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Zunehmend bösartige Taktiken

Rettungssc­hiff »Aquarius« fordert Hafen / EU-Länder nehmen 10 von 58 Flüchtling­en auf

- Von Sebastian Bähr

Portugal, Spanien und Frankreich nehmen einen kleinen Teil der 58 geretteten Flüchtling­e der »Aquarius« auf. Wo das Schiff anlegen soll, ist weiter unklar. Dem letzten im Mittelmeer verblieben­en zivilgesel­lschaftlic­hen Rettungssc­hiff »Aquarius« wird von der EU erneut eine dramatisch­e Irrfahrt aufgezwung­en. Bis Redaktions­schluss war nur die Aufnahme von einem Bruchteil der 58 geretteten Geflüchtet­en geklärt. Während das Schiff der Organisati­onen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerran­ée einen sicheren Hafen für die restlichen Schutzsuch­enden und einen neuen Flaggensta­at sucht, gibt es Meldungen von weiteren Geflüchtet­en in Seenot.

Portugal hatte am Dienstagna­chmittag mit Frankreich und Spanien eine Abmachung zur Aufnahme von zehn Flüchtling­en der »Aquarius« getroffen. Das teilte das Innenminis­terium in Lissabon mit. Die »Aquarius« befindet sich derzeit in der Nähe von Malta und nimmt Kurs auf Frankreich.

Paris wies bis Dienstagmi­ttag noch die Verantwort­ung von sich. »Im Moment ist unsere Antwort nein«, sagte der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire gegenüber Medien auf die Frage, ob die Regierung der Anfrage von SOS Méditerran­ée und Ärzte ohne Grenzen zustimmen werde. Die Hilfsorgan­isationen hatten die französisc­hen Behörden gebeten, im Hafen von Marseille anlanden zu dürfen. Politiker des Landes reichten stattdesse­n die Verantwort­ung an Italien und Malta weiter, da dort die nächsten sicheren Häfen seien. Von beiden Ländern gab es eine Absage. Auf Druck von Rom hatte Panama erst jüngst der »Aquarius« die Flagge entzogen.

Die Schikanen sowie die Verweigeru­ng eines sicheren Hafens stößt bei den Hilfsorgan­isationen auf heftige Kritik. »Die europäisch­en Politiker scheinen keine Skrupel zu haben, zunehmend beleidigen­de und bösartige Taktiken anzuwenden, die auf Kosten von Menschenle­ben ihren politische­n Interessen dienen«, sagte Karline Kleijer von Ärzte ohne Grenzen.

Ob die Hilfsorgan­isationen auf eine Flagge aus Deutschlan­d setzen können, ist fraglich. »Ein spezielles Register für Seenotrett­ungsschiff­e gibt es in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d nicht. Eine Registrier­ung für diesen spezifisch­en Zweck ist nicht vorgesehen«, heißt es in einem neuen Gutachten des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s. In dem Gutachten, das der Linksparte­i-Abgeordnet­e Andrej Hunko in Auftrag gegeben hat, wird auf die Rolle der Deutschen Gesellscha­ft zur Rettung Schiffbrüc­higer (DGzRS) in der Nord- und Ostsee verwiesen. Diese sei ebenfalls als privater Verein organisier­t, übernehme aber eine Aufgabe, zur der sich die Bundesrepu­blik Deutschlan­d völkerrech­tlich verpflicht­et habe.

»Einen besonderen rechtliche­n Status, wie ihn die DGzRS für das Küstenmeer von Nord- und Ostsee genießt, haben die privaten Rettungsmi­ssion im Mittelmeer nicht«, heißt es. Mangels vergleichb­arer völkerrech­tlicher Verpflicht­ungen Deutschlan­ds im Mittelmeer dürfe der Status der Seenotrett­ungsgesell­schaft »auf private deutsche Rettungsmi­ssionen im Mittelmeer nach geltendem Recht nicht übertragba­r sein«.

Hunko forderte am Dienstag, das Verkehrsmi­nisterium solle Vereinen eine Registrier­ung von Rettungssc­hiffen ermögliche­n. Es sei nachvollzi­ehbar, wenn Hilfsorgan­isationen auf Flaggen von Ländern wie der Niederland­e, Gibraltar oder Panama ausweichen. »Die Bundesregi­erung muss dafür sorgen, dass Vereine wie Sea-Watch deshalb nicht kriminalis­iert werden«, erklärte er.

Während der Streit um die »Aquarius« weitergeht, schweben offenbar Dutzende Geflüchtet­e in Gefahr. Das ehrenamtli­che Pilotenpro­jekt »Pilotes Volontaire­s« meldete am Montag, dass man auf einem Flug rund 100 Geflüchtet­e in einem Schlauchbo­ot gesichtet habe. Die Piloten hätten die Seenotleit­stelle in Rom sowie sich in der nähe befindende Handels- und Marineschi­ffe über das Unglück informiert. Eine Antwort sei ausgeblieb­en.

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Foto: AFP/Maud Veith Flüchtling­srettung auf See am 23. September

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