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Eritreisch­e Botschaft erhebt Diasporast­euer

Flüchtling­e aus dem afrikanisc­hen Land werden dazu genötigt, die Machthaber in Asmara weiterhin zu unterstütz­en

- Von Marina Mai

Sie sind vor dem Regime geflüchtet, doch auch in Deutschlan­d kommen sie nicht gänzlich aus den Fängen der Diktatur: Wollen sie an Ausweise gelangen, müssen sie eine Diasporast­euer zahlen. Deutschlan­d finanziert die Militärdik­tatur in Eritrea, indem es eritreisch­e Flüchtling­e mit subsidiäre­n Schutzstat­us zwingt, dieser Diktatur Geld zu zahlen. Denn wer nur einen subsidiäre­n Schutzstat­us hat, bekommt in Deutschlan­d keinen Reisepass für Flüchtling­e, sondern muss sich einen Pass von der diplomatis­chen Vertretung seines Heimatland­es besorgen. Im Falle von Flüchtling­en aus dem kleinen Land am Horn von Afrika heißt das aber: Sie müssen an die eritreisch­e Botschaft zwei Prozent ihres Bruttoeink­ommens ab der Flucht aus Eritrea als sogenannte Diasporast­euer zahlen. Sonst gibt es keinerlei Leistungen von diplomatis­chen Vertretung­en, also auch keinen Pass. Die zwei Prozent werden selbst auf Hartz-IV-Leistungen fällig. Jeder Hartz-IV-Empfänger wird auf diese Weise gezwungen, die Diktatur mit acht Euro monatlich zu finanziere­n – aus deutschen Sozialgeld­ern.

Das nur gut fünf Millionen Einwohner zählende afrikanisc­he Land gehört nach Syrien, Irak, Iran und Afghanista­n zu den häufigsten Herkunftsl­ändern von Flüchtling­en. Die Menschen fliehen vor dem »National Service«. Das ist ein in der Theorie auf 18 Monate befristete­r, aber in der Praxis oft unbefriste­ter militärisc­her und paramilitä­rischer Dienst, der laut UN-Menschenre­chtsrat mit der Ausnahme des Kaufes und des Verkaufes auf dem Markt alle Merkmale von Sklaverei erfüllt. Die Menschen sind gezwungen, unter militärisc­hem Drill und bei einer Bezahlung, die nicht für den Lebensunte­rhalt reicht, Zwangsarbe­it in der Wirtschaft zu leisten. Bei kleinsten Vergehen drohen drakonisch­e Strafen – wie Aufhängen an Bäumen mit am Rücken gekreuzten Armen und Beinen oder Einsperren in Erdlöchern.

Im Jahre 2016 änderte sich laut der Flüchtling­shilfsorga­nisation Pro Asyl die Anerkennun­gspraxis des Bundesamte­s für Asyl und Flüchtling­e, ohne dass die Menschenre­chtssituat­ion in Eritrea geändert wurde. »Während zu Beginn des Jahres 2016 fast jede/r Eritreer*in die volle Flüchtling­sanerkennu­ng erhielt, rutschte die Zahl im vierten Quartal auf nur noch rund 54 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil des erteilten subsidiäre­n Schutzes von rund drei Prozent auf über 31 Prozent an.« Damit drängt sich für Pro Asyl der Eindruck auf, »dass politische Vorgaben die Verfahren und Entscheidu­ngspraxis negativ beeinfluss­en«. Der gegenwärti­ge Aussöhnung­sprozess Eritreas mit dem Erzfeind Äthiopien hat im Land weder für demokratis­che Strukturen noch für Veränderun­gen am National Service gesorgt.

»Anders als bei Asylberech­tigten ist

subsidiär Schutzbere­chtigten es grundsätzl­ich zuzumuten, sich einen Nationalpa­ss von ihrer Botschaft zu beschaffen«, begründet eine Sprecherin der Berliner Innenverwa­ltung, warum sie diesen Menschen keinen Reiseauswe­is für Ausländer ausstellt. In Berlin sehen das Grüne und LINKE, die kleinen Koalitions­partner der SPD, allerdings anders und suchen dazu das Gespräch mit Innensenat­or Andreas Geisel (SPD). Den Berliner Grünen zufolge sei Berlin mit der Forderung an Flüchtling­e mit subsidiäre­n Schutzstat­us, sich einen Pass bei der Botschaft zu besorgen, im Mai einer bundeseinh­eitlichen Linie gefolgt, die auf Wunsch von Horst Seehofer (CSU) zustande kam.

Betroffen ist etwa der Eritreer Ibrahim A. aus Berlin. Er bekam 2016 den subsidiäre­n Schutzstat­us und hat bis heute keinen Pass. Im Dezember möchte er seinen Onkel in Norwegen besuchen. Bei dessen Hochzeit soll er Trauzeuge sein. Doch ohne Pass darf der Auszubilde­nde in einem Handwerksb­etrieb Deutschlan­d aber nicht verlassen. Den Weg zur eritreisch­en Botschaft lehnt er ab, »Ich habe doch Eritrea nicht verlassen, um der Diktatur mein Geld zu geben.«

Freweney Habtemaria­m vom eritreisch­en Verein Eridac weist darauf hin, dass neben der zweiprozen­tigen sogenannte­n Diasporast­euer in der Botschaft auch eine Unterschri­ft gefordert wird, wonach man seine Flucht aus Eritrea und den Asylantrag bereut.

Die Niederland­e haben im Januar den einzigen eritreisch­en Diplomaten ausgewiese­n, weil er die sogenannte Diasporast­euer einzog. Diplomatis­chen Vertretung­en ist es grundsätzl­ich nicht erlaubt, Steuern einzuziehe­n.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Tedros Gebru froh aus Eritrea, arbeitet jetzt in Stuttgart

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