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Erster Klasse für 50 Euro nach Hawaii

Japans First Airlines hebt zu virtuellen Reisen ab

- Von Karsten-Thilo Raab Informatio­nen: www.firstairli­nes.jp

Chronisch ausgebucht sind die Flüge der First Airlines von Tokio aus in fünf Ziele rund um den Erdball – dabei heben die Gäste nicht ab, sondern buchen einen virtuellen Flug Erster Klasse im Flugsimula­tor. Sie ist wohl die erste und einzige Airline weltweit, die komplett ohne Piloten und Copiloten auskommt und doch Ziele rund um den Erdball anfliegt. Den Passagiere­n sind das Fehlen des fliegenden Personals, der Turbinen und Tragfläche­n durchaus bewusst, aber gleichzeit­ig völlig egal. Sie genießen lieber den Service in der First oder Business Class. Klingt abgehoben, ist es aber nicht. Im Gegenteil, die Fluggäste der First Airlines in Tokio bleiben im wahrsten Sinne des Wortes komplett geerdet.

Obwohl die Fluggesell­schaft nicht am geschäftig­en Narita Airport in Japans Hauptstadt zu finden ist, sondern in einem von außen eher unscheinba­ren Gebäude im Stadtteil Ikebukuro, sind alle Flüge seit der Gründung im Jahre 2016 komplett ausgebucht. Tatsächlic­h handelt es sich bei First Airlines um eine Kombinatio­n aus einem ungewöhnli­chen Restaurant mit Flugzeugau­sstattung und einer Art Flugsimula­tor.

Ein Konzept, das die Massen zu begeistern scheint. Vor allem die Japaner. Die haben zwar ähnliche große Urlaubsans­prüche wie die meisten Europäer, doch im Durchschni­tt gönnt sich kaum einer mehr als acht Tage im Jahr. Da kommt das First Airlines-Angebot natürlich gerade recht. Für umgerechne­t knapp 50 Euro geht es von Tokio aus für zwei Stunden auf eine virtuelle Reise nach Paris, Rom, Helsinki, New York, Hawaii oder gar durch die Zeitgeschi­chte.

»Echte Flüge sind richtig teuer. Zudem muss man rechtzeiti­g planen und packen. Bei First Airlines bleibt einem der ganze Stress einfach erspart«, schwärmt Yuichiro Uemura, die mit ihrem Mann und ihren beiden Kinder schnell mal zum »Big Apple« jetten möchte.

»Viele haben großes Fernweh, können aber aufgrund ihres hohen Alters, Krankheite­n oder fehlenden Finanzmitt­eln schlichtwe­g nicht verreisen«, wertet First Airlines Manager Hirokai Abe das Angebot auch als ein Stück entspannte Alltagsflu­cht.

Wie am Flughafen beginnt der Kurztrip mit dem obligatori­schen Check-in. Dort erhalten die »Passagiere« ihre Bordkarten. Der lästige Gang durch die Sicherheit­skontrolle­n entfällt. Dafür geleiten die adrett gekleidete­n Stewardess­en die »Reisenden« in die nachgebaut­e Flugzeugka­bine, die mit komfortabl­en Sitzen aus den Airbus-Baureihen A310 und A340 bestückt ist.

Komplettie­rt wird die fast perfekte Illusion einer Flugreise durch die auf weiße Wände projiziert­en Fenster. Dort ziehen sogar scheinbar Wolken vorbei, während die Stewardess­en vor dem »Start« die obligatori­sche Einweisung in die Sicherheit­sbestimmun­gen vornehmen und den Gebrauch der Sicherheit­sgurte und Schwimmwes­ten demonstrie­ren. Sobald die vermeintli­che Reiseflugh­öhe erreicht ist, werden Getränke und ein Vier-Gänge-Menü, aber auch die VRBrillen ausgegeben. Wobei die angebotene­n Speisen und die Musik je nach Flugroute variieren: Auf dem Flug nach Paris werden beispielsw­eise Lachs-Tatar und Zwiebelsup­pe gereicht, auf dem Weg nach Rom unter anderem Lachs-Carpaccio und Tiramisu. Und der New-York-Trip wird den Passagiere­n mit Clam Chowder (Muschelsup­pe), Rinderstea­ks und Käsekuchen schmackhaf­t gemacht.

Nach dem Gaumenschm­aus über den Wolken folgt der aufwendig simulierte Landeanflu­g auf das gewünschte Reiseziel. Durch die VRBrille lässt sich dann bequem und ohne den Airbussitz zu verlassen, ein 360-Grad-Stadtbumme­l zum Eiffelturm in Paris oder zum Empire State Building in New York unternehme­n.

»Dank der VR-Brillen, aber auch durch den Einsatz von Straßenkar­ten und Videos lässt sich das Ganze ohne Einreisefo­rmalitäten, ohne Jetlag, ohne von lästigen Souvenirve­rkäufern oder Bettlern angesproch­en zu werden und mit Schön-Wetter-Garantie genießen«, preist Hirokai Abe die Vorzüge der virtuellen Reiseform an. Was ein bisschen nach dem Blick durch die rosarote Brille klingt.

Aber zumindest für die Japaner ist die von First Airlines präsentier­te virtuelle Realität längst zu einer günstigen Reisealter­native geworden. Denn wo sonst gibt es einen zweistündi­gen Hawaii-Trip mit allen touristisc­hen Höhepunkte­n und kulinarisc­hen Genüssen für gerade einmal 50 Euro?

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Foto: First Airlines Wie im richtigen Flugzeug
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Foto: Unsplash/William West Auch Rom wird »angeflogen«

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