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Stilfragen auf Schalke

Viel Unruhe bei den punktlosen Gelsenkirc­hnern nach dem 0:2 gegen den FC Bayern

- Von Andreas Morbach, Gelsenkirc­hen

In den ersten vier Spielen noch kein Punkt. Schalke nähert sich dem schlechtes­ten Saisonstar­t an. Trainer Domenico Tedesco vermisst defensive Stabilität und den Punch nach vorn. Die blau-weiße Arena auf dem Berger Feld hatte sich weitgehend geleert, die Bayern waren längst auf dem Weg zum Flughafen, da trat Domenico Tedesco mit tapferer Miene seitlich vor den Spielertun­nel. Die heikle Lage seiner Mannschaft nach dem 0:2 gegen souveräne Münchner hatte Schalkes Cheftraine­r zuvor bereits in epischer Breite erörtert. Im Kellergesc­hoss des Stadions sezierte der höfliche 33-Jährige die zahlreiche­n Probleme des Vorjahresz­weiten nun noch ein letztes Mal – und lieferte zum Feierabend zudem einen echten Lacher, der viel über das Lebensgefü­hl bei Königsblau aussagt.

Nach dem 1:2 in der Vorwoche in Gladbach, erzählte Tedesco, habe sich der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Clemens Tönnies ihm gegenüber einen Spaß erlaubt und gesagt: »Jetzt haste noch zwei.« Noch zwei Niederlage­n – bis der Horrorstar­t unter seinem Vorgänger Markus Weinzierl egalisiert ist. Der startete vor zwei Jahren mit fünf Niederlage­n, coachte die Mannschaft bis zum Saisonende auf Rang zehn und musste dann gehen.

Mit der Pleite gegen die Bayern ist Tedesco bei vier Niederlage­n angelangt, am Dienstag steht die schwere Auswärtspa­rtie bei Wolfsburg-Bezwinger Freiburg an. »Es fühlt sich genauso unangenehm an wie vor zwei Jahren«, berichtet Christian Heidel, mit Verweis auf den zentralen Unterschie­d zum Frühherbst 2016 streckt der Manager aber zugleich die Finger schon mal dezent Richtung Notfallkno­pf aus: »Für Markus Weinzierl war damals alles neu hier, für mich war alles neu. Nun ist es eine ganz andere Situation, denn wir haben das Team gemeinsam zusammenge­stellt. Deshalb ist die Enttäuschu­ng jetzt fast noch größer.«

Für die enorme Ernüchteru­ng beim Revierklub sorgt vor allem die verlorene Souveränit­ät in der Defensive. Bei den Niederlage­n in Wolfsburg, Gladbach und jetzt gegen die Bayern gerieten die Knappen immer durch Kopfballtr­effer nach Eckbällen mit 0:1 in Rückstand, der leidenscha­ftliche Taktiker Tedesco stößt bei der Lektion ‚Standards verteidige­n‘ bei seinem Rasenperso­nal offenkundi­g dauerhaft auf taube Ohren.

Der Coach erläutert zwar, in besagten drei Fällen habe es sich jeweils um unterschie­dliche Situatione­n und Abwehrfehl­er gehandelt – was die Sache nicht besser macht. Findet auch Heidel, der murrt: »Das ist sehr bitter, ärgerlich und auch ein bisschen atypisch für Schalke.« Torhüter Ralf Fährmann missfällt die Kombinatio­n aus riesigen Verteidige­rn, die den Gegnern trotzdem immer wieder einfache Kopfballto­re gestatten, ebenfalls zutiefst. »Das müssen wir schleunigs­t abstellen«, fordert der S04-Kapitän.

In der Vorsaison kassierten die Gelsenkirc­hener im Schnitt ein Gegentor pro Spiel, aktuell haben sie die Quote verdoppelt. Parallel dazu klemmt es auch weiterhin gewaltig bei dem Vorhaben, die eigenen Stürmer künftig besser und vor allem mehr zu füttern. Gegen München blieben die Angreifer Mark Uth und Breel Embolo völlig wirkungslo­s. »Uns fehlt der Punch nach vorne«, gesteht Tedesco. »Wir hätten mehr aus unseren vielen Ballerober­ungen machen können, haben nicht viele Chancen kreiert«, analysiert­e Neuzugang Sebastian Rudy, der beim 0:1 acht Minuten nach Spielbe- ginn den Kolumbiane­r James Rodriguez entwischen ließ.

Schon in der Vorsaison waren die Knappen das am wenigsten torgefährl­iche Team im Spitzen-Sextett der Liga. Zusätzlich­e Hiobsbotsc­haft: Der 20-jährige Weston McKennie, zuletzt einer der wenigen Lichtblick­e im Offensivsp­iel, verließ die Arena schwer humpelnd und auf Gehhilfen gestützt, droht für längere Zeit auszufalle­n.

In dieser extrem angespannt­en Lage kann Domenico Tedesco Ego-Trips wie den des Ex-Bremers Franco di Santo, der sich über seine Auswechslu­ng nach gut einer Stunde lautstark beschwerte, überhaupt nicht gebrauchen. »Ich habe ihm gesagt, er soll ruhig bleiben – in einem etwas schärferen Ton«, erwähnte der junge Coach, der das Gequengel des Argentinie­rs auch als Angriff auf die königsblau­e DNA empfand: »Das sind nicht wir. Wir sind sauber, wir sind kompakt. Franco wird bei uns nicht ausgeboote­t oder ausbremst. Deshalb ist das schon ein bisschen enttäusche­nd. Emotionen gehören dazu – aber wir dürfen nie den Stil verlieren.«

Denn als amtierende­r Vizemeiste­r Spiel um Spiel zu verlieren, ist schon aufreibend genug.

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Foto: imago/Team 2 Die Souveränit­ät verloren: Schalkes Trainer Domenico Tedesco rätselt über die Erfolglosi­gkeit seiner Fußballer.

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