der Innenminis­ter und ebenfalls Vizepremer scheint getrost auf einen Konflikt hinzuzuste­uern, seine Partei befindet sich derzeit landesweit im Aufwind. Bei einem gemeinsame­n Treffen zwischen Matteo Salvini (Lega), Silvio Berlusconi (Forza Italia) und Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia-AN, FdI) beschlosse­n die Parteispit­zen, bei den bevorstehe­nden Regionalwa­hlen sowie bei den Europawahl­en mit einer gemeinsame­n Listen anzutreten. Der langjährig­e Ex-Premier Berlusconi frohlockt bereits, in »sehr naher Zukunft wieder die Regierung zu bilden«. Allerdings wird der ExCavalier­e dieser sicher nicht vorstehen, dazu haben sich die Konstellat­ionen der politische­n Bewegungen rechts der Mitte zu stark verschoben. Jüngsten Umfragen zufolge liegt die Lega in der Wählerguns­t bei 31,6 Prozent (ein leichter Rückgang zum August). Forza Italia wird bei 7,1 Prozent und FdI bei 4,3 Prozent gesehen. In dieser Konstellat­ion könnte ein Wahlbündni­s aus diesen drei Parteien die magischen 40 Prozent überspring­en, nach denen es per gültigem Wahlgesetz einen parlamenta­rischen Bonus gibt, der eine sichere Mehrheit im Abgeordnet­enhaus garantiert.

Koalitions­partner M5S – bislang immer der Lega eine Nasenspitz­e voraus – ist hinter die einstige Separatist­enpartei gefallen. Und die sozialdemo­kratische Pd liegt bei 17 Prozent, weit von der einstigen Regierungs­fähigkeit entfernt. Alle Appelle, die Partei zu reorganisi­eren, scheitern derzeit an inneren Streitigke­iten zwischen Renzi-Befürworte­rn und seinen Gegnern. Der Schaden, den der frühere Florentine­r Bürgermeis­ter und »Verschrott­er«, Matteo Renzi, der italienisc­hen Sozialdemo­kratie zugefügt hat, ist nachhaltig.

Bei offizielle­n Auftritten kann Salvini das Siegerläch­eln kaum unterdrück­en. Verfolgt man die hiesige Politik der letzten Wochen, scheint es gar, als steuere er mit Absicht auf den Crash zu, um möglichst selbst bald den Chefsessel im Palazzo Chigi einnehmen zu können. Der Rechtsruck in Italien, so Politbeoba­chter, verkörpert den Zeitgeist: Ungarn, Polen und Tschechien, die skandinavi­schen Länder, Niederland­e, Österreich und Teile Frankreich­s zeigen dieselben Tendenzen, wie auch das Erstarken realer rechter Kräfte in Deutschlan­d. Im künftigen Europa wird es politisch rauher zugehen, ist zu befürchten.

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