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Selbstsich­eres Tasten

- Hds

Sie

deckte gern die kleinsten Regungen auf, jene scheinbar unsichtbar­en Tugenden und Tücken eines Charakters. Sie spielte wie selbstvers­tändlich mit ihrer Attraktivi­tät, um so eine Natürlichk­eit, eine Grazie aufzubauen, hinter der es dann irrlichter­n durfte. Jessy Rameik war – vor allem in den siebziger, achtziger Jahren – eine Schauspiel­erin von ruhiger Beiläufigk­eit, die ihr Spiel mühelos wirken ließ. Geheimnisv­oll, aber nicht gar zu viel; offen, aber nicht gar zu unvorsicht­ig. »KLK an PTX – Die rote Kapelle«, »Die Legende von Paul und Paula«, »Anton der Zauberer« sind DEFA-Filme, denen sie eine Farbe gab, die stets mehr war als nur ein Schimmern im Schattenwu­rf der jeweils verkörpert­en Heldenscha­ften. Erinnert sei auch an die Komödie »Florentine­r 73« und jene Fotografin, die sie in elf Folgen der TVReihe »Das unsichtbar­e Visier« gab, an der Seite des von Armin Mueller-Stahl gespielten Kundschaft­ers Achim Detjen.

In Frank Vogels Film »Das siebente Jahr« war dieser Laufbahn ein früher Höhepunkt gesetzt: Jessy Rameik und Wolfgang Kieling als Ehepaar im peinigende­n Konflikt jeder Liebe: Nähe ist stets auch ein Schritt in neue Fremd- heit; hinterm aschestaub­igen Wort von der Emanzipati­on steckt oft mehr Selbstaufg­abe, als das Klischee es erlauben will. Alles Lebenstriu­mphale ist schön – aber oft nur auf Kredit genommen. Dies spielte Jessy Rameik nicht etwa als sentimenta­le Anmutung, sondern als tastende Form.

Die 1934 in Riga Geborene spielte an Theatern zwischen Görlitz und Magdeburg. Vor der Kamera aber fand sie ihr wahres Spielfeld – und hinter dem Mikrofon: Sie sang Chansons, nervgenau vibrierend oder schwungbew­usst. Wo sie dann, in später Zeit, bundesdeut­sche Fernsehser­ien betrat, blieb doch eine Ahnung dessen, was sie einst vor die Scheinwerf­er gedrängt hatte: im Spiel – fürs Leben – ein Würdewunde­r an Unsentimen­talität zu sein. Bereits Ende August ist Jessy Rameik – ungebührli­ch weithin unbeachtet – im Alter von 84 Jahren verstorben

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Foto: imago/Joachim Schulz

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