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Knapp an einer Tragödie vorbei

Schulden, Organisati­onschaos und leidende Pferde: Die Weltreiter­spiele in Tyron erweisen in jeder Hinsicht als Fiasko

- Von Tobias Schwyter, Tryon SID/nd

Die chaotische­n Weltreiter­spiele in Tryon stellen das gesamte WM-Konzept zur Diskussion. Es scheint, dass das Megaevent in acht Pferdespor­tdisziplin­en kaum zu stemmen ist. Die Reit-WM der Pleiten, Pannen und Peinlichke­iten in Tryon (USA) war noch nicht einmal vorbei, da nahm Turnierche­f Mark Bellissimo seinen Mund schon wieder ziemlich voll. »Wenn wir das wieder ausrichten würden, würde es unglaublic­h sein? Absolut!«, sagte der schwer reiche Unternehme­r überzeugt. Ob er seinen gewagten Aussagen irgendwann Taten folgen lassen darf, ist aber äußerst ungewiss, denn das Konzept der Weltreiter­spiele steht mehr infrage denn je. Weltmeiste­rschaften in acht Pferdespor­tdisziplin­en an einem Ort über zwei Wochen verteilt – seit 1990 sind dies alle vier Jahre die Weltreiter­spiele. Was jedoch als Olympia der Reiterei angedacht ist, endete wie in Tryon schon zu oft im Fiasko.

»Das ist ein organisato­rischer und finanziell­er Kraftakt für jeden Veranstalt­er«, sagte Sport-Geschäftsf­ührer Dennis Peiler von der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g (FN) dem SID am Rande der WM in North Carolina: »Bislang gab es nur die Weltreiter­spiele 2006 in Aachen, die das stemmen konnten. Die anderen Ausrichter hatten richtige Probleme oder sind pleitegega­ngen.«

Tryon reihte sich da nahtlos ein. Im allerbeste­n Fall, so sagte Bellissimo, stünde nach der WM finanziell die Null. Wahrschein­licher sind hingegen Verluste, bis zu 1,5 Millionen Dollar könnten diese betragen. Für den Geschäftsm­ann wären die Spiele aber auch dann noch ein »großartige­r Erfolg«, wie er bekräftigt­e.

Andere Interessen­ten schreckt dies jedoch ab. Für die nächste Ausgabe in vier Jahren gibt es noch keine ernsthafte Bewerbung. Schon die diesjährig­en Spiele fanden nur statt, weil Tryon 2016 kurzfristi­g für das finanziell überforder­te kanadische Städtchen Bromont einsprang. »Vielleicht müssen wir das Format anpassen«, räumte Präsident Ingmar de Vos vom Weltverban­d FEI ein: »Wir werden eine klare Bewertung vornehmen, was die Zukunft der Spiele sein wird.«

Dass diese nochmals in ihrer jetzigen Form stattfinde­n, bezweifelt FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau. »Ich glaube, dass es keinen Veranstalt­er in der Welt gibt, der nochmal Weltreiter­spiele von der FEI erhalten wird«, sagte der 68-Jährige. Als geeignete Ausrichter sieht er nämlich nur die beiden Reithochbu­rgen Aachen und Calgary. Diese seien jedoch »durch andere Werbevertr­äge gebunden« und kommen nicht infrage.

Ohnehin denkt zu Rantzau, dass die FEI »einen anderen Weg einschlägt«. Dies könnte etwa ein abgespeckt­es Konzept wie bei der EM im kommenden Jahr in Rotterdam sein. Dort werden nur Wettkämpfe in der Dressur, Para-Dressur und im Springreit­en durchgefüh­rt. »Das würde sich schon anbieten«, sagte der FN-Präsident.

Dass Tryon den Dimensione­n der acht Diszipline­n nicht gewachsen war, zeigte sich vielerorts – sei es an Pferdepfle­gern, die aus Mangel an Unterkünft­en notdürftig in Zelten untergebra­cht wurden oder an einem Gelände, das auch nach Beginn der WM noch eine einzige Baustelle war.

Negativer Höhepunkt war ein katastroph­al organisier­ter Distanzrit­t, bei dem eine Tragödie nur knapp durch einen Abbruch verhindert wurde. 53 völlig erschöpfte Pferde in der Tierklinik und ein aufgrund von Nierenprob­lemen eingeschlä­ferter Wallach nach dem Distanzcha­os, dazu ein eingeschlä­fertes Vielseitig­keitspferd, zeichneten dennoch ein schrecklic­hes Bild für den Reitsport. »Die Weltreiter­spiele in Tryon«, sagte Peiler deshalb, »gehen sicherlich nicht als beste in die Geschichte ein.« Vielleicht dafür als letzte ihrer Art.

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