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Längst überfällig

24-Stunden-Kitas können eine Lösung für Familien sein, meint Falk Steiner

- Falk Steiner ist lebt und arbeitet als freier Journalist in Berlin

Richtig lange Kita-Öffnungsze­iten, vielleicht gar eine 24-Stunden-Betreuung, ist das wirklich böse? Werden die Kinder nur zum Anhängsel einer marktkonfo­rmistische­n On-Demand-Arbeitsges­ellschaft? Müssen nicht Eltern Zeit für ihre Kinder haben? Wenn man aus strikt theoretisc­her Sicht auf die Welt schaut, ist die Antwort auf diese Fragen einfach: ja.

Bloß geht diese Sicht geht von falschen Prämissen aus. Die Annahme, dass längere Öffnungsze­iten der Kitas der Ausbeutung durch optimale Arbeitskra­ftverwertu­ng Vorschub leisteten und dadurch Kindern schaden würden, ist Unfug. Der Aufenthalt in einer guten Kita ist für Kinder nicht per se schlechter als der Kreis der Familie. Erst zusammen, miteinande­r vereinbart, sind sie wirklich gut für das Kind.

Zudem ist das Argument in den meisten Orten eine Illusion: Für viele Eltern ist es unmöglich, Kinder und Beruf halbwegs konfliktfr­ei zu kombiniere­n. Und dabei auch sozial nicht unter ihresgleic­hen zu bleiben – also Schichtarb­eiterkinde­r in einer Kita, Lehrerkind­er in einer anderen. Das liegt nicht an zu langen, sondern an zu kurzen Öffnungsze­iten. Bei einem normalen Vollzeitar­beitstag inklusive Pause zuzüglich Wegstrecke ist in vielen Kitas die Gesamtöffn­ungszeit überschrit­ten. Nicht 6 bis 18.30 Uhr, sondern 7.30 bis 16 Uhr ist nach wie vor die Realität in den meisten Einrichtun­gen. Viele Familien schaffen das nur, in dem Bringen und Abholen gesplittet wird, das Familienle­ben aufgeteilt wird, versetzt gearbeitet wird. Noch schwierige­r ist es, wenn die Eltern in wechselnde­n Schichtdie­nsten arbeiten. Alleinerzi­ehende können ein Vollzeitei­nkommen in fast allen Fällen abschreibe­n – was unmittelba­r zur Kinderarmu­t führt. Ist das sinnvoll? Es gibt Wege: Omas, Opas, Tanten, Onkel. Schön, wer sie hat. Und jene mit hohen Einkommen können sich steuerbegü­nstigt vom Problem freikaufen: Nannys, Au-Pairs, Babysitter. Ist das Wünschensw­ert? Besser als ausgebilde­te Erzieherin­nen in der Kita?

Selbst einer 24-Stunden-Kita lässt sich einiges abgewinnen. Die Realität in vielen Familien ist, dass Kinder aus Kita und Hort abgeholt werden, dann noch zwei, drei Stunden Familienle­ben bleiben, bis sie schlafen gehen. Natürlich können sich Eltern einbilden, dass sie gerade dann besonders wertvoll für die Entwicklun­g ihres Kindes wären. Aber viele Kinder hätten deutlich mehr davon, wenn sie auch einmal an einem ganzen Nachmittag mit ihren Eltern ins Freibad gehen können, wenn sie nicht nur aus der Resterschö­pfung eines Arbeits- und Kita-Tages miteinande­r leben.

Man kann also das eine tun, ohne das andere zu lassen: Schutzmech­anismen, zum Beispiel im Arbeitszei­tgesetz, für Eltern einziehen. Da wäre zum Beispiel der Schutz des Wochenende­s als Familienze­it ein besonders hohes Gut, auch verpflicht­ende Nachtarbei­t für Eltern zu untersagen. Ganz konkret hilft aber vor allem eines: Macht die Kitas länger auf!

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