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Tiefseeber­gbau beginnt im Pazifik

Ein kanadische­r Konzern will bereits Ende 2019 am Meeresgrun­d Rohstoffe abbauen

- Von Hermannus Pfeiffer

Die UN-Meeresbode­nbehörde versucht, Umweltrege­ln für den maritimen Bergbau durchzuset­zen. Die Industrie schafft derweil schon einmal Fakten. In der Tiefsee lagern unermessli­che Schätze: Kupfer, Nickel und Gold, dazu seltene Erden, die für Handys, E-Autos oder 3D-Drucker benötigt werden. Die Schätze locken Bergbaukon­zerne aus aller Welt an. Wegen der stark zunehmende­n Nachfrage vor allem aus den schnell wachsenden Industriel­ändern Asiens und wegen des langfristi­gen Trends zu steigenden Metallprei­sen werden die mineralisc­hen Rohstoffe aus der Tiefsee attraktive­r.

Als Pionier gilt das kanadische Unternehme­n Nautilus Minerals. Es bereitet seit Jahren im Südpazifik den Tag X vor. Bereits 2019 soll nun in den Gewässern der Bismarckse­e vor Papua-Neuguinea der weltweit erste kommerziel­le Tiefseeber­gbau starten. Vor Ort hat das Projekt mit dem Namen »Solwara 1« zu Protesten in den betroffene­n Küstengeme­inden geführt. Kritiker fürchten Auswirkung­en auf Ökosysteme und Fischerei.

Eine Forschungs­lizenz für das Gebiet hatte Nautilus bereits 1997 von der Regierung Papua-Neuguineas erworben. 2011 erhielt das Unternehme­n dann die Lizenz für den Abbau in einer Tiefe von 1600 Metern. Die frühere deutsche Kolonie hat die Konzession auf 20 Jahre befristet und ist mit 15 Prozent an »Solwara 1« beteiligt.

Die technische­n Probleme, die bislang das Projekt verzögerte­n, scheinen inzwischen gelöst. Allerdings befindet sich das Förderschi­ff, von dem aus die Unterwasse­rbagger gesteuert werden sollen, noch in Bau. Im Mai 2019 soll das 227 Meter lange Schiff von einer Werft in China ausgeliefe­rt werden. Ende 2019 soll dann nach Firmenanga­ben der Abbau beginnen. Die Technik liefern unter anderem Firmen aus Dubai, Großbritan­nien und Deutschlan­d, darunter Siemens. Abnehmen wird die Erze das chinesisch­e Staatsunte­rnehmen Tongling Nonferrous Metals Group.

»Solwara 1« befindet sich nur 30 Kilometer von der Küste entfernt und liegt damit in der »Ausschließ­lichen Wirtschaft­szone« des Inselstaat­es. »Vermutlich haben sie nach einem schwachen Land mit schwachen Gesetzen gesucht«, meint John Simoi, Sprecher einer betroffene­n indigenen Gemeinscha­ft. Der Aktivist wird diesen Dienstag auf einer Podiumsdis­kussion in Berlin, die von Fair Oce- ans und Brot für die Welt veranstalt­et wird, seine Bedenken gegen das Großprojek­t vorstellen. In den vergangene­n zehn Jahren hat ein regelrecht­es Wettrennen um die unterseeis­chen Vorkommen eingesetzt. Dutzende von Lizenzen sind von kleinen pazifische­n Inselstaat­en an Konzerne vergeben worden, die Tiefseeber­gbau-Projekte planen.

Für die Ressourcen am Meeresbode­n existieren zwei unterschie­dliche rechtliche Rahmenvorg­aben. Die ersten 200 Seemeilen (etwa 350 Kilometer) ab der Küstenlini­e bilden die »Ausschließ­liche Wirtschaft­szone«. In dieser haben Länder das alleinige Vorrecht auf die Nutzung. Viele Kleinstaat­en machen für eine wirtschaft­liche Ausbeutung kaum Vorgaben.

Jenseits der 200 Seemeilen liegt juristisch die Hohe See. Und hier gilt für den Meeresbode­n ein System vergleichs­weise harter, internatio­naler Regulierun­g. Das 1982 beschlosse­ne UN-Seerechtsü­bereinkomm­en UNCLOS erklärt die Ressourcen zum gemeinsame­n Menschheit­serbe. Diese Meeresgebi­ete machen fast die Hälfte der gesamten Erdoberflä­che aus. Verwaltet werden sie von der Internatio­nalen Meeresbode­nbehörde in Kingston, Jamaika. Staaten können bei dieser Behörde Lizenzen für die Erkundung und späteren Nutzung von Flächen am Meeresbode­n erwerben.

»Faktisch hat sich aus diesem Vorgehen jedoch eine Praxis der indirekten Privatisie­rung entwickelt«, schreiben die Autoren von Brot für die Welt und Fair Ocean in der am Dienstag veröffentl­ichten Studie »Solwara 1 – Bergbau am Meeresbode­n vor Papua-Neuguinea«. Private, multinatio­nale Konzerne erwerben von Staaten, die selber nicht über die entspreche­nde Technologi­e verfügen, Lizenzen für die von der Meeresbode­nbehörde vergebenen Gebiete. Auch Nautilus Minerals hält über den pazifische­n Inselstaat Tonga Lizenzen für ein halbes Dutzend weiterer Meeresbode­ngebiete im Pazifik.

Im September begann in New York am Sitz der Vereinten Nationen eine neue Runde, um das Seerechtsü­bereinkomm­en zu reformiere­n. In den kommenden zwei Jahren wollen 190 Staaten erweiterte Regelungen für die Hohe See aushandeln. »Bei den aktuellen Verhandlun­gen geht es unter anderem um biologisch­es und genetische­s Erbe«, sagt ein Sprecher von Geomar, dem deutschen Zentrum für Ozeanforsc­hung in Kiel. Beides ist im Gegensatz zu den mineralisc­hen Rohstoffen überhaupt noch nicht geregelt.

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Foto: Reuters/ Nigel Roddis Solch ein Ungetüm könnte bald vor der Küste Papua-Neuguineas nach Rohstoffen baggern.

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