nd.DerTag

Täuschung auf Kosten des Klimas

Bundesregi­erung übertreibt laut LINKE seit Jahren bei Energiewen­dekosten

- Windräder bei Parchim in Mecklenbur­g-Vorpommern Von Jörg Staude

Mit einem Preisverfa­ll von einem Drittel mussten Ökostromer in den vergangene­n Jahren zurechtkom­men. Trotzdem reiten Energiewen­degegner auf den angeblich zu hohen Kosten rum. Man stelle sich vor, ein Autokonzer­n würde gezwungen, seine Fahrzeuge innerhalb von drei Jahren um mehr ein Drittel billiger zu verkaufen – diese Idee würde sicher als wirtschaft­sfeindlich gebrandmar­kt werden. Mit so einem Preisverfa­ll mussten allerdings Ökostromer, die nach dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wurden, beim Bau neuer Anlagen zurechtkom­men. Erhielten neu in Betrieb gehende EEG-Anlagen 2011 im Schnitt noch etwas mehr als 20 Cent je Kilowattst­unde, so sank diese Vergütung bis 2014 auf unter 12 Cent. Das gibt die Bundesregi­erung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion an.

Zwar stieg 2015 die durchschni­ttliche EEG-Vergütung noch einmal auf über 14 Cent an – allerdings nur aus dem Ausnahmegr­und, weil in diesem Jahr viele Offshore-Windkrafta­nlagen eine spezielle Vergütungs­variante – das sogenannte Stauchungs­modell – wählten. Bei diesem erhalten sie in den ersten Jahren den Strom mit 19 Cent je Kilowattst­unde vergütet, dafür endet der Förderzeit­raum dann eher als mit den sonst geltenden 20 Jahren.

2016 hatten sich die Vergütunge­n mit 11,6 Cent schon wieder auf das Niveau von 2014 eingepegel­t. Hauptsächl­ich betroffen davon war die Photovolta­ik. Bei dieser ging – bezogen auf neue Freifläche­nanlagen – die Vergütung von rund 43 Cent im Jahr 2005 auf unter fünf Cent im Jahr 2017 zurück. Dagegen bewegte sich die Windkraft im selben Zeitraum recht stabil zwischen acht und zehn Cent je Kilowattst­unde und »unterbot« erst in diesem Jahr dauerhaft die Grenze von acht Cent. In den kommenden Jahren sorgt das Ausschreib­ungsmodell dafür, dass der Kostendruc­k hoch bleibt. So müssen Windkraftp­rojekte an Land, die 2017 und 2018 den Zuschlag erhielten und ab 2020 in Betrieb gehen sollen, mit einer Förderung von fünf bis sechs Cent leben.

Für Lorenz Gösta Beutin von der Linksfrakt­ion im Bundestag grenzt es angesichts der Zahlen an »mutwillige Täuschung, dass die Bundesregi­erung die Kosten der Energiewen­de seit Jahren übertreibt, ganz gleich, ob durch den damaligen Wirtschaft­sminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel, oder den heutigen Wirtschaft­sminister Peter Altmaier«. Mit einer »bewusst falschen Darstellun­g der Ener- giewendeko­sten« habe die Große Koalition das Ende der festen Ökostromfö­rderung und den Übergang zu den Ausschreib­ungen begründet.

Trotz des drastische­n Rückgangs der Förderung für neue EEG-Anlagen werden Energiewen­degegner vom Schlage der AfD allerdings vorerst weiter auf den angeblich unbezahlba­ren Kosten herumreite­n können. Nach Auskunft der Bundesregi­erung prognostiz­ieren die Netzbetrei­ber die sogenannte­n Differenzk­osten des EEG für 2018 auf rund 25,6 Milliarden Euro. 2017 hatten diese bei 24,5 Milliarden Euro gelegen.

Mit Differenzk­osten ist der Betrag gemeint, der von den Stromkunde­n als EEG-Umlage noch zu bezahlen ist, nachdem die EEG-Anlagen ihren Strom zwangsweis­e an der Strombörse verkauft haben. Seit April dieses Jahres ist der Strompreis an den Börsen übrigens um gut ein Drittel gestiegen – von vier auf fast sechs Cent pro Kilowattst­unde. Er nähert sich also dem 2018 geltenden EEGSatz von 6,8 Cent an. Ob sich das im Laufe des Jahres in sinkenden EEGZahlung­en auswirkt, muss man abwarten. Beim Stromkunde­n würden Einsparung­en sowieso erst 2019 ankommen, wenn die EEG-Umlage möglicherw­eise sinkt.

Demgegenüb­er scheinen die Möglichkei­ten des Ausschreib­ungsmo- dells, den Preisdruck auszureize­n, erschöpft. Laut der Auskunft der Bundesregi­erung ist zwischen Januar 2017 und Juli 2018 nur ein Zubau von etwas mehr als 2300 Megawatt bei Wind an Land genehmigt worden. Das liegt deutlich unter der ursprüngli­ch geplanten Menge, die per Ausschreib­ung vergeben werden sollte. Für 2019 rechnet die Regierung bei Wind an Land nur noch mit einem Zubau von 1500 bis 2000 Megawatt.

Wie zugleich die laut Koalitions­vertrag zusätzlich geplanten Ausschreib­ungen bei Windenergi­e von 2500 Megawatt für 2019 und 2020 realisiert werden, steht noch in den Sternen. Bezüglich dieser Sonderauss­chreibunge­n verkündete die Bundesregi­erung in ihrer Antwort an die LINKE nichts Neues. Derzeit erarbeite das Wirtschaft­sministeri­um Optionen für die Umsetzung der Sonderauss­chreibunge­n, heißt es nur.

Eine gute Nachricht hält die Antwort noch bereit: Über den Ausbau der Erneuerbar­en hinaus sehe man kurzfristi­g keinen Bedarf an neuer konvention­eller Stromerzeu­gung, »da die europäisch­en Strommärkt­e weiterhin von deutlichen Überkapazi­täten geprägt sind«.

Zumindest neue fossile Kraftwerke bleiben dem Lande also vorerst erspart bleiben.

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Foto: dpa/Jens Büttner

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