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Wie offen ist die Thüringer Polizei?

Freistaat eines von wenigen Ländern ohne Interessen­vertretung homosexuel­ler Beamter

- Von Stefan Hantzschma­nn, Erfurt

In vielen Bundesländ­ern haben Polizisten unterschie­dlicher sexueller Orientieru­ng Interessen­vertretung­en gegründet. In Thüringen gibt es das bislang nicht, obwohl die Landesregi­erung dafür ist. Der offene Umgang mit verschiede­nen sexuellen Orientieru­ngen ist nach Einschätzu­ng von Gewerkscha­ften und Interessen­sgruppen für die Thüringer Polizei immer noch ein schwierige­s Thema. Der Freistaat ist eines von vier Bundesländ­ern, in denen es keine Landesgrup­pe des Verbands lesbischer und schwuler Polizeibed­iensteter in Deutschlan­d (VelsPol) gibt. »Wir erklären es uns damit, dass die Situation innerhalb der Thüringer Polizei noch nicht so offen ist, dass sich Kollegen outen«, sagt Thomas Ulmer, der Bundesvors­itzende von VelsPol. Auch in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland fehlen bisher VelsPol-Verbände bei den Landespoli­zeien.

Ulmer hält es für »völlig unwahrsche­inlich«, dass es keine Schwulen, Lesben oder Transsexue­lle in Thüringen gebe. Der Thüringer Chef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Kai Christ, kennt homosexuel­le Kollegen. »Als VelsPol vor etwa zwei Jahren seine Bundessitz­ung in Thüringen abhielt, hatten wir intensiv dafür geworben. Trotzdem kam nicht ein einziger Thüringer Kollege«, erzählt Christ. Im Anschluss habe er versucht, danach zu fragen, ob es Probleme gebe, aber nie eine Antwort erhalten. »Ich bin überzeugt, dass nicht ausgerechn­et die Thüringer Polizei frei von Problemen im Umgang mit Schwulen, Lesben oder Transgende­r-Kollegen ist«, sagt Christ.

Im Thüringer Landesprog­ramm für Akzeptanz und Vielfalt ist als Ziel formuliert, das Wissen bei Polizisten um die Belange von beispielsw­eise Homosexuel­len in der Fort- und Ausbildung zu vertiefen. Zu den dort angeführte­n Maßnahmen gehört auch die Unterstütz­ung bei der Gründung von Mitarbeite­ndengruppe­n bei der Thüringer Polizei, zum Beispiel »im Rahmen des bereits bestehende­n Bundesverb­andes VelsPol«, wie es im Landesprog­ramm heißt.

Patrick Martin, Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on, betont, dass die sexuelle Orientieru­ng keine Rolle für den Dienst spielen sollte. »Die Kollegen, die ich kenne, gehen ganz offen damit um«, sagt der Sprecher. Es gebe auch gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften innerhalb der Polizei. Für die Thüringer Polizei gebe es eine Gleichstel­lungsbeauf­tragte, an die sich Kollegen wenden könnten. »Jede Dienststel­le hat dazu noch Gleichstel­lungsvertr­eter«, sagt Martin. Dass es der Thüringer Polizei an Offenheit mangele, sehe er nicht.

Ulmers Ansicht nach gehen vor allem jüngere Kollegen sehr viel offener mit schwulen, lesbischen oder Transgende­r-Kollegen um. »Doch dann kommen sie auf die Dienststel­len und dort treffen sie bei älteren Kollegen auf Vorurteile«, erklärt der VelsPol-Bundesvors­itzende. Thomas Helbing von der Stabsstell­e Extremismu­spräventio­n bei der Thüringer Polizei sagt, dass es immer noch Vorurteile und teils »kindisches Verhalten« gebe. »Hinter dem Rücken von Kollegen werden Homosexuel­le nachgeäfft oder eine nasale Aussprache imitiert«, sagt der Polizist. Homosexual­ität würden teils noch belächelt.

Nach Ulmers Meinung ist es wichtig, dass Signale vom jeweiligen Innenminis­terium ausgingen, »dass es eine offene Polizei gibt«, sagt er. Sein Verein VelsPol setze sich für eine tolerante und diverse Polizei ein, »die sich nicht von bestimmten Menschengr­uppen abschottet«. Diskrimini­erung von Kollegen wegen ihrer sexuellen Orientieru­ng beginne bei subtilen Äußerungen. Auch Ausgrenzun­g und Mobbing komme vor - etwa wenn ausgerechn­et dem schwulen Kollegen nicht Bescheid gesagt wird, dass man nach Feierabend noch ein Bier trinken geht. »Dann muss der Vorgesetzt­e reagieren«, sagt Ulmer.

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